Kommentar
13:24 Uhr, 01.03.2018

Rezessionsgefahren?

  • Über die Gefahr, dass der Aufschwung zu Ende geht und eine Rezession droht, wird derzeit viel gesprochen. Sie ist, objektiv gesehen, aber nicht sehr groß.
  • Wahrscheinlicher ist, dass sich die Wachstumsraten nach Auslaufen der fiskal­politischen Impulse langsam verringern.
  • Für die Finanzmärkte ist die gute Konjunktur eine wichtige Stütze in Zeiten steigender Zinsen und zunehmender Risiken.

Amerikanische Volkswirte stellen die Welt häufig etwas bun­ter und phantasievoller dar als deutsche. Ein guter Kollege von mir aus Washington DC, Phil Suttle, beschrieb die Kon­junktur kürzlich in Form eines Krimis. Die frühere Chefin der Federal Reserve Janet Yellen, so sein Aufhänger, hatte in den letzten Jahren häufiger gesagt: "Expansions don't die of old age" (Aufschwünge sterben nicht an Altersschwäche). Dieser Satz ist ein Zitat des berühmten Wirtschaftswissen­schaftlers Rüdiger Dornbusch. Es hatte in der Originalver­sion aber noch einen zweiten Teil (den Janet Yellen tun­lichst nicht erwähnte): ".. they are always murdered by the Fed" (sie werden immer von der Fed ermordet). Das passte na­türlich nicht in Frau Yellens Konzept.

Der Mörder ist also bekannt. Aber wann schlägt er zu? Phil Suttle kommt nach einer Untersuchung der bisherigen Re­zessionen zu dem Ergebnis, dass der nächste Konjunktur­einbruch in den Vereinigten Staaten frühestens im März 2021 eintreten sollte. Das ist noch weit weg.

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Umso erstaunlicher ist es, dass man in letzter Zeit immer wi­eder Äußerungen hört wie "Wenn die jetzt gute Konjunk­tur einmal zu Ende geht ...". Offenbar macht man sich am Markt zunehmend Gedanken darüber, dass eine Abschwä­chung kommen könnte. Ist das wirklich etwas, mit dem man sich beschäftigen muss?

Auf den ersten Blick nein. Die Konjunktur läuft. Die Progno­sen wurden bis zuletzt nach oben revidiert. Die Fiskalpolitik ist so expansiv wie schon lange nicht mehr. Es gibt aller­dings auch jede Menge Risiken, wenn man nicht nur mono­kausal auf die Geldpolitik schaut. Ich will hier einmal einige aufzählen.

Eines ist zum Beispiel ein Einbruch im Welthandel. Bisher wurde viel über protektionistische Maßnahmen geredet.
Es geschah aber glücklicherweise wenig. Jetzt drohen die Ame­rikaner, die Einfuhr von Stahl und Aluminium zu be­schränken. China und Europa bereiten Gegenmaßnahmen vor. Auch in der Nafta und im China-Handel der USA gibt es Probleme. So etwas kann leicht eskalieren.

Ein anderes Risiko ist eine noch stärkere Abschwächung des USD auf den Devisenmärkten. Sie würde vor allem Eu­ropa und China belasten. Natürlich würde die US-Konjunk­tur durch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit Nut­zen da­raus ziehen. Das würde die Weltwirtschaft aber nicht ret­ten, da der Wechselkurs für die USA nicht so ins Gewicht fällt.

Von einem möglichen Einbruch in China ist derzeit viel die Rede. Das Reich der Mitte hat viele Ungleichgewichte, ins­besondere eine hohe Verschuldung sowohl von Unterneh­men und als auch des Staates. So richtig einschätzen kann die Gefahr eines Crashs in dem Land allerdings niemand. Was beruhigt, ist, dass China anders als die USA eine ver­antwortungsbewusster agierende Regierung hat.

Ein Einbruch an den Finanzmärkten ist auch ein Risiko für die Konjunktur. Er würde zu Vermögensverlusten bei Kon­sumenten und zu einer Verteuerung der Investitionsfinan­zierung führen. Das könnte die gesamtwirtschaftliche Nach­frage spürbar beeinträchtigen. Wir haben das bei den Ak­tieneinbrüchen sowohl im Jahr 2000 als auch 2008 erlebt.

