Kommentar
07:30 Uhr, 19.10.2015

Steuersparmodelle: Das 250 Mrd. USD - Problem

Die OECD schätzt, dass Unternehmen auf legalem Weg Jahr um Jahr 250 Mrd. USD an Steuern sparen. Die Rechnung zahlen die Allgemeinheit und Anleger.

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Schlupflöcher in Gesetzen ermöglichen es Unternehmen, jährlich bis zu 250 Mrd. USD an Steuern zu sparen. Von diesen 250 Mrd. entfallen ungefähr 100 Mrd. auf Entwicklungsländer und 150 Mrd. auf entwickelte Länder. Die Summen sind groß, doch in die richtige Perspektive gesetzt verlieren sie auch wieder einen Teil ihrer Größe.

Im Jahr 2013 nahmen alle OECD Länder zusammen ungefähr 15,5 Billionen USD an Steuern ein. 150 Mrd. davon sind ein knappes Prozent. Würden also alle Unternehmen brav ihre Steuern zahlen, dann könnten die Steuern für alle anderen entweder um ein Prozent gesenkt oder das Budgetdefizit reduziert werden.

Ein Prozent klingt nicht nach viel, doch über die Jahre gesehen macht es sehr viel aus. Hinzu kommen noch entgangene Steuern aufgrund von Steuerhinterziehung und Steuerflucht reicher Privatpersonen. Es ist sehr schwer festzustellen, wie hoch die entgangenen Steuereinnahmen in diesem Bereich sind. Es wird jedoch geschätzt, dass an die 20 Billionen von Privatpersonen in Steueroasen gehalten werden, um Steuern zu sparen. Entgehen Staaten auf diese Summe pro Jahr 1% an Steuern, dann entspricht dies 200 Mrd. jährlich.

In einer groben Schätzung kann man davon ausgehen, dass bei korrekter Besteuerung die Einnahmen der Staaten um ca. 2% höher wären. In Deutschland ließen sich über diese Mehreinnahmen die gesamten Kosten der Flüchtlingskatastrophe decken. Im Fall von Deutschland bedeutet das: die korrekte Versteuerung von Einkommen hilft dabei, über eine Millionen Menschen zu schützen, zu ernähren und zu integrieren. Setzt man die Steueroptimierung von Unternehmen und Individuen in diese Perspektive, dann sollte allein aus moralischen Gründen klar sein, was zu tun ist.

So einfach ist die Welt natürlich nicht. Steuereinnahmen sind selten zweckgebunden. Steuern verschwinden im großen Staatsmoloch und keiner weiß so ganz genau, was eigentlich damit geschieht. Politiker setzen Steuern teilweise ein, um ihre persönlichen Visionen umzusetzen. Der Rechnungshof deckt Jahr um Jahr Steuerverschwendung in Milliardenhöhe auf.

Es ist einfach, von Unternehmen zu fordern freiwillig höhere Steuern zu zahlen, doch wenn man sieht, wohin die Gelder dann teils fließen, zweifelt man an der Sinnhaftigkeit. Die Schließung von Steuerschlupflöchern sollte mit besseren Regeln für den Einsatz von Steuergeldern Hand in Hand gehen, um zu verhindern, dass Mehreinnahmen in unsinnigen Projekten verschwinden.

Momentan denkt noch niemand daran, auch die Politik mehr in die Pflicht zu nehmen und Steuerverschwendung einzudämmen. Derzeit geht es eher darum, die bestehenden Schlupflöcher zu stopfen. Das muss unbedingt getan werden, denn die Nutzung von Schlupflöchern ist nicht nur für Staaten ein Problem.

Aufgrund der Datenverfügbarkeit kann man sich die Probleme vor allem anhand von US Unternehmen vor Augen führen. Grafik 1 zeigt wie viel Cash US Unternehmen aus Steuergründen im Ausland angesammelt haben. US Unternehmen können im Ausland erwirtschaftete Erträge für Investitionen zurückhalten. Im Ausland für Investitionen vorgesehene Reserven müssen nicht versteuert werden. Dadurch hat sich inzwischen ein Cashbestand von über 2 Billionen angesammelt.

