Kommentar
09:50 Uhr, 01.08.2016

Staatsanleihen: Bundesbank will Schuldenschnitte erleichtern

Vergangene Woche machte die Deutsche Bundesbank mit ihrem Monatsbericht auf sich aufmerksam. Es geht in dem Bericht um nicht weniger als eine umfassende Reform zur Bewältigung von Staatsschuldenkrisen.

Seit Jahren zieht sich die Staatsschuldenkrise im Euroraum hin

Die Krise hat an Dramatik verloren, doch gelöst sind die Probleme nicht. Griechenlands Wirtschaft befindet sich immer noch in einer Depression. In Italien geht kaum etwas voran. Das Wachstum ist nach jahrelanger Rezession minimal und die Staatsschulden steigen weiter.

In Spanien ist die Lage kaum besser. Die Wirtschaft wächst zwar, doch die Staatsschulden sind weiter stark ansteigend. In Frankreich wächst die Schuldenlast, dafür die Wirtschaft kaum. Es ist trotz des EZB Anleihenkaufprogramms absehbar, dass die Schulden auf Dauer nicht tragfähig sind.

Das EZB Programm hat die Zinsen erheblich gesenkt

Das verschafft den Staaten etwas Spielraum, da die Schuldenlast dank niedrigerer Zinsen weniger schnell wächst. Das Grundproblem bleibt jedoch bestehen. Die Schulden sind zu hoch und irgendwann werden das auch Investoren merken.

Investoren sind aktuell risikofreudig. Sie kaufen nach wie vor italienische und spanische Staatsanleihen. Diese werfen zwar kaum Rendite ab, doch durch die EZB und auch durch den europäischen Hilfsfonds ESM fühlen sie sich abgesichert. Sind die Schulden endgültig nicht mehr tragfähig, dann werden es die EZB und ESM schon richten.

Genau an diesem Punkt setzt die Diskussion der Bundesbank ein, denn auch wenn die gemeinschaftliche Haftung der Staaten theoretisch klar begrenzt ist, so ist sie praktisch doch sehr weit. Bei den EZB-Programmen wird ein Großteil der Anleihen von den nationalen Notenbanken nach dem Kapitalschlüssel gekauft. Man kann sich jedoch nur schwerlich vorstellen, dass dies im Falle einer staatlichen Insolvenz Schutz vor einer gemeinschaftlichen Haftung bietet.

ESM ist eine Fehlkonstruktion

Noch offensichtlicher wird das Problem beim ESM. Hat ein Staat Liquiditätsprobleme, kann er Hilfe beim ESM beantragen. Der ESM stellt dem Staat dann Finanzmittel zur Verfügung. Dies gilt derzeit so gut wie unbegrenzt und das ist ein großes Problem.

Der Rettungsfonds selbst ist auf 500 Mrd. begrenzt, doch diese können sehr schnell aufgezehrt sein. Der Grund dafür liegt in der Konstruktion. Die Fehlkonstruktion lässt sich am besten anhand der Vorgänge in Griechenland erklären. Der ESM stellt Finanzmittel bereit, um staatliche Ausgaben zu finanzieren, aber auch um auslaufende Schulden zu begleichen.

Ein Großteil der Finanzmittel des Hilfspakets gehen nicht an den Staat, um Ausgaben zu finanzieren, sondern um Anleihen zurückzuzahlen. Die Hilfsgelder lösen praktisch Gläubiger aus, sodass mehr und mehr Risiken auf den ESM übertragen werden. Da der ESM ein gemeinschaftlicher Fonds ist, wandern dadurch sehr schnell hohe Risiken in die Gemeinschaftshaftung.

Derzeit gehen Investoren davon aus, dass der ESM im Notfall einspringen wird. Das Beispiel Griechenland zeigt, dass sich Gläubiger nicht mehr vor einem Zahlungsausfall fürchten müssen, weil fällig werdende Anleihen einfach aus den Hilfsgeldern gezahlt werden. Das hilft den Investoren und senkt das Risiko praktisch auf null. Im Gegenzug erhöht es die finanziellen Belastungen für die anderen Mitgliedsstaaten.

