Smart Home: Der Kampf um die eigenen vier Wände
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Seit den 1990er Jahren gehört es zu den unvermeidlichen Ritualen eines Trend- und Zukunftsforschers, die neuesten Modellprojekte von Zukunftshäusern mit Staunen zur Kenntnis zu nehmen. Jedes Jahr neue Mikro- und Makroinnovationen, die das Zuhause noch perfekter machen. Und mit jedem neuen Exemplar an Zukunftshäusern der Verdacht, dass Wohnen in der Zukunft wie in einem Videospiel stattfindet, bei dem die Bewohner nur noch die Staffage für eine gigantischen Technologieinszenierung sind. Tatsächlich ergeben immer mehr Befragungen von gemeinen Hausbewohnern dieser Welt ("Wohnst Du noch oder lebst Du schon"), dass ein Smart Home, ein intelligentes Zuhause, zwar technisch aufgerüstet sein darf - es darf jedoch nicht bei dem Techno-Feuerwerk bleiben.
Die Menschen möchten Hightech, die in den eigenen vier Wänden zu Hightouch wird - Technologie die sich clever, aber diskret in den Dienst der Nutzer stellt und Komfort und Lebensqualität steigert. Und vor allem: sparsam und nützlich ist. Tatsächlich ist die Vernetzung von Energieströmen in Privathaushalten in höchstem Maße rational und wird bis ins Jahr 2020 eine Selbstverständlichkeit sein. Laut einer Berechnung der Energieexperten von General Electric ist es um das 70- bis 170-fache aufwändiger und kostenintensiver, eine Kilowattstunde neu zu erzeugen als sie durch kluges Einsparen zu "gewinnen".
1. Was den Zukunftsmarkt Smart Home antreibt
Tony Fadell ist ein begnadeter Designer. Eine seiner Schöpfungen ist Apples iPod. Fadell arbeitet nicht mehr für Apple. Aber er ist nach wie vor davon besessen Dinge herzustellen, die schön, nützlich und leicht handhabbar sind. In diesem Geiste hat er Ende 2011 Nest erfunden, ein wunderhübsches Thermostat, das auch noch intelligent ist. Fadell war beim Bau seines Hauses aufgefallen, dass es einfach keine schönen Wärmeregler gibt, das Design für diesen Alltagsgegenstand sich auf dem Stand der 1950er Jahre befand. Fadell entwickelte Nest, das denkende Thermostat, vor allem aus ökologischen Gründen. Wenn wir Energie sparen und dadurch CO2-Emissionen reduzieren wollen, dann - so Fadells Plan - muss es den Menschen Spaßmachen mit dem Thermostat zu "kooperieren". Nest ist ein Apple-liker Kleincomputer, der im Raum die Nutzungsgewohnheiten der Menschen lernt und auch auf Wetterumschwünge zu reagieren vermag. Zu Beginn müssen die Bewohner die Raumtemperatur noch manuell einstellen, ein paar Tage später schon denkt Nest für sie mit.
Das Haus der Zukunft hat ein komplett neues Kommunikations- und Energienetz
Was dem kleinen amerikanischen Start_Up damit in einem genialen Wurf gelang, könnte einen ganzen Markt zum Leben erweckt haben: den Markt des intelligenten Wohnens, Smart Homes. Über Nest werden Titelgeschichten geschrieben, Nest gibt den Amerikanern ihren Glauben an die eigene Innovationsfähigkeit zurück. Die Nest Labs wurden vor gerade einmal zwei Jahren in einer Garage in Palo Alto gegründet (der Apple-Mythos lässt grüßen). Energie-Management wird zum Lifestyle, wird chic und sexy. Ein gestyltes Thermostat markiert die Geburtsstunde eines neuen Marktes: Smart Homes, ökoeffiziente Eigenheime.
Jeremy Rifkin, Amerikas Trendguru Nummer eins, sagt: Wenn eine Gesellschaft seine Kommunikationsgewohnheiten (SocialMedia) und seinen Umgang mit Energie überdenkt, dann haben wir es mit einem radikalen Wandel zu tun. Rifkin hat Recht damit. Es stimmt, dass wir momentan in einer turbulenten Situation der Um- und Neugestaltung leben, die auch unseren Alltag in den eigenen vier Wänden umkrempelt. Seit Jahren halten immer neue Technologien Einzug in unsere eigenen vier Wände, das Wohnzimmer wird immer mehr zu einem Vernetzungsknotenpunkt für Unterhaltungsformate aller Art. Und seit ein paar Jahren stellen wir fest, dass wir mit Energie sinnvoller umgehen können, wenn wir sie vernetzt nutzen und/ oder gar selber vertreiben. Fadells Startup Nest steht sinnbildlich für den Wandel, der darin besteht, dass wir künftig aktiver mit Energie in den eigenen vier Wänden umgehen werden. Kein Zufall also, dass wir ausgerechnet jetzt nach dem Zukunftstrend Smart Homes fragen, nach dem intelligenten Haus der Zukunft.
