Fundamentale Nachricht
12:44 Uhr, 18.01.2018

Rückblick auf 2017: Eitel Sonnenschein, wohin man schaut

Wenn 2018 die Erwartungen genauso stark übertroffen werden wie 2017, wird es BMO-Chefökonom Steven Bell zufolge ein ganz besonderes Jahr.

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London (GodmodeTrader.de) – 2017 war ein weiteres gutes Jahr für internationale Investoren. Der MSCI All Countries World Index erzielte 18 Prozent Ertrag, die Emerging Markets lagen 27 Prozent im Plus und sowohl der S&P 500 als auch der TOPIX stiegen um mehr als 20 Prozent. All diese Erträge sind in lokaler Währung. Um nicht zu viel davon durch Währungsverluste wieder zu verlieren, mussten Investoren aus Europa ihre Anlagen absichern, weil der Euro um zwölf Prozent gegenüber dem US-Dollar aufwertete. Sogar das stark gebeutelte Pfund Sterling wertete gegenüber der US-Währung acht Prozent auf, wie Steven Bell, Chefökonom bei BMO Global Asset Management, in einem Rückblick auf 2017 schreibt.

Anfang des Jahres habe Nervosität geherrscht. Sicher, vom designierten Präsidenten Trump sei eine wirtschaftsfreundliche Fiskalpolitik erwartet worden. Aber auch ein Handelskrieg oder noch Schlimmeres schien möglich. In Japan sei ein Rücktritt von Premierminister Abe zu befürchten und damit das Ende der marktfreundlichen Abenomics zu befürchten gewesen. In Europa hätten Wahlen in den Niederlanden und Frankreich bevorgestanden und weitere Erfolge der Populisten seien nicht auszuschließen gewesen. Auch der wichtige Parteitag in China habe für Unsicherheit gesorgt, heißt es weiter.

„Tatsächlich erwiesen sich aber die meisten politischen Sorgen als unbegründet: US-Präsident Trump versetzte die Märkte nicht in Aufruhr. Japans Premierminister Abe rief vorzeitige Wahlen aus und wurde mit einem haushohen Sieg belohnt – eine unerwartete Folge des nordkoreanischen Raketenabschusses über Japan hinweg. In Europa schwang das politische Pendel zurück zur Mitte. Selbst die bemerkenswerten Ereignisse in Katalonien und Angela Merkels Alptraum-Sieg bei der Bundestagswahl belasteten die Märkte, wenn überhaupt, nur vorübergehend. Nur in Großbritannien lief es weniger gut. Die von Theresa May ausgerufenen vorzeitigen Wahlen, ‚weil das Land eine starke und stabile Regierung braucht‘, führten zum Gegenteil. Aber selbst hier endete das Jahr in guter Stimmung und mit der Aussicht, dass sich die Brexit-Verhandlungen jetzt dem Thema Außenhandel zuwenden und man Anfang 2018 eine Einigung über die Austrittsbedingungen findet“, so Bell.

Dem verbesserten politischen Umfeld entsprächen starke Fundamentaldaten. Weltweit seien die Gewinne je Aktie 2017 um geschätzte 14,2 Prozent gestiegen. Das sei der stärkste Zuwachs seit 2010. Erstmals seit zehn Jahren hätten alle OECD-Länder Wachstum verzeichnet. Bislang scheine dies überall tragfähig zu sein, und es gebe nur wenige finanzielle Ungleichgewichte. Auch die meisten Emerging Markets wüchsen. Und die Inflation bleibe niedrig: In den allermeisten Ländern sei die Inflation moderat und das Deflationsgespenst habe sich zurückgezogen. Sogar Japan dürfte in den nächsten Monaten offiziell das Ende der Deflation erklären. Der mehrjährige Verlierer befinde sich im zweitlängsten Aufschwung seit dem Zweiten Weltkrieg, heißt es weiter.

„Eine der ganz großen Überraschungen war die US-Inflation. Vor einem Jahr gingen die Bloomberg-Konsensschätzungen von einem Anstieg der Inflation auf 1,9 Prozent bis Ende 2017 aus (gemessen am von der Federal Reserve bevorzugten PCE-Deflator). Jetzt sieht es eher nach 1,4 Prozent aus. Fünf Monate in Folge lag die Kerninflation, die kurz vor dem PCE veröffentlicht wird, unter den Erwartungen – die längste Serie von Fehlprognosen, die ich in meiner langen beruflichen Laufbahn je erlebt habe. Besonders erstaunlich ist, dass zugleich die Arbeitslosigkeit schneller zurückgegangen ist als erwartet. Sie liegt weit unter dem Niveau, ab dem man früher mit einem Inflationsanstieg rechnete“, so Bell.

Das habe die US-Notenbank Fed nicht davon abgehalten, die Zinsen dreimal zu erhöhen. Im September habe sie außerdem erklärt, dass sie das Quantitative Lockerungs-Programm (QE) Schritt für Schritt zurückführen und die Bilanzsumme allmählich verringern werde. Auch die EZB verringere das QE. Viele Analysten hätten damit gerechnet, dass deshalb die Volatilität anziehen würde, und eine Marktkorrektur prognostiziert. Nichts von alldem sei geschehen. Tatsächlich sei die Volatilität der Aktienmärkte auf neue Tiefstände gefallen. Der S&P 500 habe im Jahr 2017 erstmals in seiner Geschichte in jedem Monat im Plus gelegen. Auch die Volatilität des Anleihenmarkts (gemessen an Optionen) sei in den USA und Europa auf neue Tiefstände gefallen. Die Volatilität der Währungsmärkte habe zwar keine Rekorde gebrochen, sei aber niedriger als im langfristigen Durchschnitt, heißt es weiter.

„In diesem Umfeld entwickelten sich Staatsanleihen schwächer als risikobehaftete Wertpapiere, lagen aber entgegen den Erwartungen vieler Marktteilnehmer (auch meiner) nicht im Minus. Zweifellos ist das vor allem der niedrigen Inflation zu verdanken. Und doch ist die Entwicklung angesichts der Zinserhöhungen in den USA bemerkenswert. Die US-Zinsstrukturkurve drehte sich, so dass die Dreißigjahresrenditen bis Dezember 2017 um 30 Basispunkte fielen, obgleich die Zweijahresrenditen um 66 Basispunkte zulegten“, so Bell.

Und all diese für den Markt guten Nachrichten habe es trotz des noch immer nachlassenden weltweiten Produktivitätsanstiegs gegeben, der den Lebensstandard der meisten Menschen bremse. Da sich das meiste Kapital bekanntermaßen in den Händen der Reichen befinde, habe der Anstieg der Wertpapierkurse für noch mehr Ungleichheit gesorgt, heißt es weiter.

„Eine der wichtigsten Fragen zum Jahreswechsel ist, inwieweit die guten Nachrichten bereits in den Kursen enthalten sind. Die Volatilität ist niedrig und die Bewertungen sind hoch. Wenn 2018 die Erwartungen genauso stark übertroffen werden wie 2017, wird es in der Tat ein ganz besonderes Jahr“, so Bell.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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