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11:47 Uhr, 03.02.2006

Regionale Allianzen können WTO nicht ersetzen

Offene Märkte sind unverzichtbar für das nachhaltige Wachstum der Emerging Markets. Ohne den freien Welthandel könnte sich der Aufstieg der jungen Industrienationen als ein Strohfeuer erweisen. Doch trotz einiger Fortschritte beschränken noch immer viele Handelsbarrieren den Warenaustausch. Die Welthandelsorganisation WTO ist kaum in der Lage, auf diese Herausforderung effizient zu reagieren . Regionale und bilaterale Freihandelsabkommen rücken daher immer stärker in den Vordergrund. Je größer der angestrebte Handelsraum ist, desto stärker ist diese Tendenz.

APEC: Bilaterale Abkommen im Fokus

Wie sehr die Bedeutung bilateraler Verträge gestiegen ist, zeigt das asiatisch-pazifische Wirtschaftsforum APEC. Auf dem Treffen der Staatschefs der 21 Pazifikanrainerstaaten im November 2005 wurde eine Reihe von Abkommen geschlossen. So haben nicht nur Chile, Südkorea und Thailand ihre Handelsbeziehungen intensiviert. Auch ökonomische Schwergewichte wie Japan, China und die USA setzen verstärkt auf regional begrenzte Allianzen, jeweils mit einzelnen oder wenigen APEC-Mitgliedsstaaten.

Asien:Auf dem Weg zur Wirtschaftsunion

Mit der Asean Free Trade Area (AFTA) hat die Assoziation Südostasiatischer Staaten ASEAN im Jahr 2002 den Freihandel eingeläutet. Ziel ist es, die gegenseitigen Zölle unter fünf Prozent zu senken. In Brunei, Malaysia, Thailand, Indonesien, den Philippinen und Singapur sind die Zollschranken bereits gefallen. Die restlichen ASEANStaaten Vietnam, Laos, Kambodscha und Burma sollen bis 2010 folgen.

Trotz dieser Einigung ist die ökonomische Bedeutung der AFTA begrenzt. Handelsnationen wie Singapur und Thailand sind stark mit Ländern außerhalb des ASEAN-Raumes verflochten. Zudem werden die niedrigen Zölle durch andere Handelsbarrieren ersetzt und so die Ziele der AFTA unterlaufen.

Amerika: Einigung auf Eis gelegt

Mit ähnlichen Hemmnissen hat der lateinamerikanische MERCOSUL zu kämpfen. Mit einem Sozialprodukt (BIP) von 735 Milliarden Dollar und 200 Millionen Verbrauchern gehört diese Zollunion zu den größten Handelsräumen der Welt. Doch der MERCOSUL tritt nicht geschlossen auf. Bestes Beispiel ist das Scheitern einheitlicher Einfuhrzölle Ende 2004 und das geplatzte Handelsabkommen mit der Europäischen Union wenige Monate zuvor.

Einig ist sich der MERCOSUL dagegen in seiner Ablehnung der gesamtamerikanischen Freihandelszone FTAA. Streitpunkte sind die Senkung der US-Agrarsubventionen und die Öffnung der südamerikanischen Dienstleistungsmärkte. Da eine Einigung nicht in Sicht ist, sind auch hier regionale und bilaterale Vereinbarungen auf dem Vormarsch. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA, zu der die USA, Mexiko und Kanada zählen, und die Andengemeinschaft CAN, der Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela angehören. Die CAN hat allerdings nur eine geringe Bedeutung. Sie weist lediglich knapp die Hälfte der Bevölkerung und sogar nur ein Drittel des BIP des MERCOSUL auf. Und sie zeigt, wie schwach ein Handelsverbund ist, der keine führenden Industrieländer einbezieht, sondern nur relativ schwache Handelspartner miteinander verbindet.

Entwicklungschancen steigen

Der Welthandel bietet vielen aufstrebenden Ländern die Chance, stärker zu den industrialisierten Nationen aufzuschließen. Die steigenden Exporte wirken positiv auf die Arbeitsmärkte. So werden die Konsumund Investitionsausgaben angeregt, und damit auch die Binnenwirtschaften.

Auch untereinander geben sich diese Länder wesentliche Impulse: Das chinesische Wachstum zum Beispiel treibt die weltweite Rohstoffnachfrage in die Höhe, wovon vor allem rohstoffexportierende Länder wie Brasilien oder Russland profitieren. Und in Staaten wie Indien, die sich jahrzehntelang gegen eine Öffnung ihrer Märkte gewehrt haben, ist der Exportsektor zum Wachstumsmotor mit langfristigen Entwicklungschancen geworden. Um diese weiter zu fördern, können aber regionale oder bilaterale Handelsabkommen nur die zweite Wahl sein. Wer wirkliche Fortschritte im freien Handel will, kommt an Lösungen im Rahmen der WTO nicht vorbei.

Während die Bedeutung bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen sprunghaft zunimmt, kommt die weltweite Liberalisierung des Handels nur sehr langsam voran. Unter anderem auch deshalb, weil große und wirtschaftlich starke Länder wie die USA und China erkennen, dass sie ihre Interessen mit bilateralen Abkommen wesentlich besser durchsetzen können als im Rahmen multilateraler Konferenzen - so ist es leichter, sensible Bereiche wie Agrarsubventionen oder Anti-Dumping-Regeln aus den Verhandlungen auszuklammern.

Insbesondere für die wirtschaftlich aufstrebenden Länder sind deshalb Abkommen auf Basis der Welthandelsorganisation WTO wichtig: Sie öffnen Märkte auf einen Schlag für alle Wirtschaftsregionen und bieten mit dem WTO-Handelsgericht ein unabhängiges Forum zur Beilegung von Handelskonflikten.

Langsame Fortschritte

Zwar bewegt sich die WTO für die aufstrebenden Länder in Asien und in Lateinamerika nach zwei gescheiterten Verhandlungsrunden in Seattle und Cancún viel zu langsam. Doch der Kompromiss, auf den sich die Mitglieder der WTO im Dezember 2005 einigen konnten, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

So wurde das Entwicklungspaket zu Gunsten armer Länder präzisiert: Ab 2008 soll diesen Ländern ein zoll- und quotenfreier Zugang zu den Märkten der Industrieländer eingeräumt werden. Zudem sollen die Ausfuhrbeihilfen der reichen Länder für landwirtschaftliche Produkte bis zum Jahr 2013 auslaufen. Ausgeklammert blieben dagegen neben den Themen Investitionsabkommen und Dienstleistungshandel auch Fragen der Industriegüterzölle und der Transparenz im öffentlichen Auftragswesen.

Dass der Ausbau der multilateralen Handelsordnung nur so zäh in Gang kommt, liegt vor allem am Konsensprinzip der WTO: Keines der 149 Mitgliedsländer darf überstimmt werden. Die Mammutkonferenzen mit mehr als 6.000 Delegierten werden mit zeitraubenden Prozeduren zusätzlich kompliziert. In der Praxis führt dies zu einer Lähmung des Systems.

Bilaterale Abkommen bremsen den Welthandel

Trotz dieser Nachteile sind die Welthandelskonferenzen wichtig, denn sie bieten im Vergleich zu bilateralen Verträgen wesentliche Vorteile. Die Vielzahl zweiseitiger Handelsabkommen führt häufig zu widersprüchlichen Regeln, die Handelsströme verzerren und die Marktübersicht erschweren. Dies erhöht vor allem auch die administrativen Kosten für Unternehmen - und bremst den Handel.

Quelle: ABN Amro Asset Management

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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