Kommentar
06:34 Uhr, 06.10.2016

Sind Europas Banken noch zu retten?

Die Frage ist streng genommen rhetorisch. Ohne Banken geht es nicht. Daraus ergibt sich eine unmögliche Situation: Keiner kann ohne Banken, doch ein Drittel aller Banken ist nicht überlebensfähig.

Obwohl Banken für die europäische Wirtschaft unermesslich wichtig sind, steht der ganze Sektor seit Jahren an der Klippe. Die Turbulenzen rund um die Deutsche Bank zeigen, wie düster die Lage der Banken ist. Die Wurzeln allen Übels ist dabei die Ertragslage der Banken. Das stellte nun auch der Internationale Währungsfonds fest. Der IWF geht davon aus, dass ein Drittel der europäischen Banken mit gut 8 Billionen an Assets nicht überlebensfähig ist. Diese Banken haben zwar teils hohe Kapitalrücklagen, doch da Verluste geschrieben werden, wird das Kapital über die Jahre aufgebraucht, selbst ohne neue Krise.

Seit Beginn der Finanzkrise sind die Banken der Eurozone oftmals mehr zufällig als systematisch profitabel. Grafik 1 zeigt den Return on Assets der Banken der Eurozone aufgeteilt nach ihrer Größe. Großbanken sind Banken, die mehr als 0,5 % aller Assets halten. Aktuell sind Banken demnach Großbanken, wenn sie mehr als 122 Mrd. Euro an Assets haben. Mittelgroße Banken sind Banken, die zwischen 0,005 % und 0,5 % der Assets halten, also zwischen 1,22 und 122 Mrd. Zu den Kleinbanken gehören alle, die weniger als 1,22 Mrd. an Assets halten.

Die Definition der Bankgröße der EZB ist dynamisch. Sie orientiert sich nach prozentualem Anteil an den Gesamtwerten. Es ist dadurch möglich, dass Banken plötzlich nicht mehr als Großbank gelten, obwohl sie nach wie vor die gleiche aboslute Höhe an Assets halten. Insgesamt ist die Kategorisierung jedoch grob genug, um für ausreichend Stabilität zu sorgen und somit auch eine gewisse Aussagekraft zu haben.

Gemessen an den Kategorien stehen die Großbanken überraschenderweise relativ gut da. Von 2008 einmal abgesehen haben Großbanken in jedem Jahr zumindest einen kleinen positiven Return erwirtschaften können. Kleinen Banken gelingen positive Erträge ebenfalls in den meisten Jahren. Besonders kritisch ist das Segment der mittelgroßen Banken. Sie schrieben in 6 aus 8 Jahren Verluste.

Wenn eine Bank systematisch Verluste schreibt, dann erodiert das Kapital. Verluste müssen durch das Eigenkapital aufgefangen werden. Da die Kapitalanforderungen strikter werden, bleibt Banken nichts anderes übrig, als Kapital über die Börse aufzunehmen, wenn sie ihre Kapitalquoten verbessern wollen.

Im Durchschnitt ist es den Banken gelungen, heute mehr Kapital zu halten als noch vor wenigen Jahren. Grafik 2 zeigt das Eigenkapital im Verhältnis zu den Assets. Bei kleinen Banken ist die Kapitalquote am höchsten. Sie war schon immer vergleichsweise hoch. mittelgroße Banken haben aufgeholt. Großbanken hinken der Entwicklung hinterher. Man kann erahnen, dass Großbanken in den kommenden Jahren noch mehr Kapital aufnehmen müssen.

Dieser Schluss liegt auch deshalb nahe, weil Großbanken die geringsten Margen im klassischen Bankgeschäft haben. Grafik 3 zeigt die Nettozinsmargen der Banken. Großbanken haben seit 2007 zwar aufgeholt, doch sie hinken anderen Instituten nach wie vor hinterher.

Eine positive Zinsmarge bedeutet noch nicht, dass eine Bank auch Gewinne schreibt. Die Nettozinsmarge beschreibt die Differenz aus Zinsen, die die Banken von ihren Kunden erhalten und ihren Finanzierungskosten. Aus dieser Marge müssen Banken ihre ganze Infrastruktur und ihr Personal finanzieren.