Für die Fortune 500 Unternehmen lag der genaue Betrag Ende 2014 bei 2,049 Billionen USD (Grafik 2). Diese Summe verteilt sich auf mindestens 7.619 Tochtergesellschaften, die in Steueroasen liegen. Das muss man sich vorstellen! Die Verwaltung von über 7.000 Gesellschaften – und seien es nur Briefkästen - muss man erst einmal auf die Beine stellen. Der Aufwand lohnt sich allerdings, da Unternehmen inzwischen an die 600 Mrd. USD an Steuern sparen konnten.

Für Regierungen ist es frustrierend, so viel unerreichbares Geld in Übersee sehen zu müssen. Den USA entgehen schätzungsweise 50 Mrd. an Steuern pro Jahr über das Steuersparmodell der Unternehmen. Es sind allerdings nicht nur Regierungen, die sich über die Steuern Gedanken machen sollten, sondern auch Anleger.

Die Cashreserven der Unternehmen liegen im Ausland und sind für die US Steuerbehörden nicht zugänglich. Sie sind jedoch auch für Anleger nicht zugänglich. Grafik 3 zeigt, wie viel Cash einzelne Unternehmen im Ausland gelagert haben. Apple steht mit 180 Mrd. an der Spitze. Will Apple dieses Geld an Aktionäre ausschütten, dann muss das Geld zunächst in die USA geholt werden. Dort warten Steuern auf das Unternehmen. Die Steuern auf die 180 Mrd. Cash werden auf knapp 60 Mrd. geschätzt.

Anleger vergessen häufig, dass ein Teil der Barreserven der Unternehmen nicht zugänglich sind. Sie sind dadurch nicht wertlos, aber sehr viel weniger wert. Anleger können durchschnittlich 30% von den im Ausland gehaltenen Barreserven abziehen und erhalten so den tatsächlich zur Verfügung stehenden Betrag.

Die latente Steuerlast für Apple beträgt 10% der derzeitigen Marktkapitalisierung des Unternehmens. Darüber hinaus verfügt Apple laut Bilanz über Vermögenswerte von 273 Mrd. Die Barreserven sind in dieser Summe inkludiert. Die Verbindlichkeiten liegen bei 147 Mrd. Apples Nettovermögenswerte liegen demnach bei 126 Mrd. Die Hälfte davon machen latente Steuern aus. Zieht man diese ab, dann hat Apple lediglich Nettovermögenswerte von 66 Mrd. Das Preis-Buchwert-Verhältnis steigt von 5 auf 10. Unter diesen Umständen kauft man Apple Aktien kaum wegen der Vermögenswerte. Dessen sollten sich Anleger bei Apple und auch bei anderen Unternehmen bewusst sein.

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12 Kommentare

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  • 280a
    280a

    Es wäre höchste Zeit einmal ein Gesetz zu machen, dass Steuerverschwendung mindestens genau so hart bestraft wie Steuerhinterziehung!

    19:16 Uhr, 19.10.2015
    2 Antworten anzeigen
  • wollicgn
    wollicgn

    Und wir kleinen können steuern noch besser VERMEIDEN als die grossen..... DAS IST UNSERE STAERKSTE WAFFE GEGEN DEN STAATSTERRORISMUS...

    Spassvogel wie soll das denn gehen wenn der Kleine Mann mit der Lohnabrechnung bereits enteignet wird vom Staat.

    16:35 Uhr, 19.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Jetzt bleibt nur noch eine Frage: Was geschieht mit den 20 Bill. in den Steuer-Oasen?

    09:23 Uhr, 19.10.2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ich stelle mich mittlerweile auf folgenden Standpunkt (bitte nicht ganz ernst nehmen, aber im Kern schon so gemeint)

    Jeder Euro, den der Staat von mir und anderen Steuerzahlern nicht bekommt, ist besser investiert, als wenn der deutsche Staat ihn hätte.

    Der macht damit sowieso nur Blödsinn: Rettung Griechenlands, Flüchtlingspolitik, seit dem Wochenende Milliarden an Erdogan ... - nur für uns selbst in Deutschland wird das Geld nicht ausgegeben: Kindergartenplätze fehlen, marode Straßen, zerrüttete Sozialsysteme und und und ...

    Keine Steuern dem Staat ...

    08:32 Uhr, 19.10.2015
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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