Speziell für die EU gefährlich wäre eine Mehrheit europa­kritischer Parteien bei den Wahlen in Italien. Sie könnte zu einem Austritt des Landes aus der Gemeinschaft führen. Bereits der Brexit hat zu erheblichen Verwerfungen geführt. Im Falle Italiens wären die Folgen noch größer. Es ist stär­ker in die europäische Wirtschaft integriert. Vor allem ist es Mitglied des Euros, was dann auch währungspolitische Ver­werfungen mit sich bringen würde.

Der Aufschwung ist – gemessen an den Verhältnissen in den USA – schon sehr alt. Er dauert inzwischen fast zehn Jahre. Das ist fast so lang wie die Erholung in den 90er Jah­ren und länger als die Zyklen in den 80ern und in den Nul­lerjahren (siehe Grafik). In einem solchen Alter muss er nicht gleich sterben und in einer Rezession enden. Er kann aber kraftloser werden. Die Wachstumsraten können zu­rückgehen. Das wäre für die Kapitalmärkte auch nicht schön.

Schließlich kommt natürlich auch die Geldpolitik als Gefahr für die Konjunktur hinzu. Ich denke hier nicht so sehr an die höheren Zinsen. Sie müssten für die Wirtschaft verkraftbar sein, weil die Notenbanken sehr vorsichtig vorgehen. In ei­ner solchen Situation kommt aber viel auf die Kommunika­tion an. Ein falsches Wort des Chefs der Federal Reserve kann die Märkte rund um den Globus erschüttern. Wir ha­ben das 2013 in den USA mit dem sogenannten "Taper Tantrum" erlebt. Das Problem ist, dass der neue amerika­nische Notenbankpräsident noch wenig Erfahrung mit der Kommunikation der Geldpolitik hat.

Alles in allem gibt es also viele Risiken für die Konjunktur. Man sollte sie nicht unterschätzen. Wenn ich sie mir aller­dings im Einzelnen anschaue, dann ist darunter kein ein­ziges, das mir wirklich schlaflose Nächte bereiten würde. Nur wenn viele oder alle zusammen kämen, würde es schwer. Das ist aber wenig wahrscheinlich.

Für den Anleger

Eine Rezession müssen Sie in absehbarer Zeit nicht be­fürchten. Das ist wichtig. Denn die gute Konjunktur ist ein sicherer Fels in einem Umfeld, in dem es an den Finanz­märkten viele Risiken gibt. Sie sorgt dafür, dass die Unter­nehmen weiter Geld verdienen und die Verbraucher Geld haben. Sie stützt, wenn es wie in den letzten Wochen zu Turbulenzen kommen sollte. Das werden wir in diesem Jahr sicher noch häufiger brauchen.


Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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  • Newton1642
    Newton1642

    FALSCH! FALSCH! UND NOCHMAL FALSCH!

    Die US-Real-Wirtschaft läuft eben nicht gut. Se befindet sich bereits seit Dezember im Abschwung.

    Ich kann Ihnen dazu zahlreiche halbwegs valide und aussagekräftige Makrodaten hier schreiben, die ganz eindeutig den Abschwung anzeigen.

    Zudem bilden die Aggregate, die von den "Volkswirten", ich bin selbst Dipl. Volkswirt, beachtet werden, definitiv nicht die ökonomische Realität ab. Die Aggregate müssten, wenn man das wahre Bild der Realwirtschaft erhalten möchte, tatsächlich nach Einkommensgruppen aufgeteilt werden.

    Beispiel:

    Nicht nur dass die Realeinkommen im Januar insgesamt gesunken sind.

    Vielmehr sind die Realeinkommen bei 2/3 der Erwerbstätigen, d.h. bei den unteren und mittleren Einkommen seit Jahren am Sinken. Umgekehrt steigen beim restlichen Drittel die Realeinkommen. Dadurch wird aber das Bild erheblich verzerrt, denn die unteren- und mittleren Einkommen sind für den Hauptteil des Konsums in den USA verantwortlich. Ausserdem ist deren Sparquote gleich Null, während die höheren Einkommen deutlich mehr sparen.

    13:03 Uhr, 02.03.2018