Kommentar
07:08 Uhr, 17.05.2017

Spekulationsblasen: So erkennt man sie wirklich!

Harvard-Wissenschaftler haben Kursblasen statistisch genau untersucht und kommen zu überraschenden Ergebnissen, die jeder Anleger und Trader kennen sollte. Ob sich der Aktienmarkt nach wissenschaftlichen Kriterien derzeit in einer Blase befindet erfahren Sie nur hier.

Spätestens seit der Finanzkrise weiß jedes Kind, was eine Spekulationsblase ist. Man versteht darunter in der Regel einen starken Kursanstieg unter hohen Umsätzen, bei denen Wertpapiere, Immobilien oder Rohstoffe sich extrem stark verteuern und zu Preisen deutlich über ihrem eigentlichen Wert gehandelt werden.

Voraussetzung für die Entstehung einer Blase sind in der Regel übertrieben positive Zukunftserwartungen bei den Anlegern. Die positive Stimmung der Anleger und kräftige Kursgewinne befeuern sich gegenseitig. Immer mehr Menschen wollen an den steigenden Kursen mitverdienen. Die Euphorie der Marktteilnehmer kennt scheinbar keine Grenzen und führt zu immer weiteren Kursgewinnen, bis die Stimmung schließlich umkippt und jeder nur noch so schnell wie möglich verkaufen will. Nach dem phänomenalen Einstieg brechen die Kurse dramatisch ein und sorgen bei vielen Anlegern für gigantische Verluste.

Was eine Blase genau ist und wie man sie erkennt, haben nun drei Harvard-Wissenschaftler in einer Studie ("Bubbles for Fama", von Robin Greenwood, Andrei Shleifer und Yang You) genauer untersucht. Nach der Hypothese der "effizienten Märkte" dürfte es Spekulationsblasen eigentlich gar nicht geben. Denn diese wissenschaftliche Theorie geht davon aus, dass sich Marktteilnehmer stets rational verhalten und es deshalb auch nicht zu Preisübertreibungen kommen kann. Eugene Fama, Erfinder der Hypothese der effizienten Märkte, bestreitet zum Beispiel, dass es Spekulationsblasen überhaupt gibt. Aus dieser Sicht waren die hohen Bewertungen bei US-Technologieaktien etwa im Jahr 2000 keineswegs irrational, sondern entsprachen den damals vorhandenen positiven Zukunftsaussichten der Unternehmen - die sich allerdings nicht bewahrheitet haben.

Eine neue Studie von drei Wissenschaftlern der US-Eliteuniversität Harvard versucht nun, die Frage ob Blasen existieren oder nicht, mit statistischen Methoden zu klären. In der Studie wird eine Blase dabei als ein Kursanstieg um mindestens 100 Prozent innerhalb von zwei Jahren definiert. Nach dieser Definition gab es am gesamten US-Aktienmarkt nur zwei Blasen: Den Anstieg vor dem Crash von 1929 und den Anstieg vor dem Platzen der Technologieblase 2000/2001. Betrachtet man aber einzelne Branchen nach der selben Definition, dann kam es seit dem Jahr 1928 insgesamt 40 mal vor, dass die Kurse einer Branche um mehr als 100 Prozent innerhalb von zwei Jahren zulegten.

Wie die Harvard-Studie nun feststellt, unterscheidet sich die Kursentwicklung nach einem starken Kursanstieg in einem Sektor oder im Gesamtmarkt allerdings durchaus von anderen Marktphasen. Die folgenden beiden Tabellen mit Daten aus der Studie zeigen, wie sich die Kurse nach einem starken Kursanstieg im Durchschnitt entwickeln und wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Crash (definiert als Einbruch um mindestens 40 Prozent) ist. Die erste Tabelle betrachtet dabei US-Sektoren für die Jahre 1926 bis 2012. Die erste Spalte zeigt, wie stark die Kurse gestiegen sind, die folgenden beiden Spalten zeigen, wie sich anschließend die Kurse auf 12- und 24-Monatssicht im Schnitt entwickelt haben und die vierte Spalte zeigt die Wahrscheinlichkeit eines Crashs innerhalb der kommenden 24 Monaten.

Vorhergehender Kursanstieg Durchschnittlich nachfolgende 12-Monatsrendite Durchschnittlich nachfolgende 24-Monatsrendite Crash-Wahrscheinlichkeit
50 % 12 % 21 % 20 %
75 % 10 % 11 % 36 %
100 % 7 % 0 % 53 %
125 % -5 % -17 % 76 %
150 % -10 % -13 % 80 %

Lesehilfe: Sind die Kurse eines Sektors innerhalb von 24 Monaten um mindestens 125 Prozent gestiegen (fünfte Zeile, erste Spalte), so beträgt die durchschnittliche Performance in den nachfolgenden 12 Monaten minus fünf Prozent (zweite Spalte) und die Wahrscheinlichkeit für einen Kursrückgang um mehr als 40 Prozent ("Crash") beträgt 76 Prozent (vierte Spalte).

Die Tabelle zeigt eindeutig: Je höher der vorhergehende Kursanstieg in einer Branche ist, desto niedriger ist auf Sicht von 12 und 24 Monaten die zu erwartende Rendite und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Crashs!

Die zweite Tabelle zeigt Daten für internationale Sektoren für die Jahre 1987 bis 2012. Die Spalten haben die gleiche Bedeutung wir in der ersten Tabelle.

Vorhergehender Kursanstieg Durchschnittlich nachfolgende 12-Monatsrendite Durchschnittlich nachfolgende 24-Monatsrendite Crash-Wahrscheinlichkeit
50 % 11 % 20 % 36 %
75 % 6 % 13 % 42 %
100 % 1 % 7 % 50 %
125 % -3 % -1 % 53 %
150 % -15 % -17 % 67 %

Auch bei den internationalen Sektoren gilt: Ein starker Kursanstieg führt im Durchschnitt zu geringeren nachfolgenden Renditen und zu einer höheren Crash-Wahrscheinlichkeit.

Die Forscher identifizierten nun weitere Warnzeichen, die einen Crash nach einem starken Preisanstieg noch wahrscheinlicher machen. Diese Faktoren sind laut der Studie:

  • Ein Anstieg der Volatilität, also der Schwankungsintensität.
  • Der Anteil der Unternehmen, die eine Kapitalerhöhung durchführen, steigt im 12-Monatszeitraum vor dem Crash an.
  • Im Verhältnis zum Gesamtmarkt treten überproportional starke Kursgewinne bei jungen Unternehmen auf.
  • Eine Beschleunigung bei den Kursgewinnen, d.h. die Kurse steigen immer schneller.
  • Überdurchschnittlich hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse (Shiller-KGVs) und Kurs-Buchwert-Verhältnisse.

Die genannten Kriterien sind laut der Studie allerdings nur relevant, wenn die Kurse auf Sicht der vorangegangenen 24 Monate extrem gestiegen sind. Dies ist aber aktuell weder in den USA noch in Europa der Fall. Der S&P 500 konnte in den vergangenen 24 Monaten gerade einmal um 13 Prozent zulegen. Erst ab einem Anstieg von mindestens 100 Prozent beginnt die Wahrscheinlichkeit für einen Crash laut der Studie aber markant zu steigen.

Nach den in der Harvard-Studie aufgestellten Kriterien befinden wir uns aktuell also nicht in einer Blase. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kurse immer weiter steigen. Auch ein Bärenmarkt ist keineswegs ausgeschlossen. Von einer Blase kann man aktuell aber nach den Kriterien der Harvard-Studie zumindest nicht sprechen.

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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