Kommentar
08:13 Uhr, 23.10.2015

Schuldenberge: Das ist die einzige realistische Option

Die Uhr tickt – laut und deutlich. Die Welt steht vor einem großen Problem. Es ist aller Wahrscheinlichkeit so groß, dass es einer radikalen Anpassung bedarf.

Die globalen Risiken haben in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Zu diesen Risiken zählt auch die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft, doch im Vergleich zu den anderen Risiken ist das noch verkraftbar. Die größten Gefahren liegen heute im Nahen Osten und in den weltweiten Schulden.

Der Nahe Osten steht am Rande des Chaos. Grund dafür ist vor allem die Lage in Saudi Arabien, welches sich durch den Iran und Russland bedroht sieht. Details dazu finden sich in einem früheren Artikel von mir. Hier soll es nicht um die Lage im Nahen Osten gehen, sondern um die weltweiten Schulden.

Neben der Destabilisierung einer ganzen Region und all ihren Folgen (Krieg, noch mehr Flüchtlinge, explodierende Ölpreise und Inflationsschock) ist der weltweite Schuldenberg die größte Gefahr für wirtschaftliche Stabilität. Sie wird nicht als solche wahrgenommen, weil sie nicht so greifbar ist wie der Ausbruch eines Krieges. Die Lage eskaliert auch nicht von heute auf morgen, sondern über Jahre.

Wie lange es dauern kann bis die Schuldenlast zu einem Kollaps führt haben die vergangenen Jahre gezeigt. Vor 4 Jahren hatte ich das Thema zum ersten Mal kritisch beleuchtet. Jetzt, 4 Jahre später, steht die Welt immer noch. Es ist sogar gut möglich, dass die Schulden die Weltwirtschaft auch in 4 Jahren noch nicht vollkommen zerdrückt haben.

Keiner weiß, wann die globale Schuldentragfähigkeit soweit überschritten ist, dass es einfach nicht mehr geht. Man kann allerdings mit relativ hoher Sicherheit von einem Anpassungsbedarf ausgehen. Es wird ihn geben, nur wann, das bleibt derzeit noch offen.

Die Grafik anbei zeigt die Entwicklung der weltweiten Schulden. Zwischen 2005 und 2015 stiegen diese um 90% an. Die Weltwirtschaftsleistung wuchs im selben Zeitraum um 70%. Es braucht keine höhere Mathematik, um zu erkennen, dass es auf Dauer nicht gut gehen kann, wenn die Schulden deutlich schneller wachsen als die Wirtschaftsleistung.

Die schnell steigenden Schulden sollten das Wachstum eigentlich ankurbeln. Inzwischen geht diese Rechnung in den meisten Ländern nicht mehr auf. Für jeden Euro zusätzliche Schulden wächst die Wirtschaft um weniger als einen Euro. Wie soll unter diesen Umständen der Kredit jemals wieder zurückgezahlt werden?

Das Paradoxe an der Lage ist, dass höhere Schulden zu noch höheren Schulden führen. Inzwischen müssen geschätzte 12,5% des Weltwirtschaftsproduktes Jahr um Jahr für Zinszahlungen aufgebracht werden. Je höher die Schuldenberge wachsen, desto höher wird dieser Betrag. Das gräbt Konsumenten und Staaten das Wasser ab. Weil sie so viel für Zinszahlungen ausgeben müssen, können sie ihre Ausgaben nicht mehr aus eigener Kraft stemmen. Um das zu kompensieren, müssen noch höhere Schulden aufgenommen werden.

Japan ist ein Extremfall, zeigt aber sehr gut, was auf die meisten Länder in der Welt zukommt. Das Land ist so hoffnungslos überschuldet, dass selbst Zinsen unter einem Prozent zu viel sind. Besser wird das in Zukunft nicht. Nicht nur Japan überaltert, die ganze Welt hat dieses Problem. Dabei geht es nicht nur darum, wie schnell die Weltbevölkerung wächst, sondern vielmehr darum, wie viele Menschen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung arbeiten. Der Anteil der nicht arbeitenden zur arbeitenden Bevölkerung wächst global. De facto ist das ein Überalterungsproblem, selbst wenn die Bevölkerung an sich noch wächst.

