Kommentar
11:40 Uhr, 10.08.2011

Scope legt aktuelle Zertifikate-Halbjahresstudie vor

Vor kurzem legte Scope Analysis ihre halbjährliche Studie zum Zertifikatemarkt vor. Sie bestand in einer quantitativen Analyse von 200.000 Produkten von 27 Emittenten, die im Zeitraum von 1. Januar bis 30. Juni 2011 untersucht wurden. Vor dem Hintergrund des einmal stattfindenden Scope Management Ratings „Zertifikate“, das im Mai vorgelegt wurde, waren hier die Auswertungen in Bezug auf die Emittentenqualität von besonderer Bedeutung. Die Einteilung erfolgte dabei in die Bereiche Pricing, Spread, Bonität und Produktvielfalt.

Beim Pricing, also der Stellung der fairsten Preise, schlug das „gelbe Imperium“, die Commerzbank eindrucksvoll zurück und holte sich den zuletzt für kurze Zeit an Vontobel verlorenen ersten Platz wieder. So mussten die Schweizer diesmal mit dem zweiten Rang vor der DZ-Bank Vorlieb geben, die ihren Platz auf dem „Stockerl“ verteidigen konnte. Auch die Spread-Wertung, bei der es um die im Anlegerinteresse stehende möglichst geringe Geld-/Briefspanne zwischen An- und Verkaufskurs, sowie deren Stabilität geht, holte sich mit einem ordentlichen Satz von Rang vier die Commerzbank und verdrängte den bisherigen Spitzenreiter Macquarie Oppenheim auf Platz zwei, gefolgt wiederum von Vontobel.

Ein nicht ganz unwichtiges Thema zwischen „Lehman“ auf Unternehmens- und vielleicht schon bald auf Länderebene stellt die Emittenten-Bonität dar, für deren Beurteilung Scope das sehr viel schneller umsetzbare Ausfallrisiko in Form der sogenannten Credit Default Swaps (CDS) einerseits, sowie die Ratings der großen amerikanischen Agenturen andererseits heranzieht. Die Gewichtung erfolgt dabei dynamisch, d.h. je niedriger die Bonität, desto höher die Gewichtung, damit z.B. die Einordnung von attraktiven Produkten „schlechter“ Anbieter ins rechte Bild gerückt werden kann. Im Hinblick auf die CDS zeigte sich beispielsweise im Mittel über die 27 Emittenten bereits von April bis zum Schluss des Betrachtungszeitraums eine Verschlechterung von etwa 85 auf 105 Basispunkte, was bereits Ende Juni, also noch einige Wochen vor dem derzeitigen Ausnahmezustand an den Märkten auf stärkere Unsicherheiten hindeutete.

Woran kann man einen anlegerfreundlichen Emittenten noch erkennen, an seiner Produktvielfalt, dies ist zumindest die Meinung von Scope Analysis, bei der man aber durchaus Verständnis für sogenannte Nischenanbieter aufbringt. Trotzdem kann der Sieger nur ein Massensortimenter sein, wobei auch hier die Gelben aus der „Zertifikate-Liga“ ihren Titel wieder verteidigen konnten, ein Vorhaben, das der BVB im Fußball trotz des vielversprechenden Starts erst noch umsetzen muss.

Ein viel diskutiertes Thema, die seit 1. Juli vorgeschriebenen 3-seitigen Produktinformationsblätter (PIBs), die von so manchem Zertifikate-Experten eher als überflüssig beurteilt werden, wurden in der aktuellen Scope-Studie ebenfalls ausführlich in Bezug auf Vorgabenerfüllung, Verständlichkeit, Gestaltung, Aktualität und Platzierung auf der Internetseite thematisiert, auch wenn sie von Emittent zu Emittent verschieden natürlich noch nicht ganz in die gesamte Produktpalette eingebunden wurden. Dabei zeigt sich vor allem, dass das „Pflichtprogramm“ von den betrachteten 24 Anbietern weitgehend beherrscht wird, wenngleich in Ausnahmefällen auch Fehler bei der Seitenzahl bzw., was deutlich schwerwiegender ist, bei den Szenario-Beispielen vorkommen. Allerdings trennt sich in der „Kür“ die Spreu vom Weizen, wie Scope dazu bemerkt, wobei die größten Unterschiede in der Aktualität zu finden sind. Während Anbieter wie HSBC Trinkaus nicht nur wie z.B. Die Deutsche Bank oder die HypoVereinsbank Realtime-Kurse bei Basiswert und Zertifikat anbieten, sondern diese auch zeitgenau in Relation zu den Produktvorgaben setzen, verzichten andere wie beispielsweise Morgan Stanley ganz auf aktuelle Kurse. Weitere Zusatzinformationen betreffen wie bei der Deutschen Bank die Erläuterung des Basiswertes, was besonders dann Sinn macht, wenn es sich nicht nur um eine Einzelaktie, den DAX oder Euro STOXX 50 handelt, sowie den zusätzlichen Ausweis der Depotkosten wie bei der HypoVereinsbank. Eine Information, die freilich Kunden anderer Finanzinstitute kaum interessieren dürfte.

