Kommentar
17:03 Uhr, 04.07.2014

Quo vadis, Finanzmärkte im zweiten Halbjahr 2014?

Erwähnte Instrumente

  • EUR/USD
    ISIN: EU0009652759Kopiert
    Kursstand: 1,3589 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 10.023,32 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Die Erholung der Weltkonjunktur gewinnt im zweiten Halbjahr an Dynamik. In Japan bekam die Wirtschaft zwar die Mehrwertsteuererhöhung ab April von fünf auf acht Prozent zu spüren. Konsequent ist, dass die Geschäftslage gemäß dem vierteljährlich von der Bank of Japan ermittelten Tankan-Index für die japanische Großindustrie leicht nachgegeben hat. Jedoch signalisieren Geschäftserwartungen auf dem höchsten Stand seit Dezember 2007 klaren Zukunftsoptimismus. Beide Teilindices befinden sich im positiven und damit Expansion anzeigenden Bereich. Die Konjunkturpolitik der japanischen Regierung mit Schützenhilfe der Bank of Japan zeigt offensichtlich Wirkung.

China lässt konjunkturell nicht locker

In China betont die Regierung, dass sie ein Wirtschaftswachstum von weniger als 7,5 Prozent zum Vorjahr nicht akzeptieren werde und rief die Lokalregierungen zur verstärkten Durchführung von Infrastrukturprojekten auf. Zuletzt haben sich die Umsatzerwartungen für chinesische Unternehmen aus dem Energie- und Versorgungssektor sowie der Elektronikbranche verbessert. Ein positives Bild präsentiert ebenso der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China, der mit einem Wert von 51 klar im Expansion anzeigenden Bereich liegt und sich damit eindeutig von der Schwäche des Winterhalbjahres erholt hat.

Die US-Wirtschaft hat ihre Wachstumsschwäche aus dem I. Quartal eindeutig hinter sich gelassen. Die Neuauftragskomponente des ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe konnte sich von ihrem Tief im Januar von 51,2 im Januar auf einen aktuell sehr expansiven Wert von 58,9 verbessern. Hierbei profitieren die USA auch von China, das nach wie vor einen massiven Nachfragesog für amerikanische Produkte ausübt.

Und auch die amerikanische Binnenkonjunktur zeichnet ein positives Bild. Der für den Konsum bedeutsame Arbeitsmarkt verbessert sich im Trend weiter.

Geldpolitik: Die Finanzwelt ertrinkt in Liquidität

Grundsätzlich bleiben die Notenbanken offensiv. Zwar schließt in den USA die Fed im Oktober das Tapering ab, so dass den Finanzmärkten keine weitere Liquidität zugeführt wird. Da aber auch keine Liquidität abgezogen wird, verfügen die US-Banken im Herbst über ein Kreditvergabepotenzial, mit dem sie die gesamte US-Volkswirtschaft noch ca. fünfmal finanzieren könnten.

Die guten US-Arbeitsmarktdaten werden zu vermehrten Diskussionen über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung der Fed im nächsten Jahr führen.

Von der singulären Betrachtung der Notenbankzinsen werden sich die Finanzmärkte aber zunehmend lösen. Der Fokus wird stärker auf die zukünftige Zinsstrukturkurve ausgerichtet sein. Und diese wird auch zukünftig steil bleiben, d.h. die Renditen von länger laufenden US- Staatsanleihen sind höher als die zu erwartenden US-Notenbankzinsen. Damit bleibt langfristig ein insgesamt positives Investitionsklima in den USA erhalten, bei dem es sich lohnt, kurzfristig zinsgünstig aufgenommenes Notenbankgeld längerfristig in höher rentierliche Anlageformen wie Aktien anzulegen. Steile Zinsstrukturkurven beugen nicht zuletzt Turbulenzen an den Finanzmärkten der weltkonjunkturell bedeutenden Emerging Markets vor. Denn in Folge inverser US-Zinsstrukturkurven 2001 und 2007/2008, bei denen die Notenbankzinsen oberhalb der Anleiherenditen lagen, brachen nicht nur die Kapitalmärkte der Schwellenländer ein, sondern litten auch deren Realwirtschaften unter Kapitalabzug. Die Fed wird über ihre Zinssteuerung auch zukünftig alles unternehmen, um die Zinsstrukturkurve zum Wohle der Aktienmärkte und der kaufkräftigen Volkswirtschaften der Emerging Markets steil zu halten.