Um eine überalternde Bevölkerung tragen zu können, müssen entweder Schulden aufgenommen werden oder die Rendite für Erspartes muss sehr hoch sein. Rendite ist kaum zu haben. Die Vorsorge durch Lebensversicherungen, Sparkonten usw. ist bei weitem nicht ausreichend, um das demographische Desaster zu kompensieren. Es bleibt nur die Möglichkeit der Schuldenaufnahme.
Die Rendite für Erspartes lässt sich inzwischen nicht mehr durch Zinssteigerungen retten. Die Zinsen müssten so hoch steigen, dass die Schuldenberge nicht mehr leistbar wären. Es ist ein Teufelskreis, der früher oder später durchbrochen werden muss.

Schuldenabbau durch Sparen ist für die meisten Länder keine Option. Es ist politisch nicht durchsetzbar. Ohne Schuldenabbau geht es jedoch nicht. Die „Weginflationierung“ der Schulden, die noch am verträglichsten ist, funktioniert nicht. Die Inflation bleibt auf absehbare Zeit niedrig, selbst wenn sie mittelfristig auch wieder auf 2% steigen wird, wenn Rohstoffpreise erst einmal wieder zu steigen beginnen.

Das einzige, was den Schuldenberg abtragen kann – vorausgesetzt, Inflation und Sparen sind keine realistische Option – sind negative Zinsen. Das ist die einzige politisch tragbare Möglichkeit. Wirtschaftlich gesehen gibt es natürlich auch andere Optionen. Eine mehrjährige wirtschaftliche Depression würde durch Insolvenzen zwangsweise Schulden beseitigen. Will man eine wirtschaftliche Depression verhindern, dann bleibt nur eine Möglichkeit: immer weiter sinkende Zinsen.

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23 Kommentare

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  • hansdampf
    hansdampf

    Ich wundere mich, dass eine denkbare Lösung des Schuldenproblems kaum angesprochen oder angedacht wird. Denn letztlich läuft diese denkbare Lösung doch bereits: Die Schulden werden einfach von den Zentralbanken aufgekauft, und eines schönen Tages werden diese Schulden einfach "erlassen" - natürlich nicht offiziell und natürlich erst bei einer extremen Notlage, wenn der nächste deflationäre Schock da ist. Die ZB verzichtet großzügig auf Kuponzahlungen und die Rückzahlungen werden auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Die Anleihen verschimmeln dann in der ZB-Bilanz, oder werden vielleicht sogar in eine Bad-Bank ausgelagert (interessant, oder? Wie sieht wohl die Bad Bank einer Zentralbank aus? Aber keine Sorge, man wird sich was einfallen lassen, zur Not springt der IWF als "letzte Instanz" auch noch ein).

    Normalerweise würde sowas natürlich einen sofortigen Vertrauensverlust in die Währung, extremen Wertverfall und Inflation zur Folge haben. Deshalb müssen die ZB mit solchen Aktionen auch warten, bis die Weltwirtschaft wieder einmal am totalen deflationären Schuldenausfall-Abgrund steht (ein größeres Bauernopfer wird natürlich runtergestoßen!). Man wird die ZB dann um solche Aktionen anbetteln und hinterher wieder mal die Füße küssen, weil sie die Weltwirtschaft im letzten Moment vor dem totalen Kollaps gerettet haben. An Inflation wird laut gedacht, und wäre ja (in Maßen) auch wünschenswert. Zur hyperinflation kommt es aber wohl nicht, denn diese kann letztlich nur durch gleichermaßen steigende Löhne und Konsum erzeugt werden, und das kann man kontrollieren. Auch die grundlegenden Kräfte bleiben weiterhin deflationär (Überschuldung durch Zinseszins).

