Kommentar
10:42 Uhr, 18.12.2020

Spielen 2021 Fakten wieder eine Rolle am Aktienmarkt?

Wirtschaftlich und gesellschaftlich sind wir noch weit von Normalzuständen entfernt. Holt das den Aktienmarkt 2021 ein?

An der Börse gilt: Buy the rumor, sell the fact (Gerüchte kaufen, Fakten verkaufen). 2020 galt das pausenlos und es wird auch in Zukunft gelten. Es ist ein unumstößliches Motto an der Börse. Wer eine Ahnung hat, was passieren könnte, kauft heute und nicht erst, wenn die Fakten geschaffen sind. Wer erst kauft, wenn sich die Erwartung erfüllt, ist zu spät dran. Andere Anleger hören die gleichen Gerüchte oder haben die gleiche Erwartung, z.B. dass die Notenbank weiter lockert oder die Regierung ein neues Konjunkturpaket auflegt. Sobald sich die Erwartung bildet, wird gekauft. Passiert es dann tatsächlich, ist alles eingepreist. Häufig kommt es dann zu Gewinnmitnahmen. 2020 wurde der Markt von einer ganzen Reihe an Erwartungen getragen. Es waren mehrere Konjunkturprogramme, immer höhere Kaufprogramme der Notenbanken und zuletzt immer mehr die Hoffnung auf einen Impfstoff. Das kann den Markt noch einige Wochen oder Monate stützen. Was aber, wenn dann die Fakten geschaffen sind und die Impfung der Welt auf Hochtouren läuft?

Dann braucht es neue Erwartungen, auf deren Basis sich Anleger entscheiden können. Zur Jahresmitte, wenn hoffentlich ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, wird es kaum noch zusätzliche Unterstützung der Notenbanken oder neue Konjunkturprogramme geben. Sind alle positiven Erwartungen erschöpft, dürften Fakten wieder eine größere Rolle spielen.

Die wirtschaftlichen Fakten sind immer noch ernüchternd. Trotz V-förmiger Erholung ist der Arbeitsmarkt in den USA (Grafik 1) oder in Europa noch immer in einem katastrophalen Zustand. Es sind immer noch mehr Jobs verloren als zum Höhepunkt der Rezession im Zuge der globalen Finanzkrise.


Die offiziellen Statistiken berücksichtigen dabei nicht, dass sich viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet haben. Sie suchen gar nicht erst nach einem Job, weil sie keine Hoffnung haben. Den offiziellen Statistiken nach sind 10,7 Mio. Amerikaner arbeitslos. Zählt man diejenigen hinzu, die sich aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet haben, sind es 15 Mio. Die tatsächliche Arbeitslosenrate ist damit immer noch fast zweistellig und stieg zuletzt sogar wieder minimal an (Grafik 2).

Die Erwerbsquote (Erwerbstätige zu Erwerbsfähigen) sinkt nach einer kurzen Erholung wieder und die Langzeitarbeitslosigkeit steigt ungebremst an, sogar schneller als 2008/09 (Grafik 3). Das sind die Fakten, die kein gutes Bild der Wirtschaft zeichnen.

Die Börse ist nicht die Wirtschaft. Mehr als 90 % der Unternehmen in der Wirtschaft sind kleine und mittlere Unternehmen. An der Börse sind die Großen. Viele von ihnen haben von der Krise profitiert, aber längst nicht alle. Viel Optimismus ist in den Kursen bereits enthalten.

Am Ende hängen die Gewinne der börsennotierten Unternehmen auch davon ab wie viele Menschen einen Job haben. Ohne Job muss man weniger konsumieren. Geldgeschenke der Regierungen haben das bisher verdeckt. Laufen die Hilfen aus und trifft dies auf eine zu erwartende hohe Arbeitslosigkeit Mitte 2021, ist das eine schwierige Mischung.

Die Erwartung von Anlegern könnte dann plötzlich umschwenken. Von all den Impfstoffhoffnungen und V-förmiger Erholung kann die Erwartung eine ganz andere sein: sinkende Unternehmensgewinne. Den Kursen bekäme das freilich nicht gut.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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