Starker Anstieg der realen Renditen
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Anleiheinvestments werden immer interessanter. Die umfangreichen Verkäufe britischer Staats- und Unternehmensanleihen in den vergangenen Wochen deuten darauf hin, dass es über die Bank of England (BoE) hinaus weitere Käufer gibt. Es ist eine Binsenweisheit, dass das, was verkauft wurde, von jemandem gekauft wird, der in Vermögenswerten, die Gegenstand eines Ausverkaufs waren, längerfristigen Wert sieht. Der Markt ist extrem volatil, aber die aktuellen Renditeniveaus sind attraktiv. Wie das Beispiel Großbritannien zeigt, wollen die Notenbanken nicht, dass die Märkte in Unordnung geraten (oder die Renditen zu hoch steigen).
Wir kommen immer häufiger zu dem Schluss, dass wir uns dem Ende des Zinszyklus nähern und dass sich viele fundamentale Inflationsdaten, die uns vorliegen, tatsächlich verbessern. Der vorgelagerte Preisdruck lässt nach – niedrigere Rohstoffpreise, niedrigere Transportkosten – und dies sollte sich in den Endpreisen niederschlagen. Die Verbraucherpreisinflation in den USA für September überraschte – wieder einmal – nach oben. Aber eine optimistische Interpretation lautet, dass sich der Anstieg der Warenpreise zu verlangsamen scheint. Im Dienstleistungssektor ist die Inflation nach wie vor stark, aber in Bereichen wie dem Wohnungsmarkt werden wir mit Sicherheit eine Verlangsamung der Aktivität sehen, wenn die höheren Zinsen wirken. Trotz der höher als erwartet ausgefallenen Inflationsrate hat sich die Einschätzung des Marktes, wie weit die Federal Reserve (Fed) die Zinsen letztlich erhöht, kaum verändert. Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass die Fed die Inflation senken kann, indem sie auf die Nachfrage einwirkt. Es ist nicht mehr nur eine Frage der Angebotsseite.
Turbulenter Gilt-Markt
Es wäre verwunderlich, wenn der Übergang von der Erwartung „niedriger Zinsen für länger“ zu einer „restriktiven Geldpolitik“ keine Volatilität hervorrufen würde. Viele Kreditaufnahmen und Absicherungsgeschäfte der vergangenen Jahre basierten auf der Annahme, dass die Zinsen niedrig bleiben würden. Jetzt sind sie gestiegen und das verursacht Probleme. Am deutlichsten wird das in Großbritannien. Die Notwendigkeit, dass Pensionsfonds mit Liability Driven Investing Derivate-Overlays Barmittel beschaffen müssen, um die erforderlichen Sicherheiten zu erfüllen, hat den Anstieg der Marktrenditen noch verschärft. Ein Großteil dieser LDI-Aktivitäten konzentriert sich auf Anleihen mit längeren Laufzeiten und es sorgt für einige erstaunliche Bewegungen. Die britische Staatsanleihe mit Laufzeit bis Oktober 2050 beispielsweise fiel von einem Kassakurs von 95,5 im Juli auf aktuell 39,7 Prozent, was einer Renditespanne von 350 Basispunkten (BP) im gleichen Zeitraum entspricht. Langlaufende britische Anleihen wurden in den vergangenen drei Wochen wie hoch bewertete Aktien gehandelt.
Trotz des Protests der britischen Regierung ist der Markt allgemein der Ansicht, dass die unüberlegte Ankündigung nicht finanzierter Steuersenkungen der Auslöser für die Marktturbulenzen war. Derzeit wird spekuliert, dass die Regierung viele der Ende September gemachten Vorschläge wieder zurücknehmen muss. Die BoE beendet ihre befristeten Maßnahmen zur Stützung des Anleihemarktes, aber das politische Drama ist noch lange nicht vorbei. Britische Staatsanleihen könnten sich weiterhin in einer großen Bandbreite bewegen.
Anhaltender Gegenwind für britische Vermögenswerte
Es ist wichtig, dass sich der britische Markt etwas stabilisiert. Der Anstieg der Marktzinsen hat bereits die Kosten für Hypothekenkredite in die Höhe getrieben, was für die Haushalte ein großer Schock sein wird, wenn bestehende Festzinskredite refinanziert werden müssen. Auch für Unternehmen ist die Marktvolatilität nicht gut. Vorschläge, dass Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien mit einer Gewinnsteuer belegt werden sollen, stehen im Widerspruch zu den Anreizen, die für den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung in Großbritannien erforderlich sind. Nicht zu wissen, wie lange eine Regierung im Amt sein wird, ist für Unternehmen, die versuchen, einen Inflationsschock und eine globale Wachstumsverlangsamung zu bewältigen, nicht ideal. Auch wenn der britische Markt günstig und die Währung attraktiv ist, wird dieser Gegenwind noch einige Zeit bestehen bleiben.