Die EZB nimmt nach ihrem umfangreichen Maßnahmenpaket im Juni eine abwartende Haltung ein und beobachtet zunächst den Effekt der letzten Zinssenkung. Ab September wird die EZB acht Quartale lang - je nach Nachfrage der Banken - jeweils Vier-Jahres-Kredite vergeben, die sich auf insgesamt eine Billion Euro belaufen könnten. Intensiv vorbereitet wird auch der Aufkauf kreditbesicherter Anleihen, um Banken auch auf diesem Wege Kreditvergabeentscheidungen zu erleichtern. Verschärfen sich die Deflationsrisiken, wird die EZB breit angelegte Anleihenaufkäufe tätigen.

Aus heutiger Sicht dürfte die EZB das Kapitel Zinssenkungen abgeschlossen haben. Diese sind auf dem jetzigen Niveau zu stumpfen Schwertern geworden.

Auch die japanische Notenbank dürfte im zweiten Halbjahr ihre quantitativen Lockerungsmaßnahmen mindestens beibehalten, um das Inflationsziel von zwei Prozent - die aktuelle Inflationsrate von 3,4 Prozent ist durch die Mehrwertsteuererhöhung im April deutlich nach oben verzerrt - nachhaltig zu erreichen.

Rohstoffe: Konjunkturell, nicht geopolitisch beflügelt

Gold bleibt aufgrund einer Finanzwelt, die unter Überschuldung, rekordniedrigen Zinsen und Renditen leidet, zwar grundsätzlich ein sicherer Anlagehafen. Eine dramatische Kurserholung auf die Höchststände von 2011/2012 werden die Notenbanken aber konterkarieren. Denn die Rettung der westlichen Finanzmärkte funktioniert über Geld. Insofern besteht kein Interesse, eine Alternativwährung in Form von Edelmetallen zuzulassen, die diese monetäre Rettung verhindern würde.

Unterstützt von einer anhaltend expansiven Geldpolitik sowie den positiven Konjunktursignalen erhalten Industrierohstoffe Rückenwind.

Geopolitische Risiken für Öl und Gas begrenzt

Bei Energierohstoffen ist eine leichte Befestigung zu erwarten. Die geopolitischen Konflikte in der Ukraine und dem Irak werden nur für vorübergehenden Preisauftrieb sorgen. Russland ist aus Gründen der Devisenbeschaffung weiter an Gasverkäufen nach Europa interessiert. Außerdem hat keine der großen Wirtschaftsnationen ein Interesse an steigenden Ölpreisen bei sinkenden Mengen. Daher wird man im Bedarfsfall zum Schutze der irakischen Ölquellen eine breite energietechnische „Koalition der Willigen“ formen.

Besondere Bedeutung erhalten Kupfer und Aluminium. Haben noch Mitte März Liquiditätsängste vor dem Hintergrund pleitebedrohter chinesischer Unternehmen zu einem massiven Abverkauf von Kupfer geführt - das Industriemetall wird im chinesischen Schattenbankensystem typischerweise als Kreditsicherheit hinterlegt, die damals zu Liquiditätssicherung veräußert wurden - verliert diese Gefahr dank der abklingenden hard landing-Ängste in China an Brisanz. Der Aluminiumpreis wird durch Infrastrukturinvestitionen und den Auto- und Flugzeugbau gut unterstützt.

Währungen: Am Ende gibt der Euro nach

Die voneinander abweichende Geldpolitik in den USA und Euroland - zunehmende Spekulationen über eine US-Zinswende gegenüber einer verstärkten Liquiditätsoffensive der EZB - dürfte im zweiten Halbjahr zu einer allmählichen Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar sorgen. Diese Euro-Abwertung macht den Euro zunehmend zu einer attraktiven carry trade-Währung, d.h. die internationalen Finanzanleger verschulden sich in Euro und legen diese Finanzmittel dann weltweit in höher rentierlichen Anlagen an. Die Euro-Baisse nährt dann die Euro-Baisse.

Diese Abschwächungstendenz des Euro ist seit Mitte März bereits erkennbar. So hat der Euro gegenüber dem US-Dollar bereits um knapp drei Cent abgewertet. Deutlicher fällt seine Abwertung gegenüber der Exportkonkurrenz aus Japan und Südkorea aus.

Anleihen: Geht die Rallye der Euro-peripheren Staatsanleihen zu Ende?

