Kommentar
07:05 Uhr, 07.08.2025

Sind schwache Wirtschaftsdaten aktuell gut oder schlecht?

Das Wachstum der US-Wirtschaft kühlt sich merklich ab. Schon am vergangenen Freitag war gemeldet worden, dass die US-Industrie im Juli nicht nur schon den fünften. Monat in Folge geschrumpft ist, sondern sich die Talfahrt sogar überraschend beschleunigt hat.

Darauf deutet zumindest der Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management (ISM) für das verarbeitende Gewerbe hin. Er fiel um 1,0 Punkte auf nur noch 48,0 Zähler und entfernte sich damit weiter von der 50er Schwelle, die zwischen Wachstum und Kontraktion unterscheidet. Ökonomen hatten dagegen mit einem Anstieg auf 49,5 Zähler gerechnet.

Dabei zeigte sich vor allem die Komponente für die Beschäftigung schwach. Der Teilindex fiel mit nur noch 43,4 Punkten auf ein Ein-Jahres-Tief und bestätigte damit den schwachen US-Arbeitsmarktbericht (siehe dazu "Das große Zahlen-Rätsel").

Nun entfallen auf das verarbeitende Gewerbe lediglich ca. 10 % Wirtschaftsleistung der USA, die im zweiten Quartal mit auf das Jahr hochgerechnet + 3,0 % noch sehr solide gewachsen ist. Insofern haben die Daten zur Industrie eine etwas untergeordnete Bedeutung. Allerdings zeigte sich auch der Dienstleistungssektor schwach.

US-Dienstleister nur noch mit hauchzartem Wachstum

Der entsprechende ISM-Einkaufsmanagerindex fiel nach einer deutlichen Erholung auf 50,8 Punkte im Juni auf nun nur noch 50,1 Zähler zurück und hielt sich damit nur noch hauchdünn oberhalb der Wachstumsschwelle und dem Tief der aktuellen Abwärtstendenz von 49,9 Zählern im Mai.

Hält die im Oktober 2024 begonnene Abwärtstendenz an, könnte es bald wieder Signale für eine mögliche Rezession der US-Wirtschaft geben. Zumal auch die Dienstleister zu einer Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt beitragen.

Besonders brisant: Zugleich hat die Preiskomponente der Umfrage des ISM unter den Dienstleistungsunternehmen mit 69,9 Punkten im Juli das höchste Niveau seit Dezember 2022 erreicht, also seit mehr als 2,5 Jahren.

Damals herrschte eine Inflation von 6,5 %.

Und so gerät die US-Notenbank zunehmend in eine Zwickmühle. Sie muss die Leitzinsen eigentlich relativ hoch halten, um eine Rückkehr auf ein solches Niveau zu verhindern. Zugleich drängen sie nicht nur US-Präsident Donald Trump, sondern auch die jüngsten Konjunkturdaten zu Zinssenkungen, um einer weitergehenden Abschwächung der Wirtschaft frühzeitig entgegenzuwirken.

Kann eine Zinssenkungen derzeit ein Fehler sein?

Allerdings glaube ich nicht, dass die US-Notenbank in der aktuellen Situation mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte auf der Sitzung im September viel falsch machen kann. Schließlich ist der Leitzins mit denn 4,0 bis 4,25 % immer noch relativ hoch, um Druck auf die Inflation auszuüben. Fragt sich lediglich, welches Signal damit ausgesendet wird bzw. wie die Marktteilnehmer dieses auffassen werden.

Lassen Zinssenkungshoffnungen die Aktienkurse steigen?

Angeblich haben zunehmende Hoffnungen auf sinkende Zinsen die Aktienkurse zu Wochenbeginn steigen lassen. Und wenn man sich die ISM-Daten ansieht, dann wurden diese Hoffnungen damit tendenziell befeuert. Torsten Ewert hatte am Montag berichtet, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Leitzinssenkung auf der kommenden Sitzung im September nach dem US-Arbeitsmarktbericht bei 80,3 % lag. Aktuell sind es sogar 91,2 %.


(Quelle: CME Group)

Demnach müssten die Aktienmärkte also erneut mit einem Kursfeuerwerk auf die Daten reagiert haben. Schauen wir uns dazu wieder exemplarisch den Kursverlauf des Nasdaq 100 an:

Nein, tut mir leid, kein Kursfeuerwerk zu sehen – im Gegenteil. Und somit stellt es sich aus meiner Sicht wohl so dar, dass weder die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag für den Kursrutsch verantwortlich waren – mit diesem Mythos hatte ich gestern aufgeräumt (siehe "Auf kurzen Rücksetzer folgt schon wieder enorme Stärke") – noch die zunehmenden Zinssenkungserwartungen für die anschließende Kurserholung verantwortlich waren.
Stattdessen bleibe ich dabei: Wir haben nach Trumps Forderung nach einer Entlassung der BLS-Chefin eine kurze Verkaufswelle gesehen, auf die dann wieder das typische "buy the dip"-Verhalten folgte.

Tauziehen zwischen Bullen und Bären

Seitdem findet ein Tauziehen zwischen Bullen und Bären statt. Die Bullen wollen die Rally noch nicht aufgeben. Zugleich wittern die Bären aber angesichts der schwachen Wirtschaftsdaten eine Chance für eine (saisonale) Korrektur.

Das führt bei den Aktienindizes nach dem Kurseinbruch und der starken Erholung zu tieferen Hochs und höheren Tiefs, also einer Seitwärtstendenz. So ist es zum Beispiel beim Nasdaq 100:

Und auch beim Dow Jones:

Wobei der Dow Jones das Tauziehen bereits deutlicher zeigt. Denn er hat kurzfristig wichtige Trendlinien gebrochen und läuft dabei einfach weiter seitwärts.

Ausgang: ungewiss. Es ist derzeit durchaus wahrscheinlich, dass sich die Übertreibung bald fortsetzt und eine Korrektur weiter verhindert wird. Zugleich würde ich aber nicht ausschließen, dass sich einige Anleger langsam Sorgen um die Wirtschaft machen und zu sich bei diesem (US-)Markt mit neuen (längerfristigen) Trades zurückhalten, bis weitere Signale mehr Klarheit verschaffen.

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