Fundamentale Nachricht
14:44 Uhr, 28.02.2014

Sozialbanken wachsen: Transparenz als Wettbewerbsvorteil

Kreditinstitute mit sozial-ökologischer Ausrichtung haben im vergangenen Jahr beim Kundenvolumen und bei der Zahl der Mitglieder kräftig aufstocken können. Vor diesem Hintergrund beginnen sich auch die etablierten Großbanken auf die neuen Wünsche des Publikums einzustellen.

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Seit 2012 joggte die Commerzbankerin Lena Kuske (28) kurz vor der Tagesschau unermüdlich durch die Primetime. Mittlerweile hat sie den Kapuzenpulli abgelegt und spricht nun in Bluse und Blazer zum Publikum. Ihr Auftrag bleibt derselbe: Sie soll den moralischen Wandel der Commerzbank symbolisieren. Die Deutsche Bank hingegen hat ihre Kampagnen zurückgefahren. War sie kurz nach Beginn der Finanzkrise 2008 ebenfalls dauerhaft in immer gleichen Werbeclips vor der Tagesschau sichtbar, muss sie ihre TV-Präsenz zurückfahren: Zu groß sind die Verluste in den Geschäftssparten und zuviele Skandale gelangten an die Öffentlichkeit. So hat die größte deutsche Bank im Schlussquartal 2013 ein Minus von 1,2 Milliarden Euro vor Steuern eingefahren. Ein großer Teil dieses Geldes setzt sich aus Kosten für millionenschwere Rechtsstreitigkeiten zusammen.

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Commerzbank-Testimonial Lena Kuske (Quelle: Commerzbank.de)

Vor dem Hintergrund der Krise etablierter Finanzinstitute sind sozial-ökologische Banken bei Verbrauchern noch beliebter als bisher. In Deutschland konnten GLS Bank & Co (laut jüngsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2012) ihre Gesamtsumme aus Einlagen von und Krediten an Kunden um 19 Prozent auf mehr als 7 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr steigern. Die GLS Bank als besonderes Schwergewicht in der kleinen Branche hat ihre Bilanzsumme 2013, hier liegen aktuelle Zahlen vor, um fast 20 Prozent auf 3,24 Milliarden Euro erhöhen können. Die Zahl der Kunden hat die Bank im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um 23.000 auf 165.000 gesteigert.

Interessant dabei: Der Kundenzuwachs der Banken, die Kundengelder ausschließlich in sozialen, ökologischen oder kulturellen Mehrwert schaffende Vorhaben investieren, legte ungeachtet von Zinskonditionen der betreffenden Banken zu, die allenfalls im Mittelfeld des Marktes liegen. Die Kunden wechseln also beispielsweise zur GLS Bank, weil sie ein Zeichen setzen wollen.

Sozial-ökologische Banken auf Facebook beliebt

Die Sympathie der Kunden gegenüber ihrer sozial-ökologischen Bank spiegelt sich auch in den Sozialen Medien wider. Ende Oktober 2013 kam bei den Facebook-Auftritten der in Deutschland tätigen Sozialbanken auf nur sechs Kunden durchschnittlich ein Verbraucher, der durch Drücken des "Gefällt mir"-Buttons auf Facebook seiner Sympathie für das Geschäftsmodell Ausdruck verliehen hat. Ein Wert, der sich deutlich vom Gesamtdurchschnitt der in Deutschland tätigen Retailbanken mit Facebook-Auftritt abgrenzt: Auf mehr als 200 Bankkunden kommt hier nur eine "Gefällt mir"-Bestätigung, rechnet die Münsteraner Unternehmensberatung für Finanzdienstleister zeb vor.

"Die wachsende Bedeutung sozial-ökologischer Banken, die sowohl über steigende Kundenzahlen als auch durch die positive Resonanz in den Sozialen Medien zum Ausdruck kommt, zeigt, dass nachhaltige Geldverwendung und transparente Kommunikation gerade in der anhaltenden Niedrigzinsphase wirksame Differenzierungsmerkmale sind", weiss zeb-Partner Ulrich Hoyer. "Sich vor allem über Konditionenwettbewerb voneinander abzuheben wird für Banken zusehends schwieriger – da sind Banken, die ihren Kunden durch nachhaltige Geldverwendung ein weiteres Motiv für die Geldanlage aufzeigen können, klar im Vorteil", beobachtet Hoyer.

Social Banking europaweit auf dem Vormarsch

Sozial-ökologische Banken sind mittlerweile in zehn europäischen Ländern tätig und vereinigten Ende 2012 (jüngere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht) ein Kundenvolumen von rund 19 Milliarden Euro auf sich. Dies entsprach einem Wachstum von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Das Potenzial für weitere Zuwächse ist klar gegeben: Einer aktuellen Sozialbanken-Studie zufolge umfasst allein in Deutschland die Gruppe der "nachhaltigkeitsorientierten Verbraucher" rund 13 Millionen Menschen. Während zur strikt sozial-ökologisch eingestellten Kernklientel sozial-ökologischer Banken rund drei Millionen Menschen gezählt werden, ist diese zweite, etwas moderater sozial-ökologisch affine Verbrauchergruppe hoch gebildet und verdient überdurchschnittlich gut. Sie unterhält zumeist eine Bankverbindung zu konventionellen Banken und ist sich sozial-ökologischer Bankangebote oft nicht bewusst. Mit der wachsenden Verbreitung und Popularität von Sozialbanken ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Haltung ändert und "Nachhaltigkeitsorientierte" in zunehmendem Maße entsprechende Angebotsanforderungen an ihre Banken stellen werden.

