Kommentar
14:23 Uhr, 26.03.2015

The "New Normal" is the "Old Normal"

An den Finanzmärkten findet derzeit ein Umbruch statt, der viel weiter geht als nur die Spekulation, wann die Zinsen in den USA steigen.

  • Jeder fragt derzeit, wann die Zinsanhebung in den USA beginnt und wie sie wirkt. Wich­tiger aber ist, warum die Federal Reserve das überhaupt tut.
  • Ziel der US-Notenbank ist es, die in Unord­nung geratenen monetären Verhältnisse in den Vereinigten Staaten wieder zurecht­zurücken.
  • Für den Anleger ist das eine gute Nachricht. Manche Auswüchse des Kapitalmarktes werden beseitigt.

Seit der großen Finanzkrise 2008 gehen die meisten davon aus, dass sich die Welt grundlegend verändert hat. Inflationsgefahren gehören der Vergangenheit an. Wir können froh sein, wenn es keine Deflation gibt. Die Zinsen sind niedrig, vielleicht sogar negativ. Die Aktien­märkte boomen über alles Vorstellbare hinaus. Auch anderes, was wir auf den Kapitalmärkten sehen, ist "verrückt". Der Altmeister des Anleihegeschäfts, Bill Gross, prägte das Wort vom "New Normal", der neuen Normalität. Das macht die Runde. Viele glauben es und versuchen sich, nolens volens darauf einzustellen.

Jetzt passiert aber etwas ganz Ungewöhnliches. Ausge­rechnet die amerikanische Notenbank Federal Reserve, der man das am wenigsten zugetraut hätte, stellt die These von der neuen Normalität in Frage. Sie will sich nicht mit den gegenwärtigen Verhältnissen auf den Märkten abfinden. Sie will zurechtrücken, was schief gelaufen ist. So jedenfalls interpretiere ich ihre Ent­schlossenheit, die Leitzinsen auch gegen mancherlei Widerstände und frühzeitiger als von den Märkten er­wartet zu erhöhen.

Wie ich auf die Idee komme? An den Finanzmärkten wird derzeit heftig über das Für und Wider des "Lift Off" diskutiert, also der Anhebung der amerikanischen Leit­zinsen. Alle rätseln darüber, wann er kommt, wie stark er ausfällt und was er für die Finanzmärkte bedeutet. Wird er etwa zu einer Wiederholung des großen Crash von 1937 führen, als der Dow Jones in zwei Monaten um fast 50 % herunterrauschte? Das hat der Gründer des Hedge-Fonds Bridgewater, Ray Dalio, kürzlich in einem Brief an seine Kunden an die Wand gemalt. Oder kom­men wir insgesamt mit einem blauen Auge davon?

Eine Frage aber wird gar nicht gestellt. Warum tut sich die Federal Reserve das Ganze überhaupt an? Warum will sie die Zinsen erhöhen und damit neue Risiken ein­gehen? Es zwingt sie doch niemand. Die Wirtschaft der USA läuft. Es gibt – auch am Arbeitsmarkt – keine grö­ßere Überhitzung. Die Inflation liegt unter Null. Da könn­te man einfach weitermachen wie bisher.

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So sieht das die Federal Reserve aber offenbar nicht. Sie ist der Meinung, dass sich die Welt gar nicht so sehr verändert hat. Die Wirtschaft folgt nach wie vor den alten Gesetzen. Schauen Sie sich die Konjunktur an (siehe Grafik). Sie bewegt sich gar nicht viel anders als früher. Durch die Flutung der Märkte mit Geld in den letzten Jahren sind aber neue Ungleichgewichte entstanden. Sie sind so groß, dass man sie nicht als "neue Normali­tät" verharmlosen kann. Sie müssen beseitigt werden, und zwar so schnell wie möglich.

Was die Federal Reserve will, ist dreierlei. Erstens müs­sen die Zinsen wieder steigen. Anhaltend niedrige Zin­sen führen zu Blasen an den Kapitalmärkten. Sie verzer­ren den Blick auf die Risiken und führen zu Fehlentwick­lungen in der Wirtschaft. Es gibt nicht den berühmten "Savings Glut" (Überschuss an Ersparnis über die Inves­tition), der die Zinsen zwangsläufig so niedrig hält. Als ersten Schritt fasst die Notenbank daher jetzt eine Er­höhung der Leitzinsen ins Auge.