Der rasante Fortschritt bei der intelligenten Steuerung von Heimelektronik und Smartphones via Spracherkennung und Gestik schürt zusätzlich die Diskussion um das Smart Home. Android-Geräte, iPhones und iPadswerden die Steuerung im vernetzten Zuhause sein, das steht jetzt schon fest. Auch Licht, Rauchmelder, Einbruchsensoren an der Tür, Bewegungsmelder und Steckdosen lassen sich ja mittlerweile leicht via Handy steuern –etwa mit den Produkten der Marke Smarthome, die der Energiekonzern RWE seit einigen Monaten vertreibt. Wie viel Strom man dabei spart, können intelligente Stromzähler ("Smart Metering") sekundengenau messen, die laut der Unternehmensberatung Arthur D. Little im Jahr 2012 in Deutschland zunehmend Verbreitung finden werden. Neuerdings lassen sich gar Türen via Handy öffnen. Der Velberter Anbieter Schulte-Schlagbaum vertreibt Schlösser, die sich öffnen, wenn man einen Nahfunkchip unter den Türknauf hält. Diese Chips werden ab 2012 auch in Handys eingebaut. Dann ersetzt das Handy den Hausschlüssel. Und auch das Mobiltelefon des Nachbarn lässt sich leicht via Internet als Schlüssel freischalten, wenn man im Urlaub ist und vergessen hat, die Blumen zu gießen.
Was die Kunden von den Smart Homes erwarten, hat sich mittlerweile klar herausgeschält: Es ist weniger Hyperluxus, sondern Alltagserleichterung. Entertainment und futuristischer Luxus wird kaum noch mit dieser Wohnidee assoziiert. Für die Anbieter heißt das, die Weichen auf ein vernetztes Wohnen zu stellen, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts (Klimawandel, Ressourcenknappheit, Erneuerbare Energien) gerecht wird. Potenzielle Kunden und Anbieter denken in die gleiche Richtung. "Der Zukunftsmarkt Energie ist ein wichtiger Teil der neuen Strategie der Deutschen Telekom", sagte im vergangenen Jahr Telekom-Vorstandsmitglied Reinhard Clemens. Die Diskussion um Smart Homes hat sich also fast um 180 Grad gedreht. Bis vor kurzem wurde mit Smart Home der Traum vom futuristisch computerisierten Eigenheim geträumt, das den mühseligen Alltag übernimmt und die Bewohner zu Hotelgästen im eigenen Haus macht. Ein Haus, das sich selbstständig organisiert und bewirtschaftet, den Kühlschrank netterweise selbst auffüllt, das Auto in die Garage fährt, schnell durchputzt, den Cocktail serviert und zur Not auch Schwiegermutters Silberbesteck gegen Eindringlinge verteidigt. Dieser Traum vom Smart Home 1.0 hat sich als Traum von Technokraten herausgestellt, denn niemand möchte wirklich in solch einem automatisierten Haushalt leben - ganz zu schweigen von dem Horrorszenario, wenn die Haushaltsautomatik einmal streikt.
Die an Smart Home 2.0 interessierten Verbraucher versprechen sich laut einer aktuellen Studie von Capgemini von intelligenten Wohnlösungen vor allem die Erleichterung des täglichen Lebens (80 Prozent), finanzielle Ersparnis (68 Prozent) sowie mehr Komfort im eigenen Zuhause (56 Prozent). "Der Unterhaltungs- und Spaßaspekt von Smart-Home-Lösungen steht eher im Hintergrund - und wird scheinbar von den Experten überschätzt, die diesem Punkt einen höheren Stellenwert als die Verbraucher beimessen", sagt Dr. Silvia Bossow-Thies, Leiterin der Studie bei Capgemini Consulting. Verbraucher und Unternehmensvertreter sind sich vor allem bei dem Punkt Energieeffizienz einig: Mit teilweise weit über 70 Prozent bewerten beide Seiten diesen Aspekt als einen sehr attraktiven Vorteil von Smart Home. Smart Home 2.0, das heißt: Komfort, aber vor allem intelligentes, ökoeffizientes Wirtschaften. Nicht weniger als sechs unterschiedliche Branchen buhlen derzeit um die Gunst potenzieller Kunden von Smart Homes: Telekommunikations-, Energie- und Versorgungsunternehmen, Anbieter von Gebäudetechnik, Hersteller von Unterhaltungselektronik- und Haushaltsgeräten, sowie IT-, Hardware- und Software- Unternehmen, die als sogenannte Smart-Home-Enabler fungieren.