Trend zu Social Banking wird anhalten

Wie die Unternehmensberatung zeb feststellt, wird der Trend zum Social Banking unverändert anhalten. Nicht zuletzt deshalb, weil die traditionellen Player des Social Banking ihre Produktangebote aufgrund des wachsenden Zuspruchs immer umfassender erweitern können.

Dennoch bleibt ein für viele potenzielle Kunden gravierender Nachteil: Sozialbanken verfügen nur über wenige oder gar keine Filialen. Verbraucher, die auf eine stationäre Betreuung Wert legen, werden deshalb weiterhin ihrer Direktbank die Treue halten. Dass die Dynamik des Marktes aber auch vor dem etablierten Bankensystem nicht Halt macht, zeigt ein Beispiel aus Großbritannien: Hier hat vor wenigen Monaten ein Konsortium unter Beteiligung der Church of England 314 Filialen der Großbank RBS übernommen. Damit steht auf einen Schlag ein Filialnetz für eine Retailbank unter dem wiederbelebten Markennamen Williams & Glyn's zur Verfügung, die nach Aussage der Church of England ihre Arbeit an den „höchsten ethischen Standards“ ausrichten wird. Williams & Glyn's hat derzeit rund 1,7 Millionen Kunden und beschäftigt rund 4.500 Angestellte. Die Bank hat in Großbritannien einen Anteil von fünf Prozent im Kreditgeschäft für kleine Unternehmen und stellt zwei Prozent aller Girokonten.

Commerzbank kooperiert mit oekom research bei nachhaltiger Vermögensverwaltung

Wenn der Trend zum Social Banking offensichtlich wird und das Interesse von Bankkunden an einem ethischen Verhalten ihres Kreditinstituts zunimmt, sehen sich die etablierten Banken im Zugzwang. So hat die Commerzbank vor wenigen Tagen angekündigt, ihr Angebot im Bereich der nachhaltigen Vermögensverwaltung ausbauen zu wollen. „Ethische und ökologische Investments entsprechen zunehmend den Werteprinzipien vieler Investoren und Institutionen und fördern die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit“, begründete Peter Körndl, Senior Portfoliomanager bei der Commerzbank, den Schritt seiner Bank, sich in diesem Bereich breiter aufstellen zu wollen.

So soll im Rahmen der nachhaltigen Vermögensverwaltung der Commerzbank in den jeweiligen Assetklassen ausschließlich in Einzelwerte investiert werden, die den oekom Prime Status aufweisen und nicht gegen die Ausschlusskriterien verstoßen. „Mit diesem Ansatz bieten wir ein Portfolio mit hoher Transparenz und unseren Kunden die Möglichkeit, an der Kapitalmarktentwicklung zu partizipieren und dies mit dem Bewusstsein, überwiegend in Werte zu investieren, die sich durch nachhaltiges Wirtschaften auszeichnen“, wirbt Körndl.

Die nachhaltige Vermögensverwaltung soll ab sofort sowohl Privat- als auch Firmenkunden der Commerzbank angeboten werden. Zusätzlich können jetzt auch im klassischen Wertpapierdirektgeschäft auf Wunsch die oekom Ratings der jeweiligen Emittenten mitgeliefert werden, „wodurch der Beratungsansatz der Commerzbank einen deutlichen Mehrwert erfährt“, wie das Geldinstitut hofft. Vielleicht darf angesichts dieser neuen Programminhalte der Bank dann demnächst auch Commerzbank-Testimonial Lena Kuske wieder eine neue Runde laufen. Der Titel des eingangs erwähnten Commerzbank-Spots „Der erste Schritt“ suggerierte, dass bei der Commerzbank eine neue Zeit anbricht. Doch Banken wie die GLS oder die Umweltbank sind schon längst weiter. Lena Kuske läuft eigentlich der Entwicklung hinterher.

Finanztest hat ethisch-ökologische Geld­anlagen unter die Lupe genommen

Wer sich für ethisch-ökologische Geld­anlagen interessiert, kann auf eine vor wenigen Wochen erschienene Analyse der Stiftung Warentest zurückgreifen. In der Zeitschrift Finanztest haben sich die Berliner Tester kürzlich Banken gewidmet, die bei der Kredit­vergabe an Unternehmen und Organisationen ethische, ökologische oder soziale Kriterien an­wenden. Finanztest hat neun entsprechende Banken ermittelt, die zugleich Sparangebote für Verbraucher machen.

Autor: Helge Rehbein

Diesen Artikel lesen Sie in der jüngsten Sonderpublikation der BörseGo AG "Social Banking - ein neuer Megatrend?" Sie können die Sonderpublikation hier kostenlos herunterladen.

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