Kommentar
15:47 Uhr, 08.05.2020

Stell Dir vor die Wirtschaft öffnet - und keiner macht mit!

Die Börse hat die Öffnung der Wirtschaft schon vorgefeiert. Dumm nur, dass die Menschen nur bedingt mitmachen.

Anleger gewannen im April die Zuversicht, dass sich die Wirtschaft schnell wieder erholen würde. Den Optimismus kann man nur bewundern. Mit jedem Tag, der verstreicht, wird offensichtlicher, dass es länger dauern wird. Das gilt nicht nur für die eigentliche Öffnung der Wirtschaft. Diese findet in Phasen statt. Vor dem Winter ist kaum mit einer kompletten Normalisierung zu rechnen.

Es gilt aber auch für die, die die Wirtschaft am Laufen halten. Ohne die Bürger, die konsumieren, können noch so viele Geschäfte geöffnet sein. Es hilft nichts, wenn nicht eingekauft wird. Kurzfristig hat sich Nachfrage aufgestaut. Das gilt vor allem für Dienstleistungen (z.B. Friseur) und saisonale Güter (z.B. Gartenmaterial und Pflanzen).

Nach diesem einmaligen Nachfrageschub sieht es düster aus. Das liegt vor allem daran, dass die Perspektiven für Konsumenten düster sind. Die Arbeitslosigkeit steigt rasant an. Das wissen wir. Bisher wurde danach mit einem ebenso starken Rückgang gerechnet. Das kann man vergessen. Stattdessen dürfte die Arbeitslosigkeit längere Zeit hoch bleiben.

In den USA ist nicht vor Ende 2021 mit einstelligen Arbeitslosenraten zu rechnen. In Spanien dürfte die Quote Ende 2021 fast vier Punkte höher sein als im Februar 2020. In Frankreich dürfte die Quote sogar permanent ein höheres Niveau erreichen (Grafik 1).


Wer keine Arbeit hat, hat auch weniger Geld für den Konsum. Wer Einkommen hat, spart es. In den USA schoss die Sparquote auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten (Grafik 2). Es sind also einerseits weniger Beschäftigte und damit weniger Einkommen, das ausgegeben werden kann und andererseits wird mehr Einkommen gespart. Das wirkt nicht nach einem schnellen Rebound.

Das sehen auch Banken so. In den USA wird kräftig vorgesorgt. Die Vorsorge für faule Kredite steigt schneller als zur Zeit der Finanzkrise. Die Vorsorge steigt in Rezessionen immer. In einer normalen Rezession wie etwa 2001-2002 ist der Anstieg moderat. Von moderat kann derzeit keine Rede sein. Es wird so viel in die Reserven geschaufelt wie nur möglich.

Eine schnelle Rückkehr zur Normalität ist von zwei Faktoren abhängig. Einerseits muss die Wirtschaft offen sein und andererseits müssen die Konsumenten davon auch Gebrauch machen. Beim ersten hapert es schon und beim zweiten deutet alles darauf hin, dass Konsumenten nur sehr zurückhaltend davon Gebrauch machen.

Das ist auch für die Börse wichtig. Am Ende kaufen Anleger Aktien, um am Gewinn der Unternehmen teilzuhaben. Dieser Gewinn kommt vom Konsum. Dieser bleibt auf absehbare Zeit eingeschränkt. Aus fundamentaler Sicht werden neue Allzeithochs lange nicht erreicht werden.

Clemens Schmale


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13 Kommentare

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  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    26600 erstmal nicht 😉

    15:03 Uhr, 11.05.2020
  • Strizi
    Strizi

    S&P muss ja nochmal kurz auf hoch und DOW auf 26600 ...sagt mein Programm 😎

    00:28 Uhr, 10.05.2020
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Abwarten. Das tiefste und finsterste Tal wurde in der Finanzkrise 2008/2009 erst bummelig 5 Monate nach dem ersten Crash durchwandert. Es kommt halt dann, wenn keiner mehr daran glaubt - oder Donnerstag. Ich werde meine Shorts ziemlich sicher noch im Guten los.

    Mögen die Wagemutigen, Verwegenen und Irren ggf. noch im NASDAQ ein neues, m.E. dann ziemlich perverses ATH generieren und spöttisch abfeiern - fundamental sind die Indizes schlichtweg massiv entrückt.

    Mehr als 25 Millionen Arbeitslose in den USA lügen nicht - genau so, wie der Baltic Dry vor dem Crash nicht gelogen hat (und was gab es für tolle Argumente, warum wieder alles anders sei).

    Die Wiese wird wieder grün werden und Asche ist bekanntlich ein guter Dünger - zunächst muss aber bitte wenigstens klar sein, wann der Brand gelöscht sein mag und wieviel verbrannte Erde global so rumliegt.

    (ha, der war gut und ist von mir 😎).

    Hochmut kommt vor dem Fall = der Fall kommt nach dem Hochmut.

    💰↘

    23:01 Uhr, 09.05.2020
  • Strizi
    Strizi

    Selbst schuld wenn man auf Experten hört 😎

    19:43 Uhr, 09.05.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Feather
    Feather

    Clemens, sagen Sie dies mal Nasdaq100 - krank..

    10:57 Uhr, 09.05.2020
  • Mike.
    Mike.

    👍

    09:51 Uhr, 09.05.2020
  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    Stell dir vor, es wird hier von dem einen oder anderen "Experten" der größte Crash aller Zeiten ausgerufen und der Nasdaq ist unweit seines Allzeithochs.

    16:44 Uhr, 08.05.2020
    2 Antworten anzeigen
  • Tüskendör
    Tüskendör

    "Vor dem Winter ist kaum mit einer kompletten Normalisierung zu rechnen."

    Zustimmung. Und der Text ist m.E. nicht einmal pessimistisch, schließlich steigt das Risiko für eine neuerliche Ausbreitung samt entsprechender Gegenmaßnahmen zum Winter im Speckgürtel der Nordhalbkugel wieder an.

    Für eine Welt -in der es mir gefällt- brauchts` wohl lange.

    Frage ist, wann es die Märkte bereit sind es einpreisen zu wollen. Also mein Freundes- und Bekanntenkreis kauft nicht, mein Taxifahrer auch nicht. Wo `zefix sind eigentlich die Käufer zu diesen Mondkursen? Die mir bekannten "Milchmädchen"-Übertreibungen sahen in der Vergangenheit schon deutlich anders aus - was ist diesmal anders?

    Ich glaube einen derartigen Artikel vermisse ich am meisten: "wer kauft aktuell eigentlich"?

    16:17 Uhr, 08.05.2020
  • Data75
    Data75

    Auf den Punkt gebracht.

    15:59 Uhr, 08.05.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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