Viel mehr Risikofaktoren als nur der Zins
Insgesamt scheint der Konsens weiter darin zu bestehen, dass der Inflationszyklus bald seinen Höhepunkt erreichen wird (das ist nun schon seit fast einem Jahr der Fall) und dass damit der Zinszyklus endet. Darüberhinausgehende Überlegungen sind schwierig, weil die Gewissheit, wann dies tatsächlich eintritt, schwer zu fassen ist. Aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer Unwägbarkeiten: das Ausmaß der weltweiten Konjunkturabschwächung und die damit verbundenen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen, das Potenzial einer alarmierenden Eskalation des Krieges in der Ukraine oder eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024. Wäre die Zinsentwicklung das Einzige, worüber wir uns Sorgen machen müssten, wäre das in Ordnung. Dem ist aber nicht so. Der Vorschlag der Biden-Regierung, die US-Halbleiterexporte nach China zu beschränken, belastete bereits die Aktienkurse der Chiphersteller.
Kurzfristige Anleihen einer der wenigen sicheren Orte
Das Spannungsfeld zwischen günstigen (und immer günstiger werdenden) Bewertungen und unsicheren Fundamentaldaten wird sich nicht bald auflösen. Gerade wenn ein Portfolio in diesem Jahr bereits erheblichen Schaden genommen hat und die Volatilität hoch bleibt, ist das Investieren von Barmitteln auf Grundlage einer langfristigen Perspektive eine Herausforderung. Weitere finanzielle Stresssituationen sind wahrscheinlich – wenn es im normalerweise recht behäbigen britischen Pensionssektor passieren kann, kann es überall passieren. Kurzfristige festverzinsliche Wertpapiere scheinen vorerst einer der wenigen sicheren Orte zu sein.
Ist die Gewinnrezession eingepreist?
Die derzeitige Berichtssaison für Aktien dürfte aufschlussreich sein. Das Kursgeschehen auf Marktebene – in allen Regionen – und auf Einzeltitelebene scheint bereits einen Großteil dessen, was eine Gewinnrezession ausmachen sollte, eingepreist zu haben. Unser britisches Aktienteam kennt viele Beispiele und angesichts dessen, was mit dem britischen Pfund passiert ist, bleibt der britische Markt in absoluten Zahlen und im Vergleich zu globalen Aktien günstig.
Übertriebener Anstieg der realen Rendite
Ein Trost ist, dass der Anstieg der Realrenditen übertrieben zu sein scheint. Im Vergleich zum langfristigen Trend ist der Anstieg der zehnjährigen US-Realrendite – gemessen am Markt für inflationsgeschützte Staatsanleihen – jetzt noch extremer als während der globalen Finanzkrise. Die aktuelle reale Rendite von 1,6 Prozent liegt weit über früheren Schätzungen des realen langfristigen Gleichgewichtszinssatzes. Wenn sich die reale Rendite stabilisiert oder sinkt, wäre dies ein sehr gutes Zeichen für alle Märkte – der Rückgang der Aktien-Multiples würde aufhören, Wachstumsaktien würden besser aussehen als Value-Titel und die Anleiherenditen würden sich stabilisieren. Die realen langfristigen Renditen werden wohl nicht wieder tief in den negativen Bereich abtauchen – die Zentralbanken sind heute weniger wichtige Staatsanleihekäufer, da sie sich aus den Quantitativen Lockerungen zurückziehen und sich das globale Reservewachstum verlangsamt hat –, aber sie sollten nicht weiter steigen.
Abklingende Schockwellen?
Die vielfältigen Kräfte, die das derzeitige Niveau der Marktvolatilität verursachen, können von Analysten weder verstanden noch erklärt und schon gar nicht vorhergesagt werden. Die Schocks der vergangenen Jahre für die Weltwirtschaft sind tiefgreifend – Covid-19, der Energieschock und der Übergang zu einem neuen Zinsregime. Ein bestimmtes Datum, an dem die Faktoren aufhören werden, die Wirtschaft und die Märkte zu beeinflussen, gibt es nicht. Aber die Amplitude der Schockwellen sollte abnehmen und eine gute Bewertung an den Märkten sollte uns wieder positive Anlagerenditen bescheren.
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