Zweitens soll die Liquidität wieder auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden. Geld muss knapp sein, sonst kommt es zu Preissteigerungen. Das alte Gesetz, dass eine zu große Geldmenge auf Dauer zu einer gro­ßen Inflation führt, gilt nach wie vor. Es war nur vorüber­gehend wegen der schlechten Konjunktur außer Kraft gesetzt. Im Augenblick drücken die niedrigen Ölpreise die Geldentwertung. Das darf aber nicht verschleiern, dass die Inflation nicht tot ist. Sie wird wiederkommen. Unsere Gesellschaft tendiert nach wie vor dazu, mehr zu fordern und zu konsumieren, als sie selbst erarbeitet und an Produkten herstellt. Früher oder später muss das zu höheren Löhnen und höheren Preisen führen.

Drittens soll die Geldpolitik insgesamt wieder auf Normal gestellt werden. Zinsen und andere Daten sollen sich am Markt bilden und nicht durch die Zentralbank mani­puliert werden. Die Wirtschaft ist nicht so schwach, dass sie die permanent geldpolitische Stimulantien benötigt. Es gibt keine säkulare Stagnation. Die geplante Zinser­höhung ist keine Restriktionspolitik, sondern nur eine Normalisierung. Die Anleger sollen sich wieder an den Gegebenheiten der Wirtschaft orientieren, nicht an den Überlegungen der Zentralbank.

Die alten Tugenden gelten also noch, vor allem die Ver­pflichtung der Zentralbank nicht nur für einen stabilen Finanzmarkt zu sorgen, sondern ganz traditionell auch für einen stabilen Geldwert.

Für den Anleger sind das gute Nachrichten. Die Zeit des extremen Anlagenotstands, wie wir ihn derzeit ha­ben, dauert nicht ewig. Ein erster Lichtschein am Ende des Tunnels ist erkennbar. Auch die "verrückten" Ver­hältnisse auf den Kapitalmärkten mit negativen Zinsen werden auf Dauer nicht so bleiben. Die alten Grundsätze des Anlegens mit vernünftigen Zinsen sind nicht Vergan­genheit. Der Rentenmarkt wird daher auch für "Otto Nor­malverbraucher" wieder interessant werden.

Umgekehrt werden die Aktien auch nicht immer so boo­men. Freilich wird es Jahre dauern, bis das "Old Normal" wieder er­reicht ist. Die USA fangen mit dieser Umstel­lung jetzt an. Die Europäer werden nach dem Auslaufen des Wertpa­pierkaufprogramms im nächsten Jahr folgen. Kurzfristig muss sich jeder Investor bei steigenden Zin­sen freilich zunächst einmal auf unruhigere Zeiten ein­stellen.

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10 Kommentare

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  • Austrochris
    Austrochris

    Dieser Artikel spiegelt die Realität ziemlich gut !!

    http://www.goldseiten.de/artikel/238956--Bergbau-und-Schiefer-Oedland~-Konsequenzen-fuer-Gold-.html

    11:35 Uhr, 04.04. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    Die letzten 1000 Milliarden Schulden sind in nicht einmal einem Jahr enstanden und das bei 0 Prozent Zinsen .

    Niedrige Zinsen sollten eigentlich helfen die Schulden zu tilgen, oder !

    Bis 2020 werden die Amis mehr als 20 000 Milliarden Schulden haben , eher 25 000 Milliarden !

    Es lebe die Zinserhoehung und die 40 Millionen die noch immer von Essensmarken leben müssen trotz sogenannter Vollbeschäftigung !!!

    11:27 Uhr, 04.04. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    18 000 Milliarden Schulden natürlich !!

    11:20 Uhr, 04.04. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    Wo alle schweigen, ist zum Beispiel, dass die Amis die Schuldengrenze wieder gesprengt haben , aber das wird ja totgeschwiegen . Und man kennt ja die Meinung der Republikaner, die

    werden es Obama nicht einfach machen .