Die wichtigste Feststellung kommt bei Scope wohl im Fazit, „das PIB allein genügt nicht“ und mündet in der Aussage, nachdem Privatanleger „ohne Vorkenntnisse mit diesen Papieren als einzige Informationsquelle wohl überfordert wären“. Der Begriff „Beipackzettel“, der auch bei Arzneien wohl von den wenigsten Patienten vollständig durchgelesen wird, sagt deshalb eigentlich alles über den Wert dieser neuen umfassenden „Pflichtlektüre“ aus, die bei so manchem Emittenten leider inzwischen weitaus sinnvollere frühere Standard-Publikationen ersetzt hat. Dies scheint zumindest bei der Commerzbank nicht der Fall zu sein, da Scope Analysis bei der Recherche dort interessanterweise neben den gesetzlich vorgeschriebenen PIBs auf sogenannte „Produktportraits“ stieß, die weitaus informativer gestaltet waren. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der „Fehlerteufel“ bei aller Aktualität möglichst selten in so manches Produktinformationsblatt einschleicht und sich Berater wie Anleger nicht allein darauf verlassen.

In der gleichzeitigen Befragung von Scope Analysis unter Emittenten und Vertrieben strukturierter Produkte begrüßten zumindest 80 Prozent aller Teilnehmer das PIB, wenngleich die Berater in der halbjährlichen Befragung zum „Geschäftsklimaindex Zertifikate“ in Sachen „Aufklärungsarbeit und Transparenz der Emittenten“ nur zu 14 Prozent für eine starke und zu 38 Prozent für eine geringfügige Verbesserung votierten. Keine Verbesserung konnte dagegen mit 48 Prozent immerhin fast die Hälfte der Befragten erkennen. Mit der aktuellen Lage am Zertifikatemarkt zeigten sich sowohl Emittenten als auch Berater weitgehend zufrieden, wobei 90 Prozent der Produktentwickler die Geschäftslage als gut bzw. sehr gut einschätzten. Bei den 40 befragten Vertrieben war man durchweg etwas zurückhaltender. Zumindest gab es keinen, der die Situation als sehr gut bezeichnete, wenngleich die viel beschworene Alternativlosigkeit am Anlagemarkt viele Investoren zu Zertifikaten und hier speziell zu attraktiven Garantie-Produkten trieb. Auf die Frage nach der Marktentwicklung im zweiten Halbjahr 2011, die sich aus heutiger Sicht durch den gegenwärtigen Finanzmarkt-Crash so überraschend stark eintrübt, waren wiederum die Berater deutlich verhaltener optimistisch als ihre eifrigen Zertifikate-Lieferanten und sahen den ungelösten Schuldenproblemen realistischer ins Gesicht. So rechneten hier immerhin 15 Prozent mit einer unbefriedigenden bis schlechten Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte, während die Emittenten allenfalls von einem befriedigenden Geschäft ausgingen, und acht Prozent sogar eine sehr gute Entwicklung erwarteten.

Vor dem Hintergrund der Studie konnte es auch bei den Scope Management Ratings „Zertifikate“ im Mai nur einen Sieger geben, die Commerzbank, die mit ihrer überzeugenden Pricing- und Spreadpolitik punkten konnte. Auf Platz zwei kam HSBC Trinkaus, die gerade bei den beiden sensiblen Kategorien Finanzstruktur und Kundenservice besonders gut wegkam, bei denen die meisten ihrer Konkurrenten Probleme hatten. Rang drei ging an die DZ-Bank.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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