Kommentar
19:17 Uhr, 29.01.2016

Rückkehr der Finanzkrise - wer kann helfen?

Kaum sind die Börsen etwas unruhig, da wird schon von der nächsten Finanzkrise gesprochen. Die Parallelen zu 2007/08 seien offensichtlich, meinen viele. Wenn sie kommt, können internationale Institutionen wie der IWF (Internationaler Währungsfonds) dann überhaupt noch helfen?

Der IWF ist spätestens seit dem ersten Rettungspaket für Griechenland jedem ein Begriff. Durch die Finanzkrise wurde der Fonds schlagartig wieder relevant. Wenige Jahre zuvor war die Notwendigkeit für Eingriffe vergleichsweise gering. Das zeigt das Volumen vergebener und ausstehender Kredite. Grafik 1 fasst die Zahlen für die Zeit von 1984 bis 2015 zusammen.

In den frühen 80er Jahren vergab der IWF Kredite an südamerikanische Länder, die sich überproportional in US-Dollar verschuldet hatten und nach einer starken Abwertung der lokalen Währungen die Schulden nicht mehr bedienen konnten. Die Krise und damit die höhe der vergebenen Kredite ging in den Folgejahren zurück, bis die nächste Krise (Asien, Russland) Ende der 90er anrückte. Kurz darauf (2001-2003) gerieten wieder südamerikanische Länder (Brasilien, Argentinien) und Südafrika in eine Krise. Der IWF sprang wieder ein.

In der Zeit von 2003 bis 2007 beruhigte sich die Lage global. 2007 wurden so wenige neue Kredite vergeben wie zuletzt 1984. Die Summe ausstehender Kredite erreichte den niedrigsten Wert der vergangenen 25 Jahre. Das änderte sich mit dem Aufkommen der Finanzkrise schlagartig.

In den Jahren 2010 bis 2015 stieg die Kreditvergabe auf 33 Mrd. Sonderziehungsrechte (SDR) pro Jahr an. Der IWF weist in seinen Berichten Zahlen immer in SDR aus. Ein Sonderziehungsrecht entspricht derzeit knapp 1,30 EUR. Die durchschnittliche, jährliche Kreditvergabe stieg also auf gut 40 Mrd. Euro. Angesichts der Größenordnung der Krise wirkt das noch nicht erschreckend.

Für den IWF selbst war die Krise bisher ein gutes Geschäft. Grafik 2 zeigt die Einnahmen und Gewinne des IWF seit 1998. Durch die geringe Kreditvergabe in den Jahren 2003 bis 2007 sanken die Zinseinnahmen massiv. Die Kosten der Organisation blieben natürlich trotzdem bestehen. Die Einnahmen und Ausgaben hielten sich so gerade die Waage. Seit 2009 werden wieder üppige Gewinne geschrieben.

Die besonders hohen Gewinne in den Jahren 2010 und 2011 sind auf Goldverkäufe zurückzuführen. Ohne diese schrieb der IWF aber immer noch 2 Mrd. Euro Jahresgewinn in dem Zeitraum 2010 bis 2015. Dazu tragen auch die höheren Zinsen bei, die der IWF verlangt. Die Bruttozinsmarge liegt derzeit im Bereich von 4 %.

Der IWF ist – gemessen an der Kreditvergabe – wieder ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne geworden. Profitiert hat davon vor allem Europa. Durch das Engagement in der Eurokrise gingen fast 70 % der ausstehenden Kredite an Euroländer. Viele sehen darin eine Art Bevorzugung der westlichen Länder, denn nicht jeder ist sich sicher, dass der IWF nach seinen Statuten die Kredite überhaupt hätte vergeben dürfen.

Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit hat die Reform des Fonds viele Jahre verhindert. Der IWF hätte bereits 2010 reformiert werden sollen. Erst 2015 kam es zum Durchbruch. Die Reform sollten Entwicklungs- und Schwellenländern mehr Stimmrechte geben. Das ist inzwischen gelungen. Grafik 3 zeigt die derzeitige Verteilung. Die USA sind nach wie vor das Land, welches die meisten Stimmrechte hat.

Mit mehr als 15 % sind die USA das einzige Mitglied, welches Entscheidungen verhindern kann. Sie haben de facto ein Vetorecht, denn Entscheidungen müssen von 85 % der Stimmen unterstützt werden. Stimmen die USA mit Nein, dann geht gar nichts. Das ist vermutlich noch immer nicht gerecht, doch die Neuverteilung der Stimmrechte geht in die richtige Richtung.
Alle Entwicklungs- und Schwellenländer gemeinsam haben 30 % der Stimmrechte. Ihr Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung liegt im Bereich von 45 % bis 50 %. Ausgeglichen ist das noch nicht, doch ohne die Zustimmung der USA ist keine Reform vorstellbar. Die USA hatten sich gegen einen stärkeren Wandel gestellt.
Die USA stellen mit Abstand die meisten Mittel zur Verfügung. Inklusive Kreditlinien sind das 170 Mrd. USD. Für dieses Geld – so sehen es die Amerikaner – gebührt ihnen das Vetorecht. Die Sache hat natürlich einen Haken. Die USA sind selbst viel zu groß, als dass sie jemals vom IWF gerettet werden könnten. Gleichzeitig sehen sie, wie der IWF Kredite in Europa, Südamerika oder Asien vergibt. Sie haben den Eindruck, dass die Beteiligung am IWF quasi eine wohltätige Großzügigkeit ist. Mit einer solchen Einstellung ist es schwierig den IWF flexibel zu halten.

