Kommentar
18:18 Uhr, 19.03.2025

Steigern Chinas Fortschritte den Einfluss von künstlicher Intelligenz (KI) auf das globale BIP?

Das chinesische KI-Unternehmen DeepSeek und eine Handvoll anderer chinesischer Unternehmen haben Berichten zufolge hochentwickelte generative Modelle für künstliche Intelligenz (KI) zu geringeren Kosten als bei bestehenden Angeboten entwickelt.

Der Durchbruch stellt die Ansicht in Frage, dass prohibitive Investitionskosten eine Eintrittsbarriere für die größten und leistungsfähigsten KI-Modelle darstellen. Obwohl noch nicht geklärt ist, wie chinesische Forscher ihre KI-Technologie entwickelt haben und wie hoch die Kosten dafür sind, könnte eine niedrigere Kostenstruktur dazu beitragen, dass sich die KI schneller entwickelt und weltweit verbreitet, schreibt Joseph Briggs, Co-Leiter des Global Economics Teams von Goldman Sachs, im Bericht des Teams.


Abb. 1: Mangelnde Erfahrung und unausgereifte Anwendungen

Fehlendes Wissen über die Möglichkeiten von KI und Datenschutzbedenken nennen US-Firmen als Haupthindernisse für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Nur 6 % der US-Unternehmen geben an, KI für die reguläre Produktion zu nutzen, gegenüber 4 % Ende 2023.

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research, US Census Bureau


Ein solcher "Durchbruch könnte mittelfristig makroökonomische Vorteile mit sich bringen, wenn die Kostensenkungen dazu beitragen, den Wettbewerb bei der Entwicklung von Plattformen und Anwendungen zu erhöhen", schreibt Briggs. "Die begrenzte Akzeptanz ist immer noch der Hauptengpass für die Erschließung von KI-bedingten Produktivitätsgewinnen, und die Akzeptanz würde von einer wettbewerbsbedingten Beschleunigung des Aufbaus von KI-Plattformen und -Anwendungen profitieren. Allerdings dürften die kurzfristigen Auswirkungen auf die Akzeptanz wahrscheinlich begrenzt sein, da die Kosten selbst derzeit nicht das Haupthindernis für die Akzeptanz sind", fügt er hinzu.

Laut Daten des Census Bureau sind die größten Hindernisse für die kurzfristige Einführung von KI das fehlende Wissen über die Möglichkeiten von KI und Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Nur 6 % der US-Unternehmen geben an, KI für die reguläre Produktion zu nutzen, gegenüber 4 % Ende 2023.

Wie stark wird KI das BIP steigern?

Bisher ging das Ökonomenteam davon aus, dass die allgemeine Einführung generativer KI die Arbeitsproduktivität in den USA über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren um 15 % steigern könnte, hauptsächlich durch die Automatisierung von Arbeitsaufgaben. Dies würde etwa 4,5 Billionen USD an jährlichem US-BIP (in heutigen USD) freisetzen. Es wird erwartet, dass die wirtschaftlichen Vorteile in der Anfangsphase den Hardware- und Infrastrukturanbietern zugute kommen, sich in einer späteren Phase auf die Entwickler von Plattformen und Anwendungen ausdehnen und schließlich zu Produktivitäts- und Effizienzgewinnen in der gesamten Industrie führen werden.

Das Team hat auch einen KI-Investitionszyklus prognostiziert, der in den USA einen Spitzenwert von 2 %t des BIP erreicht, bevor er mit dem Nachlassen der Rechenkosten für das Training von KI-Modellen und die Ausführung von KI-Abfragen abnimmt. Es wird erwartet, dass die Investitionen in KI-Software mit zunehmender Akzeptanz durch die Endnutzer im Laufe der Zeit stetig steigen werden.