    Die USA sind bei diesem Szenario wieder mal ein Stück weiter als EZB oder BoJ. Denn dort hat man ja nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Hypothekenpapiere gekauft. So kann man bei Bedarf nicht nur den Staat entschulden, sondern auch andere Wirtschaftsteilnehmer.

    15:04 Uhr, 23.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Hoeli
    Hoeli

    Knapp 1000 Punkte innerhalb einer Woche. Und das nach einem 700 Punkte Anstieg. Wat is dat hier nur?

    Und nächste Woche geht wahrscheinlich wieder die Welt unter.

    Ich werd mal ne Freundschaftanfrage an Mario Draghi schicken. Auf die Charts kannst dich ja nicht mehr verlassen. ;-)

    13:43 Uhr, 23.10.2015
  • RedFox
    RedFox

    die vorgehensweise der (zumindest in den USA illegalen) notenbank ist ekelerregend!

    13:02 Uhr, 23.10.2015
  • Hoeli
    Hoeli

    Die Wirtschaftwoche macht uns heute mal wieder deutlich wie die Rollen verteilt sind.

    "Lockere Geldpolitik beruhigt nervöse Weltbörsen".

    Ich dachte immer die EZB hätte das Mandat der Geldwertstabilität. Aber anscheinend ist sie auch dafür da die Weltbörsen zu beruhigen.

    Wie beruhigend.

    12:33 Uhr, 23.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    Lieber Herr Schmale.

    es wird Zeit, dass Kredite und besonders die Zinszahlungen an die Leistungsfähigkeit der Schuldner angepasst werden.

    Auch Deutschland hat in der Schuldenkonferenz von 1953 in London mit den "Gläubigern" vereinbart, die Schulden zu kürzen und den Rest durch die jeweiligen Leistungsüberschüsse zu tilgen. Das ist der Königsweg, mit dem Schuldner und Gläubiger MITEINANDER leben.

    Die hemmungslose Zinswucherei, dessen Trend nur nach oben weist, hat mit der Realwirtschaft,die in natürlichen Wirtschaftskreisläufen von Erzeugung und Verbrauch/Recycling funktioniert, nichts zu tun bzw. entfernt sich von ihr immer mehr.

    10:55 Uhr, 23.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Hoeli
    Hoeli

    Na wie wird es wohl enden? Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft sind die Schulden nicht mehr tragfähig. Dann wird ein Schnitt gemacht und die Allgemeinheit muss die Kosten tragen, da sie zu hoch sind, als dass sie auf die wenigen Verursacher (die sowieso nicht ausgemacht werden können) abgewälzt werden könnten.

    Diejenigen, die sich vorher die Taschen vollgestopft haben werden sicher ihren Teil dazu beitragen müssen, aber immer noch mit einem satten Plus rauslaufen.

    Diejenigen, die gar nicht beteiligt waren, also die Nicht-Spekulanten sind die, die am Ende draufzahlen. Darauf ist dieses System ausgerichtet und es wird sich auch in 1000 Jahren nicht geändert haben. Man muss also schauen, dass man vor dem Kollaps so viel am System verdient hat, dass man sich den großen Drowdown, der ganz sicher kommt, leisten kann.

    Siehe 2008. Die Zeche musste von allen, vor allem den Klein- und Kleinstverdienern, die sich großteils immer noch nicht erholt haben, gezahlt werden.

    Die Banken in Amerika (Bauernopfer Lehmann ausgenommen) wiederum scheffeln mehr Geld als vorher, da sie vorher so viel erwirtschaftet hatten und/oder von der Allgemeinheit gestütz wurden, dass sie gestärkt aus der Krise herausgekommen sind.

    10:06 Uhr, 23.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Endlich haben wir mal keine Infaltion und die Bürger haben etwas von den Lohnerhöhungen ( außer den Lohnsteuererhöhungen ) und was macht Draghi....er will 2 % Infaltionsrate dieser Traumtänzer und seine EZB-Kollegen.

    Hoffentlich werden den Herren mal die Grenzen gezeigt.

    09:40 Uhr, 23.10.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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