Kommentar
07:12 Uhr, 09.11.2015

Rohstoffpreise - Wenn nur noch Gott hilft

Das afrikanische Land Sambia richtete einen nationalen Gebetstag ein. Dieser fand am 17. Oktober statt. Wofür wurde gebetet? Die Währung.

Der Präsident des Landes rief für den 17. Oktober zu einem nationalen Gebetstag auf. Es sollte für eine göttliche Intervention gebetet werden. Ziel der Gebete war die lokale Währung Kwacha. Der Wert der Währung hat sich allein in diesem Jahr halbiert, nachdem sie jahrelang stabil blieb.

Sambia ist von Rohstoffexporten (Kupfer) abhängig. Der Rohstoffproduzent Glencore hatte kürzlich entschieden, eine Kupfermine für 18 Monate stillzulegen. Das trifft das Land hart. Die sinkenden Rohstoffpreise machen seit langem zu schaffen. Nun wird auch noch die Produktion heruntergefahren. Das bedeutet noch weniger Deviseneinnahmen und höhere Arbeitslosigkeit.

Die Abwertung der Währung ist auf ein explodierendes Handelsbilanzdefizit zurückzuführen. Sambia muss viele Güter, darunter viele Nahrungsmittel, importieren. Solange die Kupferpreise hoch waren schrieb das Land einen Handelsüberschuss. Das hielt die Währung stabil. Nun kehrt sich der Trend um und die Währung kollabiert.

Die Inflation ist im Zuge der Währungsabwertung auf knapp 15% gestiegen. Das Haushaltsdefizit des Landes schnellt nach oben. Die Notenbank versucht, mit höheren Zinsen gegenzusteuern und scheitert bisher. Unter diesen Umständen entschied der Präsident, dass es einer göttlichen Intervention bedarf. Ob die Gebete helfen, bleibt abzuwarten.

Andere Länder verlassen sich nicht auf Gebete, auch wenn sich wohl viele eine Intervention wünschen würden. Weltweit sind mehrere Dutzend Länder von Rohstoffexporten abhängig. Der Preisverfall macht auf mehreren Ebenen zu schaffen. Handelsbilanzüberschüsse werden zu Defiziten. Die Inflation steigt rasant an, die Schulden explodieren. Das alles geschah allein in den vergangenen 12 Monaten. Was geschieht erst, wenn Rohstoffpreise weiter fallen oder zumindest längere Zeit niedrig bleiben?

Ein Szenario, in dem die Rohstoffpreise weiter fallen, ist nicht aus der Luft gegriffen. Der starke Arbeitsmarktbericht in den USA heizt die Debatte um die Zinswende wieder an. Marktteilnehmer gehen jetzt von einer ersten Leitzinsanhebung im Dezember aus. Der Dollar gewinnt damit weiter an Wert. Gleichzeitig fallen die Rohstoffpreise. Das ist ein Trend, der noch kein Ende gefunden hat.

Grafik 1 zeigt die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wie sich die Leistungsbilanzen gerade verändern. Das US Defizit bleibt hoch. In allen anderen Ländern verbessern sich die Werte. Überschüsse werden zu noch größeren Überschüssen. Das geht auf Kosten der Rohstoffexporteure, vor allem den Ölexporteuren. Vor zwei Jahren lag der Überschuss noch bei 600 Mrd. USD. Ende 2015 könnte es erstmals seit 25 Jahren zu einem Defizit kommen.

Die Konsequenzen sind immer dieselben: hohe Inflation, hohe Zinsen, hohe Haushaltsdefizite. Derzeit versuchen Länder wie Saudi Arabien ihre Wirtschaft am Laufen zu halten, indem sie die Staatsausgaben massiv erhöhen. Als Folge wird ein Defizit von 20% der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr erwartet. Ewig können solche Defizite nicht finanziert werden. Die hohe und rasche Schuldenaufnahme lässt die Kosten für Schulden ansteigen. Nachhaltig ist das nicht.

Es nützt auch wenig, wenn die Wirtschaft nun über Schulden finanziert wird und die Ölpreise in zwei oder drei Jahren wieder steigen. Bis dahin hätte Saudi Arabien zwischen 400 und 500 Mrd. an Staatsschulden angehäuft, die jährlich bis zu 20 Mrd. USD kosten könnten. Das reduziert den positiven Effekt wieder steigender Ölpreise, weil ein Großteil der Einnahmen aus Ölgeschäften in die Zinszahlungen und Schuldentilgung fließen.
Der IWF kann sich vorstellen, dass es genau aus diesem Grund nur eine Frage der Zeit ist, bis Rohstoffexporteure an ihre Reserven gehen. Der Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate hat ein Vermögen von 770 Mrd. USD. Die Verlockung diesen Fonds zur Finanzierung der Defizite zu nutzen ist groß.

Weltweit werden Rohstoffexporteuren Rücklagen von gut 4 Billionen Dollar zugeschrieben. Dieses Geld ist investiert und zwar zum überwiegenden Großteil in US Assets. Grafik 2 zeigt wie viel Rohstoffexporteure in US Anleihen und Aktien halten. Ungefähr 2,5 Billionen fallen auf Anleihen, wobei sich darunter sehr viele Unternehmensanleihen befinden. 1,3 Billionen fallen auf Aktien.

Während die Nachfrage nach US Staatsanleihen nach wie vor sehr groß ist und eine Liquidation der Bestände von Rohstoffexporteuren nur eine geringe Gefahr ist, kann der Verkauf von Unternehmensanleihen und Aktien den Markt in Schieflage bringen. Die Renditen für Unternehmensanleihen steigen seit Monaten. Das liegt auch an der nahenden Zinswende und dem Desaster der Schieferölunternehmen. Folgt nun noch die Auflösung von Beständen der Rohstoffexporteure, dann kann dies auf den Markt für Unternehmensanleihen zu einem Renditesprung führen.

Der Aktienmarkt wiederum zeigt sich noch relativ robust. Die Rallye ist vor allem von Unternehmen getragen, die nichts mit Rohstoffen zu tun haben. Die Aktien von Rohstoffunternehmen fallen nicht mehr so stark wie noch vor einigen Monaten, doch hier ist kaum Unterstützung zu erwarten. Die Rallye wird von wenigen Sektoren getragen. Beginnen Saudi Arabien und Co. nun ihre Aktienpakete zu verkaufen, dann wird das die Rallye höchstwahrscheinlich abwürgen.

Man muss nicht gleich auf eine göttliche Intervention hoffen, doch für die Börse wären eine Stabilisierung und ein Anstieg der Rohstoffpreise sehr wünschenswert. Je länger Rohstoffpreise niedrig bleiben, desto größer wird die Gefahr, dass große Anleihe- und Aktienpositionen liquidiert werden.

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4 Kommentare

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  • Unentschieden
    Unentschieden

    "Beginnen Saudi Arabien und Co. nun ihre Aktienpakete zu verkaufen, dann wird das die Rallye höchstwahrscheinlich abwürgen."

    Wenn dem so ist, dann bin ich mal gespannt, was sich der durchgeknallte Italiener in der EZB dazu einfallen lässt. Den Rohstoffmarkt mit Käufen stützen?

    Im Grunde genommen hätten die ZBs mit ihrer expansiven Geldpolitk langfristig genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie ursprünglich erreichen wollten. Was für ein dilettantischer Haufen...

    10:58 Uhr, 09.11.2015
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    interessante Sichtweise.

    10:23 Uhr, 09.11.2015
  • erdferkel1
    erdferkel1

    immer wieder lesenswert! Danke, Clemens!

    10:03 Uhr, 09.11.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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