    Eine Zinserhoehung bei bereits über 18 000 Milliarden....... gute Nacht !!

    11:19 Uhr, 04.04. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    Herr Hüfner !

    Ihr Artikel fällt unter die Kategorie " schön reden " . Sie werden sehen, dass es keine Zinserhoehung gibt, schon gar nicht nach den wenig berauschenden Zahlen gestern vom Arbeitsmarkt !

    Schönreden alleine bringt da gar nichts. Der Artikel haette Platz in der neuen Post !

    ( neben den Kochrezepten )

    Wir wissen ja genau, wie skrupellos die Fed und co ist . Der Dollar wird untergehen, b mit oder ohne Zinserhoehung !

    11:13 Uhr, 04.04. 2015
  • Gargol
    Gargol

    Halte es da eher mit der Zinseszinsrechnung. Nachrechnen bei z.B. einem "Normalzinssatz" von 3 % lohnt sich, dann kommt man zu einer Erkenntnis für die Schulden der Welt:

    Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Pinke Pinke ... ?

    09:58 Uhr, 04.04. 2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... lächerlich ...

    Es wird zu keiner Anhebung der Leitzinsen kommen ...

    Unmöglich ... !!!

    23:40 Uhr, 26.03. 2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Lieber Herr Dr. Hüfner,

    ich lese Ihre spannenden Beiträge regelmässig und gerne und teile oftmals Ihre Sichtweise. Im vorliegenden Fall vertrete ich allerdings eine ziemlich konträre Position.

    Die Privatbank FED veräppelt die Finanzmarktteilnehmer nach Strich und Faden und das macht sie gut, sehr gut sogar. Das Zinserhöhungsmärchen wird professionell dargeboten, wie von einem guten orientalischen Märchenerzähler. Gebannt hängen die Zuhörer an den Lippen von Frau Yellen und den Regionaldirektoren und bis zum heutigen Tag gehen zahlreiche Akteure am Finanzmarkt tatsächlich von einer Zinserhöhung aus. Allein, sie wird nicht kommen, die Erhöhung vom Preis fürs Geld. Allenfalls in einer homöopathischen Dosis, um das Gesicht nicht zu verlieren.

    Und wissen Sie, wieso die Zinserhöhung nicht kommt?

    Sie würde der fragilen Erholung der amerikanischen Wirtschaft die Luft zum Atmen vollends nehmen. Ein noch stärkerer Dollar als heute? Dann explodieren trotz aller Tricks der Statistikbehörde die Arbeitslosenzahlen in den USA.

    Wenn Sie sich für die ungeschminkten Daten der Inflation und Arbeitslosenquote interessieren, dann kann ich Ihnen die Seite von US-Ökonom John Williams shadowstats.com empfehlen und für die reale Wirtschaftsentwicklung die Seite des ECRI Institute, die Daten dieser Institute weichen geringfügig von den Daten der staatlichen Märchenerzähler ab und vermitteln ein ungeschminktes Bild der realen Lage von Uncle Sam.

    Fazit: Keine Zinserhöhung, sondern weiter Tittytainment by FED für die US-Märkte, gekrönt durch ein frisches QE im laufenden Jahr.

    21:49 Uhr, 26.03. 2015
  • Bradley
    Bradley

    Sie glauben doch nicht allen Ernstes was sie hier schreiben, dass die Fed wirklich plant die Leitzinsen zu erhöhen. Aktuell steht der Euro/USD bei 1,0876 (Stand ca. 19:16 Uhr), was denken sie denn wo der Wechselkurs stehen wird, wenn die Fed die Zinsen auch nur minimal anheben wird. Die USA machen doch ihren "vermeintlichen" Wirtschaftsaufschwung doch nicht selber wieder kaputt. Nebenbei bemerkt sind die Eigentümer der Fed (Privatbanken) diejenigen die im Hintergrund die Fäden ziehen, Frau Yellen ist nur ihr Sprachrohr.

    19:20 Uhr, 26.03. 2015
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