Abb. 2: KI-Hardware-Investitionen vor Anstieg

Investitionen in KI-Hardware werden voraussichtlich auf bis zu 2 % des BIP ansteigen, bevor sie bei sinkenden Rechenkosten zurückgehen. Investitionen in KI-Software dürften mit zunehmender Akzeptanz durch die Endnutzer im Laufe der Zeit stetig steigen.

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research


Während die chinesischen Entwicklungen im Bereich der KI Fragen zur Investitions- und Technologieführerschaft einer Handvoll etablierter Unternehmen aufwerfen, bleibt die Sichtweise des Teams zu den makroökonomischen Auswirkungen der KI unverändert: Der wichtigste makroökonomische Impuls wird von der erhöhten Produktivität erwartet, da die Unternehmen die KI-gesteuerte Automatisierung in ihre Geschäfte integrieren.

"Das Auftauchen eines glaubwürdigen Konkurrenten für die in den USA ansässigen KI-Führer könnte der weltweiten Akzeptanz und Produktivität einen Auftrieb geben", schreibt Briggs. Wenn ein neuer solider Konkurrent außerhalb der USA in Erscheinung tritt, könnte dies einige Regierungen dazu veranlassen, die Bedeutung der Entwicklung heimischer KI-Fähigkeiten zu erhöhen. Ein verstärkter globaler Wettbewerb könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit anspornen oder regulatorische Barrieren abbauen, um die Entwicklung und Einführung von KI zu fördern.

Gleichzeitig sind die potenziellen Automatisierungs- und Produktivitätsgewinne durch generative KI für Volkswirtschaften auf der ganzen Welt in der Regel ähnlich, schreibt Briggs. "Wir gehen zwar nach wie vor davon aus, dass die USA KI schneller als andere Länder übernehmen werden, da sie bei der Entwicklung von KI-Modellen führend sind, aber das Aufkommen von Plattformen und Anwendungen außerhalb der USA könnte die Übernahme in anderen Ländern beschleunigen."

Wie KI die Produktivität steigern wird

Die Prognosen des Teams gehen davon aus, dass sich die Einführung generativer KI-Technologien in den USA ab 2027 in den Produktivitätszahlen bemerkbar machen wird, wobei der Höhepunkt der Auswirkungen für die frühen 2030er Jahre erwartet wird. Andere Industrieländer und wichtige Schwellenländer liegen in diesen Prognosen einige Jahre hinter dem Entwicklungsstand der USA zurück. "Die jüngsten DeepSeek-Berichte deuten darauf hin, dass die Einführung schon früher erfolgen könnte", schreibt Briggs.

Goldman Sachs Global Investment Research geht nach wie vor davon aus, dass der Einsatz von KI mittelfristig zunehmen wird, und Briggs weist darauf hin, dass die Arten von Arbeitsaufgaben, die durch generative KI automatisiert werden können, zu Kosteneinsparungen von mehreren tausend Dollar pro Arbeitnehmer und Jahr führen würden. "In Anbetracht der Tatsache, dass die potenziellen Kosteneinsparungen durch generative KI groß sind und die Grenzkosten für den Einsatz, sobald die Anwendungen entwickelt sind, wahrscheinlich sehr gering sein werden, sehen wir die Einführung generativer KI eher als eine Frage des ,Wann‘ denn des ,Ob‘", schreibt er.

Es gibt berechtigte Fragen darüber, wie sich kostengünstigere KI-Modelle auf die Akteure im KI-Ökosystem auswirken könnten, schreibt Briggs. Wie die Gewinne verteilt werden, hängt von Faktoren wie Marktkonzentration, geistigen Eigentumsrechten, Skalierbarkeit und letztlich der Wettbewerbslandschaft ab. Es ist zwar noch zu früh, um die Auswirkungen der neuen Modelle zu beurteilen, aber wenn teure Hardware und Rechenleistung für die Realisierung der wirtschaftlichen Vorteile weniger wichtig sind, könnten Unternehmen, die die physische Infrastruktur aufbauen, weniger von den Gesamtgewinnen profitieren.