Flexibilität ist genau das, was der IWF braucht. Er beteuert zwar, dass die Probleme in China und in vielen anderen Entwicklungsländern zu meistern sind, bezweifelt jedoch gleichzeitig, dass die verfügbaren Mittel ausreichen würden eine ausgewachsene Krise abzuwenden. Der IWF kann momentan ca. 500 Mrd. an zusätzlichen Krediten vergeben. Möglich machen das vor allem Kreditlinien mit einzelnen Ländern bzw. deren Notenbanken.

In vielen Entwicklungsländern steigen derzeit die Staatsschulden. Die Wirtschaften wachsen kaum oder befinden sich im Abschwung. Ein Land nach dem anderen wird von Rating Agenturen herabgestuft. Die Währungen kollabieren und Regierungen und Unternehmen haben sich hoch in Dollar verschuldet. Das war bereits die Mischung, die in den 80ern, 90ern und den Jahren 2000 bis 2003 zu Krisen geführt haben.

Seit den letzten Krisen sind die Entwicklungsländer sehr viel größer geworden. Bedenkt man, dass der IWF der Ukraine mit 10 % des ukrainischen Bruttoinlandsproduktes unter die Arme greift, kann man sich vorstellen wie viel Geld notwendig sein wird, wenn Brasilien in Schieflage gerät. Der IWF würde wohl seine verfügbaren Mittel voll ausschöpfen müssen, wenn ein großes Schwellenland und ein oder zwei kleinere Entwicklungsländer Hilfe bräuchten.
Derzeit sind sicherlich Brasilien, aber auch Saudi-Arabien gefährdet. Saudi-Arabien hat zwar hohe Rücklagen, die noch einige Zeit lang reichen werden, doch um eine vorrübergehende Dollarknappheit zu bewältigen müsste der IWF wohl 50 bis 80 Mrd. Dollar bereitstellen. Brasilien wäre kaum mit weniger als 200 Mrd. zu retten.
Wenn es in den kommenden Jahren wirklich hart auf hart kommt und sich eine Wiederholung einer der Krisen der 80er oder 90er Jahre andeutet, dann ist der IWF vermutlich zu klein, um das Feuer zu löschen. Der IWF ist zwar gerade erst reformiert worden, doch für die Risiken im aktuellen Umfeld ist der IWF nicht ausreichend gerüstet.

Jetzt wurde bekannt, dass das Ölexportland Aserbaidschan wohl Hilfe beim IWF beantragt hat. Ein erstes Kreditpaket in der Höhe von 4 Mrd. USD steht im Raum. Das entspricht etwas mehr als 5 % der Wirtschaftsleistung.
Aserbaidschan braucht das Geld vor allem, weil die Öleinnahmen fehlen. Das Land muss Schulden aufnehmen, um die Defizite zu finanzieren, doch internationale Investoren sind eher zurückhaltend. Gleichzeitig hat das Land seine Währung lange Zeit gegen eine Abwertung verteidigt. Die Devisenreserven sanken innerhalb eines Jahres von 15 auf 5 Mrd. USD. Um weiter importieren und Schulden bedienen zu können braucht das Land Devisen.

Rechnet man alle Bruttoinlandsprodukte von kleinen bis mittelgroßen Rohstoffexporteuren zusammen (z.B. Angola, Nigeria, Sambia, Ecuador, Botswana ...) zusammen, dann müsste der IWF allein für diese Länder zwischen 100 und 200 Mrd. aufbringen, wenn Geldmittel benötigt werden. Käme dann noch Brasilien in Schieflage, dann ist die Kreditvergabekapazität aufgebraucht. 2016 wird ein wirklich interessantes Jahr.

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4 Kommentare

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  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Irgendwie beißt sich die Katze doch hier selbst in den Schwanz. Defizite mit Krediten zu finanzieren ist schon sportlich. Wenn es dann wieder halbwegs läuft, steht der IWF vor der Türe und hält die Hand offen. Erinnert irgendwie an Trader, die ihre Verluste hedgen.

    Na dann....der letzte macht´s Licht aus.

    23:14 Uhr, 29.01.2016
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Ich sehe da kein großes Problem solange es Derivate gibt. Dann wird der IWF, der ja garantiert ein Triple A-Rating bekommt, seine vorhandenen Mittel mit Hebel 10 "erweitern" und weiter gehts. Von Kostolany lernen heißt siegen lernen: Traue den Mächtigen dieser Welt keine Sauerei nicht zu, die theoretisch möglich ist!! ;)

    20:36 Uhr, 29.01.2016
  • sewiet13
    sewiet13

    Welcher Meinung sind denn sie? Die Parallelen liegen seit Jahren auf der Hand. Die IWF kann auf lang die Katastrophe nicht verhindern. Die richtige Frage seit Jahren laut wirklich nur noch: "WANN?"

    19:27 Uhr, 29.01.2016

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Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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