Smart Home 2.0 wird früher oder später unser Leben verändern. Kein Wunder also, wenn sich Telekom-Anbieter auf der verzweifelten Suche nach Neugeschäften längst nicht mehr nur auf den Markt der intelligenten Netze beschränken - sie springen gleich auf fremde Märkte. So bietet die ungarische Tochter der Telekom bereits Strom an. Die Ungarn kooperieren dabei zwar mit Eon. Doch das muss nicht so bleiben. Denn kaum etwas ist seit der Liberalisierung der Energiemärkte leichter, als selbst Strom zu verkaufen. Die Telekomunternehmen können sich, wie die Billigstromanbieter auch, an der Strombörse mit Kilowattstunden eindecken. Die alteingesessenen Konzerne müssen jedermann ihre Leitungen zur Verfügung stellen.
2. Die Roadmap: Der Zukunftsmarkt Smart Home
Klar ist, die Konsumenten wünschen sich ein Smart Home, das von möglichst einem Anbieter schlüsselfertig geliefert wird. Für die Anbieter heißt das, dass sie viele kompetente Partner an den Start bringen müssen, um die große Kompaktlösung ("One Face To The Customer") anbieten zu können. Einstweilen gibt es noch nicht den einen Anbieter aus einer Hand. Überhaupt fehlen noch Vertriebsstrukturen und Werbewege. Wer heute als Endverbraucher ein Smart Home einrichten möchte, hat Schwierigkeiten überhaupt einen Ansprechpartner zu finden. Klar ist jedoch, dass es eine große Nachfrage gibt und auch viele Anbieter aus unterschiedlichen Branchen gierig auf die Pole Position in dem Markt sind. Alleine geht bislang jedoch kaum etwas. So werden einstweilen fleißig im Hintergrund Allianzen gestrickt. Klar ist, das Smart Home wird kommen, nach Einschätzung von Vernetzungsexperte Volker Eichener, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Wohnungswesen (InWIS) in Bochum, werden wir es schon in fünf Jahren im Baumarkt bewundern können. Wie wird sich die Einführung von Smart Home in Deutschland vollziehen? Zentrales Hindernis ist gegenwärtig die kleinteilige deutsche Wohnungswirtschaft, die wenig gewillt ist, große Investitionen in Richtung eines intelligenten Zuhauses zu machen. Denn klar ist auch: Wer Smart Home jetzt etabliert, wird auf die Begeisterung vieler Nutzer stoßen –und muss aber auch mit überdurchschnittlichen Investitionen rechnen.
Welche Unternehmen werden den Zukunftsmarkt Smart Home gewinnen; was gilt es zu beachten?
>> Für die kriselnden Telco-Klassiker bietet Smart Home eine neue Erlösperspektive
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Telekommunikation, also die Grundversorgung der Bürger mit Netzkapazität, ein auslaufendes Geschäftsmodell ist. Aktuell erleben wir einen beispiellosen Boom der mobilen Kommunikation, der jedoch kaum bei den Telco-Klassikern ankommt. Die Vernetzung des Hauses ist für sie neben dem Zukunftsgeschäft Inhalte-Plattformen jedoch ein interessantes neues Feld. Entsprechend tummeln sich die "Dinosaurier" der Netzversorgung von Deutscher Telekom über AT&T und Verizon bis hin zu Vodafone und Comcast auf diesem Zukunftsmarkt. Nachdem die Vernetzung des Zuhauses mit der Außenwelt (Internet, TV, Telefon) abgeschlossen war, folgte die Vernetzung des einzelnen in der mobilen Welt (Mobiltelefon, Smartphones, die ja eigentlich keine Telefone mehr sind). Jetzt steht die Vernetzung der eigenen vier Wände an. Und die Telekommunikationsunternehmen haben hier zweifellos gute bis sehr gute Chancen, mit Hilfe von Smart-Home-Produkten den Umsatzrückgang aus dem Stammgeschäft auszugleichen. Markenbekanntheit, technisches Know-how und die bestehenden Anschlüsse/Verträge in Häusern/Wohnungen können genutzt werden, um den Zukunftsmarkt Smart Home zu erobern. Die vorhandenen Endkundenbeziehungen lassen sich darüber hinaus gewinnbringend für Up-Selling-Möglichkeiten nutzen.
