Kommentar
16:20 Uhr, 21.09.2005

Südzucker profitiert an Ethanol-Fantasie

Südzucker (WKN: 729700) ist mit 22% Marktanteil Europas größte Zuckerraffinerie. Sie ist Marktführer in Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich und Polen. Obwohl eigentlich die Aussichten dieses Unternehmens eher düster aussehen sollten, weil die europäischen Subventionen kräftig gekürzt werden, scheinen Aktienanalysten genau das Gegenteil erwarten. Sie sehen gerade wegen der sinkenden Preise einen Produktivitätsschub auf das Unternehmen zukommen, der ohne Not wohl so nicht eingetreten wäre. Zu leiden haben vor allem die Bauern. Denn die Preise für Zuckerrüben sollen um 47% runtergehen, während die für raffinierten Zucker nur um 39% gesenkt werden. Das führt immerhin zu einer satten Margenerhöhung der Produzenten, wenn auch die Umsätze und damit die absolute Höhe der Gewinne sinken werden. Nur wird eben der Gewinnrückgang durch die Margenerhöhung abgefedert. Bevorzugt wird Südzucker auch dadurch, dass Unternehmen, die in der sogenannten Präferenzzone produzieren, zu der Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich und Polen gehören, nicht, wie ursprünglich geplant, von einer Reduzierung der Quoten betroffen sind. Südzucker ist Marktführer in all diesen Ländern und profitiert somit in ganz überwiegendem Ausmaß von dieser Regelung. Dagegen sind Unternehmen in den sogenannten Randzonen, in denen der Anbau von Zuckerrüben schon immer als unrentabel galt, von der vollständigen Schließung bedroht. Deren Quoten werden von einem Restrukturierungsfonds aufgekauft. Das Preisangebot von Euro 730 pro Tonne ist so attraktiv, dass vor allem in Süd- und Nordeuropa eine hohe Verkaufsbeteiligung erwartet wird. Es sollen etwa 5 Mio. Tonnen zusammenkommen. Das entspräche immerhin etwa dem Doppelten der EU-Überschussmenge. Deshalb soll anschließend auch eine Quote von 1 Mio. Tonnen an Unternehmen zurückverkauft werden, die bisher in hohem Ausmaß für den Export tätig waren, also sogenannten C Zucker verkauften, der ohne feste Preisgarantien auskommen musste. Da Südzucker auch bei C Zucker der Marktführer ist, wird sie die Möglichkeit erhalten, für 0,3 Million Tonnen Quoten für geförderten Zucker vom Ausgleichsfonds zu kaufen. Das entspräche immerhin einer 10%igen Erhöhung des geförderten Volumens. Südzucker profitiert also im Vergleich zu den anderen Raffinerien in dreifacher Weise: die Quoten werden nicht gekürzt, die Margen steigen für das gesamte Produktionsvolumen und das geförderte Volumen wird sich um 10% erhöhen.

Südzucker hat in den vergangenen Jahren kräftig diversifiziert. Insbesondere wurde in die Produktion von Ethanol investiert. In 2005 wird sich dieses Geschäft erstmals auszahlen. Die Gewinne, die hier erzielt werden, sollen die Verluste, die durch den Abbau der Zuckersubventionen entstehen werden, mehr als kompensieren. Erstaunlich ist nur, dass man erst jetzt die Vorteile der Ethanolerzeugung entdeckt, die in nicht subventionierten Ländern wie Brasilien bereits in den 70iger Jahren die Zuckerindustrie rettete. Allerdings produziert Südzucker Ethanol zur Zeit noch aus Weizen. Die Zuckersubventionen sind eben einfach zu hoch, um die Ethanolerzeugung aus der Zuckerrübe zu rechtfertigen. Da sieht man wieder einmal, wie die Gewinnung alternativer Energien durch jahrelange Verschwendung von Subventionsgeldern behindert wurde. Gut ist nur, dass Firmen wie Südzucker jetzt wenigstens die notwendigen Erfahrungen sammeln, um in diesem Zukunftsgeschäft dabei zu sein.

Gerade hat sich Südzucker eine Kapitalerhöhung von ungefähr Euro 200 Mio. genehmigen lassen. Sie wurde vom Markt sehr kritisch aufgenommen, da Südzucker nicht in der Lage war, konkrete Aussagen über die Verwendung der Mittel zu machen. Man wolle in Südamerika in die Zucker- und Ethanolerzeugung investieren und führe interessante Gespräche mit brasilianischen Unternehmen. Natürlich könnte das uns unserer Sicht ein „Knaller“ werden. Denn in Brasilien spielt die „Musik“ im Zuckermarkt, wie wir in unserem heutigen Leitthema darstellen. Sollte Südzucker eine signifikanter Einstieg in diesen Markt gelingen, so könnte sie damit viele Jahre „technologischer Verschlafenheit“ wettmachen. Denn weder bei Ethanol, noch bei Zucker wird Europa künftig in den Exportmärkten eine Rolle spielen. Aus Brasilien anzubieten, würde praktisch bedeuten, an einem weltweiten Monopol zu partizipieren und gleichzeitig Zugang zu Technologien zu erhalten, die für den europäischen Markt von entscheidender Bedeutung sein werden. Leicht wird dieser späte Einstieg wohl nicht werden. Denn welches starke brasilianische Unternehmen würde sich wohl gern an Südzucker verkaufen?

Die anderen Geschäftsbereiche, in die Südzucker diversifiziert hat, wie das Obstgeschäft, Süßwaren und Zutaten für die Nahrungsmittelindustrie haben in diesem Jahr eher enttäuscht, obwohl die Geschäftsleitung für sie Wunder verspricht. Sie mögen noch durch Anlaufkosten belastet sein. Zweifel sind zumindest angebracht. Denn warum sollte auch jede Diversifikation gelingen, vor allem wenn gleichzeitig so viele neue Wege eingeschlagen werden.

Wie wir in unserem heutigen Leitthema ausführen, sollte der Zuckermarkt weiter boomen. Es könnte durchaus zu weltweiten Engpässen kommen. Hieran würde natürlich auch die größte Zuckerraffinerie Europas profitieren. Zucker mag also durchaus eine Renaissance erleben, und Südzucker wird dann auch unabhängig von den EU Subventionen gut leben können.

Zusammenfassung

Mit einer Price Earning Ratio von ungefähr 10 ist Südzucker niedrig, aber unseres Erachtens fair bewertet. Die Risiken, die sich aus dem Neuaufbau eines diversifizierten Unternehmens und aus der Kürzung der Subventionen ergeben, sind einfach zu hoch, um zur Zeit eine deutlich höhere Bewertung zu rechtfertigen. Trotzdem wird Südzucker als Sieger aus der Neuordnung des EU Zuckermarktes hervorgehen. Positive Überraschungen, auch vom Zuckermarkt, sind wahrscheinlich. Ein Engagement in Südamerika, vor allem in Brasilien könnte helfen. Das Management von Südzucker gilt als kompetent. Trotzdem sind bei der rasanten Veränderung des Konzerns negative Überraschungen nicht auszuschließen.

(Quelle: Rohstoff-Report Ausgabe 33)

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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