Kommentar
07:54 Uhr, 07.01.2015

Schwellenländeraktien: Warum 2015 ein trauriges Jahr wird

Seit 2007 schleppt sich der weltweite Schwellenländerindex seitwärts. Mit etwas Glück geht es 2015 weiter wie bisher. Es könnte allerdings auch ein gewaltiger Kurssturz drohen.

Was nicht steigen will, das will fallen – oder so ähnlich könnte das Motto für Schwellenländeraktien in diesem Jahr lauten. Seit 2007 wurde kein neues Hoch mehr markiert. Die aktuelle Seitwärtsbewegung geht inzwischen in ihr sechstes Jahr. Rechnet man die Zeit vom letzten Hoch mit dazu, dann geht es ins achte Jahr. Nach so langer Zeit baut sich einiges an Spannung auf. In welche Richtung sich diese entlädt, das kann man nur vermuten. Die aktuelle Lage sieht nicht gut aus. Das liegt allerdings vor allem an dem starken Einbruch russischer Aktien in der zweiten Jahreshälfte.

Russland dürfte sich 2015 weiterhin nicht als Stabilitätsanker präsentieren. Solange die Ölpreise fallen und der Ukrainekonflikt nicht gelöst ist, ist kaum mit einem nachhaltigen Aufwärtstrend zu rechnen. Die größten Positionen des Index sind allerdings nicht russische, sondern asiatische, allen voran chinesische und südkoreanische. Dass die Rallye bei chinesischen Aktien dem MSCI Emerging Markets so gut wie nichts gebracht hat, zeigt wie schlecht die anderen Märkte gelaufen sein müssen.

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2015 dürfte sich das nicht unbedingt ändern. Dafür gibt es mehrere Gründe. Solange Anleger an die Zinswende in den USA glauben wird weiter Geld aus Schwellenländern zurück in den Dollarraum fließen. Das hilft weder den Aktien in Emerging Markets noch hilft es der Wirtschaft. Direktinvestitionen sind rückläufig. Das schwächt die Wirtschaften direkt. Indirekt lastet die Dollaraufwertung auf den Schwellenländern. Die lokalen Währungen werten ab, was Importe teurer macht. In den meisten Ländern steigt die Inflation. Die Zentralbanken reagieren mit Zinserhöhungen. Auch das unterstützt nicht gerade die Wirtschaft. Ohne Wirtschaftswachstum steigen auch nicht die Gewinne von Unternehmen. Ein Ausbruch nach oben ist da kaum vorstellbar.

Die Dollaraufwertung kann noch zu großen Problemen führen. In den vergangenen Jahren haben sich Unternehmen aus Schwellenländern im Ausland stark verschuldet. In den vergangenen drei Jahren wurden knapp 300 Mrd. USD jährlich an USD Anleihen ausgegeben. Grafik 2 zeigt das jährliche Emissionsvolumen und den Emerging Market USD Index. Der gewöhnliche USD Index enthält vor allem Währungen wie Euro oder Pfund. Der hier dargestellte Index enthält nur Schwellenländerwährungen. Die Aufwertung des USD ging ziemlich schnell vonstatten. In diesem Tempo wird sich die Aufwertung wahrscheinlich nicht fortsetzen. Eventuell kommt es 2015 sogar zu einer Verschnaufpause. Für Unternehmen kann das eine Überlebensfrage werden.

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Die in Dollar ausgegebenen Schulden werden mit der Dollarstärke mehr. Grafik 3 zeigt die Summe ausstehender Anleihen. Bei ungefähr 1 Billion USD würde eine Aufwertung des USD von 7% eine zusätzliche Belastung von knapp 70 Mrd. USD für Unternehmen bedeuten. Diese Größe ist rein rechnerisch. Die Kosten fallen nur an, wenn auch tatsächlich Schulden zurückgezahlt werden. Von den langfristigen Schulden wird in den kommenden ein bis anderthalb Jahren ca. ein Fünftel fällig.

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Unternehmen haben aber nicht nur mittel- bis langfristig laufende Verbindlichkeiten, sondern auch kurzfristige. Laut Weltschuldenbericht 2015 der Weltbank lagen die Gesamtauslandsschulden von Unternehmen aus Schwellenländern bei knapp 1,4 Billionen USD. 2014 sind wahrscheinlich noch einmal 200 Mrd. hinzugekommen. Die kurzfristigen Schulden und der Teil der langfristigen Schulden, die 2015 zurückgezahlt werden müssen, liegen bei mehreren hundert Milliarden USD. Durch die Aufwertung des USD müssen Unternehmen Mehrkosten im Bereich von 30 Mrd. USD in Kauf nehmen.

35 Mrd. USD sind weltweit vielleicht nicht viel. Im Einzelfall kann es durchaus Auswirkungen haben. Der brasilianische Markt handelt derzeit zu einem KGV von 7. Die Marktkapitalisierung liegt bei gut 800 Mrd. Brasilianische Unternehmen verdienen also gesamthaft gut 100 Mrd. pro Jahr. Müssen Unternehmen 2015 nun mehr für ihre Schulden zahlen (im Fall von Brasilien ca. 7 Mrd.), dann reduziert sich die Profitabilität – und zwar durchschnittlich um 5%.

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Das alles bringt keinen Aktienmarkt zu Fall. Es limitiert aber auch die Fantasie für übermäßige Kurssteigerungen. Das KGV des brasilianischen Gesamtmarktes ist bereits sehr niedrig. Das verlockt. Kommt die Wirtschaft aber nicht in Gang, dann dürften die Gewinne eher sinken als steigen. Ein momentan niedriges KGV ist nicht automatisch billig. Das ändert sich erst, wenn das Wachstum wieder anzieht. Das ist derzeit nicht in Sicht. Dafür sorgen nach wie vor sinkende Rohstoffpreise, hohe Zinsen und hohe Inflation.

Was Rohstoffexporteuren wie Brasilien zu schaffen macht, das freut andere. Nettoimporteure von Rohstoffen können sich freuen. Dazu gehören die meisten asiatischen Länder. Diese sollten 2015 weiter zulegen können, während vor allem die südamerikanischen weiter konsolidieren oder fallen.

Das wahrscheinlichste Szenario für 2015 ist ein weiteres Jahr der Stagnation global gesehen. Einzelne Märkte, wie z.B. Taiwan, können outperformen. Plan B sieht einen Kurssturz nach unten vor. Das könnte vor allem dann der Fall sein, wenn ein Schwellenland wie Venezuela zahlungsunfähig wird. Das dürfte zu erhöhter Kapitalflucht aus Schwellenländern führen. Dann sähe der Chart des MSCI Emerging Market sehr ähnlich zu dem von Rohöl in 2014 aus.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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