Großbanken verdienen im Kreditgeschäft zu wenig und die Kostenquoten sind zu hoch. Zudem schleppen viele Großbanken noch immer Bilanzsummen mit sich herum, die widersinnig sind. Immerhin hat sich die Konzentration in der Eurozone seit 2008 nicht verschärft. Großbanken halten insgesamt weniger als 70 % aller Assets. Das sind 8 Prozentpunkte weniger als vor der Krise.

Großbanken sind immer noch dominant und die Ertragslage ist alles andere als ermunternd. Der Return on Assets ist derzeit positiv, doch mit weniger als einem halben Prozent ist die Rendite einfach zu niedrig. Der Return on Equity liegt je nach Größe der Banken zwischen 2 % und 5 %.
Nun sind die Zeiten vorbei, in denen Topmanager eine Eigenkapitalrendite von 20 % anstreben können, doch 5 % sind zu niedrig. 5 % sind zu niedrig, weil Banken bei diesen Renditen Schwierigkeiten haben überhaupt noch Investoren zu finden. Wenn ich als Investor die Wahl habe mein Geld einer Bank zu geben, wenn sie eine Kapitalerhöhung durchführt oder in ein solides Industrieunternehmen zu stecken, dann ist die Sache absolut klar. Banken haben ein hohes Risiko und bieten keine Rendite. Wieso sollte man unter diesen Bedingungen Kapital bereitstellen?

Die EZB sieht das Problem, weist allerdings jegliche Verantwortung von sich. Bis zu einem gewissen Grad kann sie dies mit Recht tun. Die Nettozinsmargen sind etwas gesunken, pendeln sich nun aber ein. Beschweren kann sich da eigentlich niemand.

Das Problem ist nun allerdings nicht die Nettozinsmarge per se. Banken müssen ihr Personal und ihre Infrastruktur aus den Zinseinnahmen beszahlen. Jeder Basispunkt, der bei der Zinsmarge wegfällt, muss bei den Kosten eingespart werden. In Deutschland erleben wir das besonders prominent bei der Deutschen Bank und der Commerzbank. Beide hangeln sich von einer Kündigungswelle zur nächsten, um die Kosten den niedrigeren Zinsen anzupassen.

Draghi sieht die Sache relativ nüchtern. Die Zinsmargen sind zwar dünn, doch wenn sich Banken einfach weigern, ihre Kostenstruktur anzupassen, dann ist das nicht das Problem der EZB, sondern der Banken. Es ist einfach schlechtes Management, wenn die Kosten nicht der Ertragslage angepasst werden.

Als Lösung des Problems wird unter anderem eine Konsolidierung der Branche herbeigesehnt. Es gibt zu viele Banken mit zu hohen Kosten. Banken sollten sich daher zusammenschließen. Ob das nun wirklich sinnvoll ist, sei dahingestellt. Kleine Banken sind im Durchschnitt deutlich besser aufgestellt als mittelgroße Banken.

Eine Konsolidierungswelle würde letztlich zu einer Zweibanken-Welt führen. Mittelgroße Banken würden verschwinden. Auf der einen Seite würden die Großbanken immer größer und auf der anderen Seite gäbe es kleine Spezialbanken bzw. Kleinbanken im ländlichen Gebiet.

Ob die EZB die Forderung nach einer Konsolidierung wirklich durchgedacht hat, steht in den Sternen. Je größer eine Bank ist, desto größer ist auch das Risiko für das gesamte Finanzsystem. Eigentlich sollte eine übermäßige Konzentration nicht erwünscht sein. Es hilft auch nicht, wenn sich zwei kranke Banken zusammenschließen. Aus zwei kranken Banken zusammen wird nicht plötzliche eine gesunde.

Eines ist klar: so wie bisher kann es auf Dauer nicht weitergehen. Das europäische Bankensystem steht seit Jahren an der Klippe. Wird das Problem nicht gelöst, ist es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis Banken über die Klippe gehen und fallen. Eine offensichtliche Lösung gibt es nicht. Steigende Zinsen sind derzeit kein Ansatz. Bis die Kostenstrukturen angepasst sind, vergehen noch Jahre. Es hilft auch nicht, wenn sich mehrere kranke Banken zusammenschließen.

Das Bankensystem darf natürlich nicht zusammenbrechen. Die Lage ist jedoch verfahren. Es wird noch Jahre dauern, bis die Branche aus dem tiefen Loch herauskommt, dabei bräuchte die Branche und ganz Europa schnell eine Lösung und nicht erst in ein paar Jahren.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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