Die Nullzinspolitik der internationalen Geldpolitik hat am Anleihenmarkt eine Jagd nach Rendite eingeleitet, deren Ausgangspunkt in Euroland das Euro-Rettungsversprechen von EZB-Chef Draghi im Juli 2012 war. In der Folge haben sich die Risikoaufschläge u.a. 5-jähriger italienischer, spanischer und französischer zu deutschen Staatstitel gleicher Laufzeit auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2010 verringert. Wird sich der Zinsspread noch weiter einengen? Immerhin war sogar ein Nullzins-Spread zwischen der offiziellen Euro-Einführung 2002 und dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 zu beobachten.

Das Kursrisiko von Euro-peripheren Anleihen besteht in der durch die EZB-Politik beförderten Abschwächung des Euros. Zumindest Investoren außerhalb des Euro-Raumes könnten zur Vermeidung von Währungsverlusten Gründe für die Gewinnmitnahme bei Euro-Staatsanleihen sehen und damit einen Renditeaufwärtsdruck in der Euro-Peripherie erzeugen.

Was machen die Banken im Euroraum? Die von der EZB zur Verfügung gestellten, dem Zwecke nach zur Ankurbelung der Kreditwirtschaft gedachten, Langfristkredite könnten auch - Strafzinsen sind keine vorgesehen - für Investitionen in Euro-Staatstitel genutzt werden. Diese würden Renditeerhöhungen kompensierend entgegen wirken. Sollte jedoch die Mania für Euro-periphere Staatsanleihen - auch wegen des sich abschwächenden Euros - zu steigenden Renditen führen, wird die EZB das Rettungsversprechen von 2012, zur Not Staatspapiere aufzukaufen, erfüllen müssen, um die günstige Refinanzierbarkeit der prekären Euro-Länder zu gewährleisten. Insgesamt ist mit einer weiteren Einengung der Risikoaufschläge zu rechnen. Die Dynamik wird aber nachlassen.

Aktien: Alternativlos

Mit Blick auf das üppige Liquiditätsumfeld und in Ermangelung attraktiver Anlagerenditen im Bereich Zinsvermögen führt kein Weg an Aktien vorbei. Die in Liquidität badende Finanzwelt heizt im Übrigen auch die internationale Fusions- und Übernahmephantasie von börsennotierten Unternehmen an. Auch die geopolitischen Risiken dürften zumindest in Bezug auf die Energieversorgung verhalten bleiben.

Zwar sind die Aktienmärkte nicht mehr günstig bewertet. Im Gegensatz zu völlig überteuerten Staatsanleihen haben sie jedoch zunächst klare relative Bewertungsvorteile. Euroländische Konjunkturimpulse über Neuverschuldung - eine Aufweichung des Fiskalpaktes unter Führung Italiens, Frankreichs und anderen Euro-Schuldenstaaten zeichnet sich bereits ab - und insbesondere eine konjunkturelle Beschleunigung in den Schwellenländern und den USA werden die die Aktienbewertungen über steigende Gewinnperspektiven auch absolut wieder entspannen.

Welche Aktien/Branchen sind besonders vielversprechend?

In den USA profitieren konjunktursensible Aktien von der Erholung der Weltwirtschaft und Technologie- und Konsumtitel vom weltweit weiter wachsenden Markenbewusstsein. Japanische Exporttitel profitieren von der geld- und fiskalpolitischen Konjunkturförderung. In den Schwellenländern hat sich die Risikoaversion der Anleger reduziert. Das gibt den Blick auf ihre strukturellen Vorteile wie geringe Verschuldung wieder frei. Die Rückbesinnung auf die grundsätzlichen Wachstumspotenziale der Schwellenländer begünstigt nicht zuletzt die Aufhebung der jahresanfänglich zweigeteilten Entwicklung ihrer Aktienmärkte.

Nachdem die Parlamentswahlen in Indien eine wirtschaftsliberale Regierung hervorgebracht haben, wird der attraktive indische Produktionsstandort wieder im Fokus der Anleger stehen. Für den südkoreanischen Aktienmarkt, dessen Industrie- und Technologieunternehmen eine ernste Konkurrenz zu denen der westlichen Welt darstellen, machen sich die Standortqualitäten in Folge der stetigen Wirtschaftsreformen bezahlt. Das gilt ebenso für Malaysia, das seinen Status als Zentrum für Technologie- und Chemieunternehmen im südostasiatischen Raum festigt. In China macht der Aufbau einer wachstumsstabilen Binnenkonjunktur weiter Fortschritte. Brasilianische Aktien werden von der erwarteten Rohstoffpreiserholung profitieren. Zudem wird die brasilianische Notenbank ihre Z��gel nicht weiter anziehen. Auch hoffen die Finanzmärkte auf einen wirtschaftsfreundlichen Regierungswechsel im Herbst. Auch russische Aktien könnten sich abseits einer Eskalation wieder behaupten.