Bundesbank mit Reformvorschlag

Die Bundesbank schlägt aus diesem Grund eine Reform vor. Das wichtigste Kernstück ist eine Anpassung der Anleihebedingungen. Ist ein Staat zahlungsunfähig, dann kann es derzeit nur zu einer Umschuldung bzw. einen Schuldenschnitt kommen, wenn mehr als die Hälfte aller Gläubiger einer Anleihe einem solchen Schritt zustimmen. Da Staaten hunderte bis tausende Anleihen begeben, ist es extrem aufwendig, zu einer Mehrheit bei allen Anleihen zu gelangen.

Die Bundesbank schlägt vor, dass zukünftig eine Mehrheit über alle Schulden zusammen genügen soll. Gläubiger einer Anleihe können gegen eine Umschuldung stimmen, doch wenn über alle Anleihen hinweg mehr als 50 % dafür stimmen, gilt die Umschuldung als beschlossen.

Momentan werden Schuldenschnitte nicht notwendig, weil der ESM ja einspringt. Um das zu verhindern, sollen Anleihen bei ESM Hilfen automatisch eine Laufzeitverlängerung bekommen. Der ESM löst Investoren dann nicht aus. Kann der Staat seine Schulden nicht tragen, soll es zu einem Schuldenschnitt kommen dürfen.

Der ESM muss in diesem Fall nur noch für die tatsächlichen Staatsausgaben aufkommen. Das ist ein gigantischer Schritt und verringert die Größe von Hilfspaketen problemlos um 50 %. Die 500 Mrd. des ESM würden durch diesen Schritt sehr viel länger reichen als es unter den aktuellen Umständen der Fall ist.

Zusammengefasst will die Bundesbank die gemeinschaftliche Haftung besser kontrollieren, begrenzen und Schuldenschnitte zulasten von Investoren ermöglichen, anstatt zulasten der Euroländer. In Deutschland dürfte dieser Vorschlag Unterstützung finden. In anderen Euroländern dürfte das anders sein. Hier wird tendenziell eine Ausweitung der Haftung anderer Staaten gefordert. Im Gegenzug erhalten die haftenden Staaten jedoch keine zusätzlichen Rechte. Das ist ein schlechter Deal für Staaten mit gesunden Finanzen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Parteien die Vorschläge der Bundesbank aufnehmen und auch im Wahlkampf als Position verwenden. Das Thema Eurokrise und gemeinschaftliche Haftung wird zweifelsohne ein wichtiges Thema bei der kommenden Bundestagswahl 2017.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Sie schreiben, dass der Vorschlag der Bundesbank in Deutschland Anhänger haben wird, Herr Schmale.

    Nur eine Person wird der Bundesbank wie immer nicht den Rücken stärken ... - und das ist Frau Merkel.

    Die verkauft deutsche Interesse nach Herzenslust ... - siehe Axel Weber damals ...

    21:16 Uhr, 01.08.2016
  • Brainbow
    Brainbow

    Wie lang müsste die EZB denn eigentlich noch Staatsanleihen aufkaufen, um in der Entscheidung, ob Schuldenschnitt oder nicht, eine entscheidende Rolle zu spielen?......und was wäre die Konsequenz......

    18:39 Uhr, 01.08.2016
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Im Artikel wird mehrfach die Abkürzung ESM erwähnt. Es handelt sich dabei um den so genannten "Europäischen Stabilitäts Mechanismus". In der aktuellen Lage ist es nicht ganz unwichtig, einige Hintergründe zu erwähnen.

    Wie der ESM konstruiert wurde und was das mit "Stabilität" zu tun hat, das erläutern die beiden folgenden Videobeiträge:

    11:24 Uhr, 01.08.2016
  • bembes
    bembes

    Hallo herr Schade,

    gute Bericht.

    Jetzt wäre es auch sinnvoll wieder den Bund Fuutre kurzfristig zu kommentieren !!

    Danke

    11:00 Uhr, 01.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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