Kommentar
08:00 Uhr, 03.04.2012

Rote und blaue Zündschnur – was der französische Finanzminister gründlich missversteht

Im Hype um die Piratenpartei ist im letzten [Link "Politbarometer" auf wahltool.zdf.de/... nicht mehr verfügbar] ein äußerst interessantes Umfrageergebnis untergegangen. 74 Prozent der Befragten lehnen eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms ab, nur 20 Prozent sind dafür. Eigentlich sollte man erwarten, dass die Politik in einem demokratischen System an einem so klar geäußerten Mehrheitswillen nicht vorbei kann. Trotzdem deutet derzeit alles darauf hin, dass es weitere Vergrößerungen der Transfer- und Umverteilungsmechanismen geben wird, die wir unter dem beschönigenden Namen Schutzschirm oder Rettungsschirm kennen. Das ist beängstigend.

Eine erst wenige Tage alte Aussage des französischen Finanzministers Francois Baroin zeigt, wie wenig die Politiker bislang vom Kern der Finanz- und Schuldenkrise verstanden haben. Baroin hat gesagt: „Der Schutzschirm ist ein bisschen so wie die Atomwaffe im militärischen Bereich. Er ist dafür gemacht, nicht eingesetzt zu werden. Das ist Abschreckung.“

Dieser Satz lässt tief blicken. Die Politik sieht sich also in einem kalten Krieg gegen die Spekulanten der Welt. Der potenzielle Druck auf den roten Knopf soll die Hedge Fonds und andere böse Elemente der Finanzmärkte im Zaum halten. Dann wird alles gut! Es ist zu befürchten, dass diese Sichtweise Baroins von zahlreichen Politikern in Europa geteilt wird, nicht zuletzt auch in Berlin.

Dabei könnte kaum etwas falscher sein als diese Aussage. Nicht Spekulanten haben diese Krise ausgelöst, sie haben sie bestenfalls an einigen Stellen sichtbar gemacht und damit verstärkt oder beschleunigt. Der Kern der Krise besteht aus mehreren Faktoren:

  1. Der Struktur unseres Geldsystems, dem sogenannten Scheingeld, das beliebig von der Geldpolitik und den Banken vermehrt werden kann, siehe meinen Beitrag „Schneeballschlacht im Bankenviertel“.

  1. Der Gewohnheit der meisten Politiker, die Verschuldung der Staaten immer weiter zu vergrößern. Gute konjunkturelle Phasen werden nicht dazu genutzt, Schulden zurückzuführen. Bereits eine Reduzierung des Haushaltsdefizits wird als großer Erfolg gefeiert. Dabei wird nicht erkannt, dass selbst ein reduziertes Haushaltsdefizit immer noch eine Vergrößerung der Schuldenlast mit sich bringt.

  1. Dem demografischen Wandel, der dafür sorgt, dass wirtschaftliches Wachstum in den Industriestaaten immer schwieriger wird und letztlich ganz ausbleiben wird. Ohne Wachstum aber ist der einfachste Weg heraus aus den Schulden versperrt. Es wird kein „Herauswachsen aus den Schulden“ geben.

  1. Im speziellen Fall der Eurokrise liegt das Problems darin, dass Staaten mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und vor allem einer stark unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit unter das Dach einer gemeinsamen Währung gepresst wurden, unter dem sie sich sogar noch stärker auseinander entwickelt haben als zuvor.

Der Euro war von vornherein eine Zeitbombe, deren Ticken anfangs nur sehr wenige wahrgenommen haben. In den vergangenen beiden Jahren ist das Geräusch jedoch unüberhörbar geworden. Derzeit sehen wir verzweifelte Versuche, diese Bombe zu entschärfen. Dies wird jedoch vermutlich aufgrund ihrer Konstruktionsweise nicht gelingen. Diese Rettungsversuche (Schutzschirm, Garantie- und Transferkonstrukte) werden jedoch dazu führen, dass die vergleichsweise starken Mitglieder der Union – allen voran Deutschland – ihre Stabilitätsvorteile erst einbüßen müssen, bevor das Scheitern des Experiments eingestanden wird. Aussagen wie jene von Baroin zeigen, dass die Politiker beim Versuch, die Bombe zu entschärfen, immer noch die rote und die blaue Zündschnur verwechseln.

Über den Autor:

Roland Klaus arbeitet als freier Autor in Frankfurt/Main und ist aktiver Investor. An der Börse Stuttgart ist er als Marktbeobachter tätig und analysiert das Geschehen an den Börsen unter anderem auf n-tv und dem Deutschen Anlegerfernsehen. Für den amerikanischen Finanzsender CNBC und den deutschen Nachrichtenkanal N24 berichtete er von 2004 bis 2009 vom Frankfurter Börsenparkett. In seinem Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung" analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de

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