Die verbesserten weltweiten Konjunkturperspektiven, ein exportfreundlich abwertender Euro und eine von den niedrigen Leit- und sparerunfreundlichen Anlagezinsen profitierende deutsche Binnenkonjunktur werden nach zwischenzeitlicher Unterbrechung wieder in einer Besserentwicklung euroländischer konjunktursensitiver zu defensiven Aktien zum Ausdruck kommen.

GRAFIK DER WOCHE

ifo Geschäftserwartungen und Kursentwicklung euroländischer Zykliker gegenüber Defensivtiteln, in Prozent zum Vorjahr

Nachholeffekte für deutsche Aktien

Hiervon werden die schwerpunktmäßig konjunktur- und exportorientierteren deutschen Aktienindices DAX und MDAX in besonderem Maße profitieren. Insofern dürften sich im zweiten Halbjahr 2014 Nachholeffekte deutscher Aktien gegenüber den seit dem Euro-Rettungsversprechen vom Juli 2012 sich stark entwickelnden spanischen und italienischen, eher defensiven Aktien zeigen.

Aktuelle Charttechnik

Nach Überwindung der Hürde bei 9.850 DAX-Punkten eröffnet sich Kurspotenzial bis zur Widerstandszone zwischen 10.033 und 10.050 Punkten. Darüber ist der Weg bis in die Region zwischen 10.200 und 10.300 Punkten frei. Sollte der DAX hingegen die Marken bei 9.850 und 9.750 und darunter die Unterstützung bei 9.720 Punkten durchbrechen, muss ein Rutsch bis zur nächsten Haltelinie bei 9.600 Punkten einkalkuliert werden. Darunter bietet der seit Juni 2013 bestehende Aufwärtstrend bei derzeit 9.468 und die 200-Tage-Linie bei aktuell 9.376 Punkten Halt.

HALVERS WOCHE: Die Rettungs-Karawane der EZB zieht weiter zur Exportwirtschaft

Lieber Herr Präsident der Europäischen Zentralbank,

Ihr Chefvolkswirt wird Ihnen schon oft gesagt haben, dass es der euroländischen Exportwirtschaft nicht wirklich gut geht. Können Sie da nicht ein bisschen nachhelfen? Sie haben doch schon ganz andere Krisen gemeistert, z.B. die Staatsschuldenkrise, die die Euro-Familie fast entzweit hätte. Seit Ihrem Euro-Rettungsversprechen vom 26. Juli 2012, zur Not unbegrenzt Staatspapiere notleidender Euro-Mitgliedsländer aufzukaufen, ist diese Krise besiegt und der Haussegen der Eurozone hängt wieder gerade. Das haben Sie genauso heldenhaft gemacht wie der große Römer Gaius Iulius Caesar: Veni, vidi, vici.

Retten Sie die Exportwirtschaft vor dem harten Euro

Mach’s noch einmal Mario!

Sie sind der geborene Rettungsengel. Also retten Sie doch bitte weiter! Retten Sie die Euro-Exporteure vor dem harten Euro. Machen Sie das mit dem Euro, was Ihr italienischer Landsmann, Ministerpräsident Renzi, während seiner EU-Ratspräsidentschaft bis Dezember 2014 mit den „deutschen“ Stabilitätskriterien vorhat: Wie Steaks platt klopfen! Wenn Sie ehrlich sind, damit würden Sie nur dem Verursacherprinzip gerecht werden, wonach ein entstandener Schaden vom Schadensverursacher selbst zu tragen ist. Das sind Sie! Denn hätten Sie kein ausfallrisikobefreiendes Euro-Rettungsversprechen abgegeben, dann hätten die Euro-ausländischen Investoren auch nicht - als ob Sommer- und Winterschlussverkauf auf einen Tag fallen - so viele Euro-Staatstitel aufgekauft und damit die Gemeinschaftswährung so teuer gemacht. Und reden Sie sich hier nicht mit unbeabsichtigten Kollateralschäden heraus.