Briggs weist darauf hin, dass Fragen zur Verteilung des Wachstums für die makroökonomische Gesamtsituation jedoch weniger relevant sind. Die Aussichten hängen nicht davon ab, wer konkret davon profitiert, und die Gesamtauswirkungen des Durchbruchs in China sind höchstwahrscheinlich netto positiv.


Abb. 3: KI-Einführungsraten bleiben niedrig …

Der Chart zeigt, welcher prozentuale Anteil von Firmen künstliche Intelligenz für welche Aufgaben nutzt bzw. in naher Zukunft nutzen wird. Dabei bleibt, abgesehen von der Informationsbeschaffung, der Einsatz von KI auch auf Sicht von sechs Monaten immer noch gering.

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research, US Census Bureau


Abb. 4: … auch wenn die Automatisierung einen wirtschaftlichen Wert schaffen würde

Am deutlichsten fallen die Automatisierungsersparnisse im Bereich der Wissensbeschaffung und der Arbeitsorganisation aus. Als weniger deutlich werden die Einsparungen beim Aufwand für Verwaltungsaufgaben eingeschätzt.

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research, O*NET, Bureau of Labor Statistics


Werden Chinas KI-Entwicklungen die Investitionen senken?

Eine der großen Fragen ist, ob effizientere KI-Modelle zu geringeren Investitionsausgaben für KI führen könnten – Aktienanalysten prognostizieren auf der Grundlage von Konsensschätzungen, dass die KI-bezogenen Investitionen bis zum vierten Quartal 2025 auf 325 Milliarden USD steigen werden – und ob sich dies in einem langsameren BIP-Wachstum niederschlagen könnte.

Sollten billigere Modelle zu geringeren KI-Investitionen führen, dürften zwei Dinge die wirtschaftlichen Auswirkungen in diesem Szenario begrenzen, so Goldman Sachs Research. Die Unternehmen haben zwar berichtet, dass sie ihre KI-Investitionen erhöhen, doch hatte dies bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die offiziellen BIP-Daten. Die Aktienanalysten von Goldman Sachs Research halten es für unwahrscheinlich, dass die Unternehmen ihre Kapitalallokation allein aufgrund der jüngsten Nachrichten aus China wesentlich anpassen werden.

In der Zwischenzeit besteht zwar ein gewisses Risiko, dass kostengünstigere KI-Modelle dazu führen könnten, dass weniger KI-Infrastrukturen als erwartet aufgebaut werden, aber es besteht auch die Möglichkeit, dass diese Fortschritte die etablierten KI-Unternehmen zu höheren Investitionen zwingen, um ihren Vorsprung zu halten. Wenn diese neuen Entwicklungen den Wettbewerb ankurbeln und die Kosten senken, könnten sie einen schnelleren Aufbau von KI-Plattformen und -Anwendungen bewirken.


Beispiele von Hebelprodukten auf Aktien von KI-Entwicklern und Anwendern

Nvidia

Tesla

Microsoft


Dieser Artikel wird ausschließlich zu Informationszwecken zur Verfügung gestellt. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen stellen keine Empfehlung einer Goldman Sachs-Einheit für den Empfänger dar, und Goldman Sachs erteilt weder durch diesen Artikel noch für den Empfänger eine Finanz-, Wirtschafts-, Rechts-, Anlage-, Buchhaltungs- oder Steuerberatung. Weder Goldman Sachs noch eines seiner verbundenen Unternehmen gibt eine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung oder Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der in diesem Artikel enthaltenen Aussagen oder Informationen, und jegliche Haftung (einschließlich in Bezug auf direkte, indirekte oder Folgeschäden) wird ausdrücklich abgelehnt.


Quelle: Dieser Beitrag erschien am 12. Februar 2025 auf www.goldmansachs.com unter dem Titel „China’s advances could boost AI’s impact on global GDP“ im Bereich Insights/Articles. Bitte beachten Sie, dass die darin getroffenen Aussagen keine Anlageempfehlungen darstellen.


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