Kommentar
10:20 Uhr, 04.02.2022

Sprengt Inflation die Eurozone?

Erst gab es zu wenig Inflation, jetzt zu viel. Geldpolitisch ist es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen kann.

Im Gegensatz zu allen anderen Notenbanken, die die gelpolitische Wende bereits eingeleitet haben, hält die EZB an ihrem Mantra fest: Die Inflation ist vorübergehend. Mit ernster Miene kann man das eigentlich nicht mehr behaupten, aber der EZB bleibt nichts anderes übrig.

Erkennt sie an, dass Inflation ein Problem ist, welches bekämpft werden muss, kann sie nicht weiter Staatsanleihen kaufen und die Zinsen tief halten. In den vergangenen zehn Jahren konnte sie mit niedriger Inflation argumentieren und so darlegen, weshalb man italienische Staatsanleihen kaufen muss.

Jetzt fällt das Argument weg und die EZB hat nur ein Mandat, Preisstabilität. Sie ignoriert es derzeit souverän. Das geht für eine gewisse Zeit, aber nicht ewig. Mit jedem Monat, in dem die Inflation bei deutlich über 2 % liegt, wird der Druck größer. Die Zinsen müssen steigen, zumal die Arbeitslosenrate in vielen Kernländern sehr niedrig ist.

Damit ist die EZB mit dem großen Dilemma der Eurozone konfrontiert. Ein Zinssatz für alle passt einfach nicht. Das letzte, das Griechenland braucht, ist ein Leitzins von 2 %. Bleibt die Inflation hoch, muss sich die EZB entscheiden. Entweder sie erfüllt ihr Mandat und sorgt für Preisstabilität oder sie tut es nicht, hält die Zinsen niedrig und subventioniert die hochverschuldeten Länder. Beides gleichzeitig geht nicht.

Das Dilemma ist groß. Eine Notenbank, die ihre Glaubwürdigkeit verliert, ist nicht viel wert. Genau das geschieht jedoch, wenn die Zinswende bei anhaltend hoher Inflation nicht kommt. Die Zinsen mögen für Griechenland zwar sinnvoll sein, dafür werden andere Probleme kreiert, nicht nur Preisunstabilität.

Es ist vollkommen klar, dass einige Länder in diesem Jahr nervös werden und auf eine Zinswende pochen. Geht es nach dem Mandat der EZB ist auch nur dieser Weg vertretbar. Für Italien, Griechenland und andere bedeuten höhere Zinsen den Bankrott bzw. es wird ein Austritt aus der Währungsunion erzwungen. Sprengt die Inflation also die Eurozone?

Nicht unbedingt. Es gibt Auswege. Den besten Ausweg hat die EZB leider zu Beginn der Eurokrise begraben. 2012 kaufte sie Anleihen von Krisenländern, nachdem Draghi versprach, alles zu unternehmen, um den Euro zu retten. Dieses „whatever it takes“ Programm war das Securities Markets Programme (SMP). Anleihen, die unter diesem Programm erworben wurden, liegen zum Teil noch immer auf der Bilanz der EZB (Grafik 1).

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Dieses Programm sollte durch ein geregeltes SMP ersetzt werden. Die Idee: Die EZB kauft frei Anleihen auf dem Markt, um dafür zu sorgen, dass die Zinspolitik (niedrige Zinsen) auch in den jeweiligen Ländern ankommt. De facto wäre es ein unbegrenztes QE Programm gewesen. Im Gegensatz zu den aktuellen Programmen gab es jedoch Bedingungen.

Um vom Kaufprogramm zu profitieren muss ein Staat unter den Rettungsschirm, das Land reformieren und wieder in Einklang mit den Regeln der Eurozone bringen. Das wäre für die gesamte Eurozone kein schlechter Deal gewesen. Man unterstützt, bekommt aber auch die Gegenleistung in Form einer Sanierung.

Am Ende wurde aus dieser Idee nichts und QE, wie wir es kennen, wurde eingeführt. Länder bekommen Unterstützung ohne Gegenleistung. Ein schlechter Deal, der sich nun aber einmal durchgesetzt hat. Dank niedriger Inflation läuft und läuft und läuft QE (Grafik 2).

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Griechenland sucht man vergeblich, denn ein Staat muss ein Investment-Grade Rating haben, um von QE zu profitieren. Das gilt für das Pandemiekaufprogramm nicht. Die EZB kaufte bisher 10 % aller griechischen Schulden (Grafik 3). Bis März werden fast 1,8 Billionen EUR unter dem Programm gekauft worden sein.

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Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Länder wie Deutschland oder die Niederlande, die die Käufe nicht unbedingt gebraucht hätten. Die EZB behält sich vor, frei werdende Mittel aus auslaufende Anleihen aus Ländern wie Deutschland dazu zu nutzen, um z.B. griechische Anleihen zu kaufen.

Die EZB kann ab April ca. eine Billion EUR frei verwenden, um zu intervenieren, wie sie es für richtig hält. So könnte sie den Anleihebestand einiger Länder reduzieren und sogar die Zinsen minimal anheben, da sie gleichzeitig eine Billion Euro hat, mit denen sie die Renditen in der Peripherie niedrig halten kann. Ob das am Ende reicht, um die Eurozone vor der Zerreißprobe Inflation zu retten, sei dahingestellt.


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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