Kommentar
12:50 Uhr, 11.06.2021

So sehr vertrauen Anleger der Fed

Das Vertrauen in die US-Notenbank ist derzeit blind. Man kann nur hoffen, dass die Fakten das Vertrauen nicht zerstören.

Wenn sich der Glaube an eine Notenbank irgendwie messen lässt, dann über den Zinsmarkt. Am Ende übt die Notenbank ihre Geldpolitik über die Zinsen aus. Stehen die Zinsen dort, wo sie die Notenbank haben will, kann man von Vertrauen sprechen. Inzwischen reicht einfache Zinspolitik nicht mehr. Die meisten Notenbanken sehen bei 0 % eine Art natürliche Untergrenze. Diese Untergrenze ist mehr oder minder in Stein gemeißelt. Die EZB hat versucht, mit negativen Einlagensätzen zu experimentieren. Banken zahlten auf überschüssiges Geld Zinsen. Das führte zu einer Schwächung des Bankensektors. Durch die Hintertür sind die Negativzinsen inzwischen praktisch abgeschafft. Das Experiment ist gescheitert. Es ist gescheitert, weil lediglich der Einlagensatz negativ war. Man hätte auch den Refinanzierungssatz in den negativen Bereich senken können. In diesem Fall erhält man Zinsen, wenn man sich Geld bei der Notenbank beschafft. Theoretisch ist das möglich. In der Praxis macht das keinen Sinn. Wenn man dafür bezahlt wird, dass man Kredit aufnimmt, will jeder natürlich möglichst viel Kredit haben. Die Geldvermehrung kennt kein Halten mehr und es ist unwahrscheinlich, dass das System so stabil bleibt.

Wenn Zinsen nicht mehr gesenkt werden können, werden eben Anleihen gekauft und die sonst vom Markt bestimmten Zinsen bewegt. Anleger verlangen je nach Laufzeit einer Anleihe einen gewissen Zinssatz. Bei 10-jährigen Anleihen ist es die Inflationsrate plus Risikoaufschlag.

Aktuell steht die Kerninflation bei 3,8 %. Historisch (seit 1985) lagen bei einer so hohen Inflation die Renditen der 10-jährigen US-Anleihe bei 5-8 %. Aktuell sind es ca. 1,45 % (Grafik 1). Das macht nur Sinn, wenn Anleger der Notenbank blind vertrauen. Konkret: sie vertrauen darauf, dass die Inflation nur für einen sehr kurzen Zeitraum hoch ist.


Es gibt auch eine andere Erklärung. In diesem Fall vertrauen die Anleger nicht auf die Beteuerung der Notenbank. Stattdessen ist es einfach Manipulation. Die Notenbank kauft ja fleißig Anleihen und erhöht so die Nachfrage. Der Staat gibt gleichzeitig so viele Anleihen aus wie selten zuvor (Grafik 2). Nicht alles wird von der Notenbank aufgekauft.

In den vergangenen 12 Monaten hat die US-Regierung pro Monat durchschnittlich 250 Mrd. an neuen Schulden aufgenommen. Tatsächlich gibt der Staat sehr viel mehr Anleihen aus, um fällig werdende Schulden zu refinanzieren. Die 240 Mrd. entsprechen dem Anstieg der Schulden und sind die Nettoausgabe. Zieht man davon die Käufe der Notenbank ab, bleiben für Anleger noch 130 Mrd. übrig (Grafik 3).

130 Mrd. ist im Vergleich zu den letzten Jahren eine stattliche Summe. An Angebot mangelt es nicht. Man fragt sich, ob die Notenbank durch ihre Nachfrage die Zinsen wirklich drückt. Das ist durchaus möglich. Sie kauft Anleihen mit frischem Geld. Der Staat hat es an die Bürger durch höheres Arbeitslosengeld und Schecks weitergegeben. Ein Teil wird gespart und in Anleihen angelegt. Die effektive Nachfrage nach Anleihen dürfte höher sein als die durch die reinen Käufe der Notenbank.

Das blinde Vertrauen, das man auf den ersten Blick erkennt, ist vielleicht weniger stark ausgeprägt, als viele denken.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Zukunft21
    Zukunft21

    Bleibt ab zu warten ob dieser Schuss nicht in den Ofen geht ! Die Inflation wird nicht nur von kurzer Dauer sein ganz im Gegenteil ich bin der Meinung die kommt erst noch so richtig in Gang. Warten wir ab und schauen was da kommt habe aber ein ungutes Gefühl bei dem Experiment der Notenbanken !

    13:00 Uhr, 11.06.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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