Kommentar
08:32 Uhr, 22.11.2016

Spekulantenparadies China

Die Börse ist das größte Casino der Welt – an manchen Orten allerdings ein wenig mehr als an anderen.

Ich muss ganz klar zugeben: Meine Faszination mit der chinesischen Spielermentalität kennt keine Grenzen. Der Markt, ob nun die Börse, der Immobilienmarkt oder die Terminmärkte, ist vollkommen unberechenbar. Das ist kein neues Phänomen, sondern zeigt sich seit Jahrzehnten.

Vergangene Woche hatte ich bereits darüber berichtet, dass China wahrscheinlich die einzige „Bubble Economy“ ist, die den Karren bisher noch nicht an die Wand gefahren hat. Der Zeitpunkt wird jedoch kommen – irgendwann.

China ist absoluter Meister darin, einzelnen Anlageklassen innerhalb von Wochen eine Performance zu ermöglichen, die in anderen Ländern innerhalb von Jahren gesehen werden. Immobilienpreise können auf Jahressicht schon einmal um 50 % steigen.

Bei Rohstoffen geht das alles noch sehr viel schneller. China hat inzwischen mehrere Handelsplätze, an denen Rohstoffe gehandelt werden können. Der Dalian Stock Exchange ist unter den bedeutendsten Handelsplätzen. Dort wird vor allem Soja, Eisenerz, Kohle und Holz gehandelt. Es gibt jedoch auch einige Exoten, zum Beispiel Eier.

Ja, man kann tatsächlich Terminkontrakte auf Eier handeln. Die Sache kann sich sogar richtig lohnen. In den letzten drei Wochen stieg der Preis von Hühnereiern um knapp 20 %. Bevor es zu diesem rasanten Preisanstieg kam, vergnügten sich Anleger vor allem bei Sojabohnen und Sojaprodukten sowie Metallen. Der Eisenerzpreis stieg in der Woche (endend am 12.11.) um mehr als 20 %.

Die Rechnung wurde in der vergangenen Woche quittiert. Der Preis sackte um 15 % ab. Grund für den Einbruch zahlreicher Basiswerte war der Versuch der Behörden die Spekulation einzudämmen. Marginanforderungen wurden ebenso erhöht wie Transaktionskosten, damit aus dem Markt Luft entweichen kann.

Das ist ein bekanntes Muster. Anleger und Bürger wandern von einem Spekulationsobjekt zum nächsten. Steigen Aktienkurse, dann rennen alle los und eröffnen neue Depots. Beginnen die Preise dort zu fallen, dann rennen alle zur Bank, um den Immobilienkauf zu finanzieren.

Bei Rohstoffen ist das nicht anders. Auch hier zieht die Karawane schnell weiter, wenn die Behörden die Preise durch neue Regulation drücken wollen. Nun gibt es allerdings so viele Rohstoffe, dass die Behörden gar nicht mit der Regulation nachkommen. Vor einer Woche brachen die Preise von Körnern (Mais), Bohnen (Soja) und Metallen ein, dafür legte der Holzpreis (genauer: Holzplatten) mal so eben um 25 % zu. Die Karawane ist schnell weitergezogen und hat auch schnell eine neue Oase gefunden.

Das alles ist für den Markt hierzulande von mittelmäßiger Bedeutung. Ob die Preise von Holzplatten in China nun steigen oder nicht, ist für die westliche Welt relativ unerheblich. Anders sieht es bei Metallen und Energierohstoffen aus. Durch die Spekulationsexzesse in China werden die Weltmarktpreise inzwischen nicht nur beeinflusst, sondern gesetzt.

Die Rallye bei Kohle und Metallen seit der US-Wahl hat sicherlich auch etwas mit Trump und seinen Wirtschaftsplänen zu tun, aber nicht nur. In China deutete sich schon länger ein Spekulationsexzess bei diesen Rohstoffen an, der nun von den Behörden gebändigt wird. Es sollte Anleger daher nicht verwundern, wenn die Rohstoffrallye in den kommenden Wochen deutlichen Rücksetzern ausgesetzt ist.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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