Kommentar
10:07 Uhr, 04.03.2011

SGL Carbon: Die umkämpfte Leichtbau-Zukunft

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Da staunten Marktbeobachter nicht schlecht: Volkswagen hat sich mit gut 8% am Carbon- und Graphitspezialisten SGL Carbon SE beteiligt. Pikant ist das deswegen, weil BMW-Großaktionärin Susanne Klatten (12,5%) über ihr Investmentvehikel Skion 22,25% an SGL hält. BMW und SGL wiederum betreiben in den USA ein Joint-Venture; die SGL Automotive Carbon Fibers LLC (SGL: 51%, BMW: 49%). Auch in Deutschland gibt es ein Gemeinschaftsunternehmen: die SGL Automotive Fibers GmbH&Co KG (gleiche Stimmrechtsaufteilung).

Bei der neuen Zusammenarbeit geht es um die Produktion von Carbonfasern für den Automotive-Leichtbau. Die Fasern werden in den USA hergestellt (der hohe Energiebedarf wird dabei durch Wasserkraft gedeckt, was wohl schon alleine aus Imagegründen sehr wichtig ist), und in Deutschland zu einem Geflecht verarbeitet.

Leichten Karosserien auf Carbonbasis wird von Kennern eine große Zukunft vorausgesagt; sie bieten hohe Sicherheit bei niedrigem Gewicht und sind damit die ideale Grundlage für die kommenden Generationen von Elektroautos, helfen selbstverständlich aber ebenso konventionellen Treibstoff einzusparen.

Eine keineswegs triviale Aufgabe ist die Herstellung und Flechtung der Fasern, noch ist die Produktion teuer und erzeugt hohe Ausschussraten. Aber wie bei neuen Technologien üblich ist die Lernkurve steil. Und in Jahrzehnten betrachtet dürfte die Carbonkarosserie - kombiniert mit Kunststoffen - Standard sein. Dass man als führender Kfz-Hersteller bei dieser Zukunftstechnologie dabei sein will, ist verständlich. Im Hause VW hat man vielleicht nicht zu Unrecht befürchtet, dass SGL Carbon künftig exklusiver Technologie- und Know-how-Lieferant für BMW werden könnte. Der Münchner Autobauer will die Carbonfasern unter anderem ab 2013 in seinem [Link "Megacity Vehicle" auf www.bmw.de/... nicht mehr verfügbar] verbauen. Der verwendete Werkstoff nennt sich CFK: Kohlenstoff-faserverstärkter Kunststoff.

Dass man bei Skion und BMW nun nervös wird, ist mehr als verständlich. Klatten hat bereits angekündigt, dass man bei SGL Carbon schnell auf eine Sperrminorität (25%) aufstocken könnte. Und tatsächlich würde es uns nicht verwundern, wenn eine derartige Stimmrechtsmitteilung schon bald veröffentlicht wird.

SGL ist auch jenseits des Leichtbaus ein hochinteressanter Wert. Die Produkte auf Kohlenstoff- bzw. Graphitbasis (ähnlich wie der Diamant eine besondere Form des Kohlenstoffs) werden z.B. benötigt für Herstellung von Elektroden, Kathoden, Hochofenauskleidungen und Hochleistungsprodukten für die Wind-, Luft- und Raumfahrtindustrie. Den Kreis zum Automobilbau schließt das Business-Segment »New Markets«: Hier werden Schlüsselkomponenten für moderne Batteriesysteme (z.B. auf Lithium-Ionen-Basis) entwickelt. Auch Baustoffe mit klimatisierenden Eigenschaften gehören in dieses vielleicht spannendste Segment des Konzerns.

Was sagen die Zahlen? In den ersten neun Monaten des Jahres 2010 konnte SGL den Umsatz um 12,3% auf 1 Mrd. EUR steigern. Im Gesamtjahr 2010 soll das EBIT nun nach zwei Prognoseerhöhungen bei 130 Mio. EUR landen - am 17. März wird der Geschäftsbericht veröffentlicht. Der Umsatz sollte 1,35 Mrd. EUR erreicht haben. Vor der Wirtschafts- und Finanzkrise erwirtschaftete der Konzern EBIT-Margen von rund 18% (2007) und 14% (2007), aktuell ca. 10%. 150 bis 160 Mio. EUR EBIT bei moderatem Umsatzwachstum sind derzeit in der Planung für 2011. Damit ergibt sich eine KGV-Bewertung von deutlich über 20 auf Basis 2011. Nicht billig, aber wir befinden uns hier auch in einem aussichtsreichen Zukunftsmarkt.

Die grundsätzlich nicht unsolide Bilanz kommt auf 42% EK-Quote. Bilanzqualität und Gewinnaussichten könnten aber für das, was jetzt passiert, ohnehin sekundär sein: VW und BWM wollen sich strategisches Know-how sichern. (dk)

SGL Carbon SE
ISIN: DE0007235301
Kurs: 29,20 EUR
Aktienzahl: 65,5 Mio.
Börsenwert: 1,91 Mrd. EUR
Internet: www.sglgroup.com

Stärken/Schwächen + starke Stellung im Carbonmarkt
+ Profiteur des Trends zum Leichtbau
+ hohes Wachstumspotenzial, Kohlenstoff könnte viele andere Rohstoffe ersetzen
- relativ hohe Bewertung

Fazit: Daniel Kühn

Hochspannend! Achten Sie in diesem Fall nicht allzu sehr auf die Bewertung - wegen dem KGV brauchen Sie SGL sicher nicht zu kaufen! Analysten und Journalisten erwarten seltsamerweise kein Bietergefecht. Ich bin da ganz anderer Meinung, zumal der Börsenwert aus strategischer Sicht ein Klacks ist. VW beteiligt sich ja nicht, um mit der Aktie Geld zu verdienen, sondern um sich Technologie zu sichern. Denkbar wäre, dass neben Klatten auch BMW direkt Anteile an SGL erwirbt. Am Ende könnte es aber natürlich auch darauf hinauslaufen, dass BMW und VW im Bereich Leichtbau ganz eng aneinander rücken. Der Gewinner heißt in jedem Fall: SGL!

Chance: 4
Risiko: 2

Fazit: Engelbert Hörmannsdorfer
KGV-mäßig betrachtet kein Schnäppchen - aber hier geht es um strategische Technologien für die Märkte der Zukunft. Kurzfristig denke ich, dürfte sich der Kurs erst noch mal beruhigen. Aber bereits der mittelfristige Trend nach oben ist vorgezeichnet. Mein Kursziel: 40 EUR.

Chance: 3
Risiko: 2

http://www.outperformer.de

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten derzeit nicht investiert.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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