Kommentar
18:10 Uhr, 23.02.2021

So verwirren Analysten die Anleger

Die Gewinne der S&P 500 Unternehmen sind Meldungen zufolge im letzten Quartal gegenüber dem Vorjahr gewachsen, sprich, sie sind auf Rekordhoch. Das ist falsch.

Diverse Investmentbanken oder auch Datenanbieter ließen zuletzt aufhorchen. Das Gewinnwachstum der S&P 500-Unternehmen sei nun für Q4 2020 positiv. Das ist schon ein starkes Stück. Wenn die Gewinne gegenüber Q4 2019 gestiegen sind, dann liegen sie über dem Vorkrisenniveau. Da wundert man sich nicht, dass der Aktienmarkt so hoch steht.

Man sollte sich allerdings nicht über den Aktienmarkt wundern, sondern die Analysten. 82 % der S&P 500 Unternehmen haben ihre Zahlen für das vergangene Quartal vorgelegt. Der Gewinn je Aktie (je S&P 500 Kursstand) liegt bei 28,69 Dollar. Ende 2019 waren es 35,53 Dollar. Auch ohne zu rechnen erkennt man: Ende 2020 waren die Gewinne niedriger. Wie kann man also von Gewinnwachstum berichten?

Wer sich das fragt, bekommt nicht sofort eine Antwort. Egal wie man es dreht und wendet, aus dem Rückgang der Gewinne wird einfach kein Wachstum. Man kann anstatt der ausgewiesenen Gewinne andere Größen heranziehen, z.B. das operative Ergebnis, den Cashflow oder das Ergebnis vor Steuern, Zinsen usw.


Man kann auch die Summe der Gewinne der letzten vier Quartale addieren, um den Jahresgewinn zu berechnen und diesen dann mit dem Vorjahr zu vergleichen. Es bleibt dabei, die Gewinne sind auf Jahressicht um 20 % geschrumpft, wenn man den Quartalsgewinn Ende 2019 mit Ende 2020 vergleicht. Betrachtet man das operative Ergebnis ist das Minus mit 11 % geringer, aber immer noch ein Minus. Der Verlauf des operativen Gewinns nach Branchen ist in der Grafik abgebildet. Das letzte Quartal (Q4 2020) ist auf Basis von 82 % der Unternehmen, die bereits berichtet haben.

Natürlich gibt es eine Erklärung wie Analysten dennoch ein Gewinnwachstum herzaubern können. Sie betrachten dabei nicht den effektiven Gewinn der S&P 500 Unternehmen. Stattdessen betrachten sie das Gewinnwachstum der einzelnen Branchen.

Der S&P 500 hat 11 Sektoren. 6 von diesen Sektoren wiesen negatives Wachstum aus. Das ist teilweise kein Wunder. Man denke nur an den Energiesektor, der vor allem aus Ölunternehmen besteht. Allein dieser Sektor drückte den S&P 500 Gewinn je Aktie um über 8 Dollar.

5 Branchen sind nun aber gewachsen. Allen voran steht der Technologiesektor. Das Wachstum lag bei knapp 30 %. Der Technologiesektor hat eine Gewichtung von fast 30 %. Der Anteil des Technologiesektors an den Gesamtgewinnen des S&P 500 liegt aber bei 67 %. Wendet man diese Gewichtung (67 %) an, lässt sich so aus einem effektiven Negativwachstum doch noch ein positives Gewinnwachstum herleiten.

Das ist ziemlich akrobatisch und verdeckt, dass die Gewinne nun einmal geschrumpft sind. Man soll eben keiner Statistik glauben, die man nicht selbst erstellt hat.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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