>> One Face To The Customer, sonst kommt der Markt nicht in Schwung
Auch der Capgemini-Erhebung zufolge wird von den interessierten Haushalten vor allem ein zentraler Anbieter für Smart Home gewünscht. Die Herausforderung besteht also darin, auf dem Smart-Home-Markt ein funktionierendes - und für den Verbraucher durchschaubares - Geschäftsmodell in diese Richtung zu entwickeln. Die Mehrheit der Kunden wünscht sich fraglos Angebote, die mehrere Bereiche betreffen (Energieeffizienz, Sicherheit und Komfort). Deshalb müssen die Unternehmen offen für Partnerschaften sein, denn kein Akteur bietet ein so umfassendes Angebot. Der Verkauf sollte jedoch trotzdem aus einer Hand stattfinden.
>> Für die Stromlieferanten ist Smart Metering das Einfallstor zu neuer Wertschöpfung
Smart Home macht aus reinen Stromlieferanten kundenorientierte Dienstleister für zukunftsrelevante Lebensformen (nachhaltig, altersadäquat, modern). Insbesondere die Smart Meter-Technologie ist für diese Branche das Eintrittsticket auf neue Märkte, die sehr nah an sehr emotionalen Bedürfnissen der Kunden anschließen. Größte Herausforderung bis 2015 sind ein besseres Kundenverständnis, geeignete Vertriebswege sowie ein effektives Kooperationsmanagement. Grundsätzlich stehen die Chancen, sich als ein Key Player auf dem Markt zu etablieren sehr gut, denn Energieeffizienz ist auf dem Zukunftsmarkt Smart Home über das Jahr 2015 hinaus der Schlüsseltrend.
>>Hersteller von Unterhaltungselektronik können auf Bekanntheit setzen
Markenbekanntheit sowie der Hype um mobile Endgeräte und Flachbildschirme eröffnen sehr gute Chancen in dem Teilsegment des Smart-Home-Marktes, das sich speziell mit der Vernetzung der mobilen und Unterhaltungselektronik beschäftigt. Die Durchlässigkeit hin zu den Themen Haushaltsgeräte und auch Energie wird in den nächsten 24 Monaten ebenfalls weiter steigen, so dass sich auch hier neue Anschlussmöglichkeiten für Philips, Samsung etc. ergeben.
>> Chancen für die Technikspezialisten in den eigenen vier Wänden
Home-Automation-Anbietern (Elevate, Schleupen, Devolo) wird durch die beschriebenen Smart-Home-Lösungen die Möglichkeit geboten, sich von einem Nischen- zu einem Massenmarktanbieter zu entwickeln. Der vorhandene Kompetenzvorsprung kann genutzt werden, um die Kundenbasis drastisch zu erweitern. Die detaillierte Kenntnis von Bau, Elektrik und Elektronik im Haus macht diese Branche zu einem bevorzugten Ansprechpartner für Smart Home. Manko: Bislang hat in der Branche kaum Markenbildung stattgefunden, die meisten der Anbieter operieren versteckt im B2B-Sektor. Wer hier in den kommenden Monaten die Zeichen der Zeit erkennt, könnte zu einem One-Stop-Shop-Anbieter aufsteigen und den Markt machen.
>>Was machen Apple und Google?
Natürlich schauen alle auch beim Trendthema Smart Home auf Apple, Google und Microsoft. Kommt der Apple-Fernseher, wann kommt er und so weiter. Fraglos hat gerade Apple die Digitalisierung unserer Lebensstile schon weit vorangetrieben. Ohne die Geräte der Big Player Apple und Google ist deshalb auch die Zukunft der Smart Homes nicht vorstellbar. Der für Ende 2012 gerüchteweise angekündigte Apple-Fernseher wird auf der iTunes-Plattform aufsetzen. Und natürlich spielen iPhone und iPad (in den Phantasien der Kunden und nicht nur der Ingenieure) schon längst eine zentrale Rolle. 70 Prozent der von Capgemini befragten Verbraucher äußerten, dass iPhone oder iPad auf jeden Fall bei der Steuerung eines Smart Homes zum Einsatz kommen sollten.
Das war ein Auszug aus meinem Börsenbrief Cashkurs*Trends. Neugierig geworden? Testen Sie uns unverbindlich unter www.cashkurs-trends.de
Ihr
Dirk Müller
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