Kommentar
11:11 Uhr, 03.11.2021

Staatsanleihe-Renditen: Trotz Inflation nicht höher?

Es gab Zeiten, da reagierten Staatsanleihen auf Inflation. Für Sparer wäre das aktuell ein Traum. Plötzlich gäbe es Zinsen. Nur leider reagieren Staatsanleihen nicht. Wieso?

Die kurzfristigen Zinsen, die von der Notenbank festgelegt werden (Leitzinsen), dürften in den kommenden Monaten steigen. Notenbanken reagieren damit auf die Inflation. Auch langfristige Zinsen, die vom Markt festgelegt werden (Anleiherenditen) sollten auf die Inflation reagieren. Sie tun es aber nicht. Wer eine Anleihe mit einer Laufzeit von 10 oder mehr Jahren kauft, will einen angemessenen Zins haben. Einerseits will man zumindest einen Inflationsausgleich und andererseits ist das Risiko über längere Zeiträume einfach höher. Beides spiegelt sich nicht in den Renditen wider. Das ist merkwürdig, denn alles spricht für höhere Renditen. Dazu gehört auch die wirtschaftliche Dynamik. Diese wird durch den Einkaufsmanagerindex gut abgebildet. Der Index ist hoch. Die Renditen zogen aber nicht mit. Noch größer ist die Divergenz zur Inflation.

Diese merkwürdige Ausgangslage verführt einige Analysten zu der Aussage, dass der Anleihemarkt Inflation vielleicht doch für vorübergehend hält. Das würde bedeuten, dass Notenbanken es doch besser wussten. Sie behaupteten ein Jahr lang, die Inflationsrate würde bald wieder fallen. Seit einem Jahr liegen sie falsch.

Weil sie ganz offensichtlich falsch lagen, wird umgeschwenkt. Die Leitzinsen sollen steigen. Nun scheint der Anleihemarkt aber zu signalisieren, dass die Inflation nicht für lange Zeit hoch bleiben wird. Just in dem Moment, in dem der Markt an die These der vorübergehenden Inflation zu glauben beginnt, tun es die Notenbanken nicht mehr.

Zumindest wirkt es so. Leider werden Ursache und Wirkung vertauscht. Der Anleihemarkt signalisiert nun vorübergehende Inflation (niedrige Langfristzinsen), weil Notenbanken auf die aktuell hohe Inflation reagieren werden. Kurzfristige Zinsen steigen derzeit rasant an. Die langfristigen Zinsen halten nicht mit. Das führt in Summe zu einer abflachenden Zinskurve (langfristige minus kurzfristige Zinsen, Grafik 3).


Die Zinskurve signalisiert das zukünftige Wachstum (Grafik 4). Hier wird also vom Anleihemarkt zukünftig niedrigeres Wachstum signalisiert. Das ist die logische Folge einer nun straffer werdenden Geldpolitik. Erst wird Quantitative Easing beendet, kurz danach stehen die ersten Zinsschritte an. In einigen Ländern sind sogar die ersten Zinsschrette erfolgt (Norwegen, Neuseeland).

Die Langfristzinsen folgen der Inflation deswegennicht, weil Anleger davon ausgehen, dass die Inflationsbekämpfung der Notenbanken Erfolg haben wird. Das sollte auch Aktionäre hellhörig werden lassen. Inflation bekämpft man, indem das Nachfragewachstum gebremst wird. Nachfrage ist nichts anderes als der Gewinn der Unternehmen und diese Gewinne bestimmen am Ende das Kursniveau.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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