Ja, Herr Draghi, natürlich, auch die Bank of Japan hat Schuld. Sie hat japanischen Exporteuren durch eine schamlose Yen-Abwertung gegenüber euroländischen einen dramatischen Vorteil im globalen Exportwettkampf beschert. Seit Ihrem Euro-Rettungsversprechen hat sich z.B. ein japanisches Auto um fast 40 Prozent gegenüber einem aus der Eurozone verbilligt. Das nenne ich einen japanischen Währungsabwertungs-Putsch.

Herr Draghi, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Machen Sie es doch genauso wie die Japaner. Senken Sie doch auch Ihre Zinsen auf null, betreiben Sie doch auch eine an der Sintflut orientierte Liquiditätspolitik und heilen den Euro damit von seiner Stärke.

Wehe wenn der Euro fällt

Haben Sie Angst vor dem Platzen der Euro-Rentenblase?

Ach so, Sie haben Befürchtungen, dass dann eine geldpolitisch betriebene Euro-Abwertung schlafende Hunde weckt, dass Währungsverluste Euro-fremden Anlegern den Spaß an Staatsanleihen der Euro-Peripherie nehmen könnten. Die werden sich ohnehin schon länger die Frage stellen, wie tief die Staatsanleiherenditen von Italien & Co. noch fallen können. So niedrig wie jetzt waren sie seit Euro-Einführung noch nie.

Ich stimme Ihnen zu, dass eine EZB-seitige Euro-Abwertung als Signal für einen Kapitalabzug von Nicht-Euro-Anlegern verstanden werden könnte. Die sitzen immerhin auf ganz fetten Kurs- und Währungsgewinnen. Und Sie wissen ja, wie es zugeht, wenn eine Anlageidee verglüht, siehe Neuer Markt oder Immobilienblase. Der Exit aus der Anlageklasse „Euro-Staatsanleihen“ würde im Extremfall nicht ruhig und kontrolliert wie beim lockeren Joggen, sondern hektisch wie beim Sprint Richtung Notausgang ablaufen. Wer dann zu spät kommt, den bestraft der Finanzmarkt doppelt, mit Kurs- und Währungsverlusten.

Bei einer geldpolitischen Euro-Abwertung würden Sie Ruck Zuck vom Schutz- zum Todesengel der Eurozone transformieren. Sie trügen die Verantwortung dafür, dass die Renditen von Staatsanleihen von Euro-Süd wieder mehr mit der Bonitäts-Realität spar- und reformrenitenter Euro-Länder zu tun hätten: Sie würden steigen. Ausgeträumt wären die schlaraffenlandhaften Finanzmarkt-Zeiten, als sich euroländische Finanzminister noch ohne ernsthafte Reform- und Sparbemühungen immer mehr Verschuldung leisten konnten und auch noch mit sinkenden Schuldzinsen belohnt wurden.

Wer A sagt (Rettung verspricht), muss auch B sagen (Rettung halten)

Herr Draghi, Sie müssen Prioritäten setzen. Wollen Sie wirklich tatenlos zuschauen, wie die Japaner unsere Exportwirtschaft schädigen? Unsere malade Euro-Wirtschaft mit ihren großen sozialen Problemen ist doch für jede Förderung, auch Exportförderung dankbar. Überhaupt, gleichzeitig gehen Sie mit höheren Exportpreisen gegen Deflation vor, ähnlich wie Clerasil gegen Akne.

Dann müssen Sie eben in den sauren Apfel beißen und Ihr Aufkauf-Versprechen vom Juli 2012 halten, damit die Renditen von Staatstiteln unten bleiben. Oder haben Sie etwa Skrupel mit einem geldpolitischen Aufkaufzwang, weil Sie in der Stabilitätstradition der Deutschen Bundesbank stehen, die solche verdeckten Staatsfinanzierungen als Teufelszeug betrachtet. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.

Der Zweck heiligt die Mittel

Herr Dragi, machen Sie sich selbst zum Exportschlager!

Sicher, sollten Sie tatsächlich Staatspapiere aufkaufen, hätte die EZB auch noch die letzte stabilitätspolitische Unbeflecktheit verloren. Aber mit der kann man in der heutigen Finanzzeit doch ohnehin keinen Blumentopf mehr gewinnen, oder? Überhaupt, wenn Sie aufkaufen, machen Sie nichts anderes als Fed und Bank of Japan. Warum wollen Sie im stabilitätspolitischen Sonntagsanzug auftreten, wenn die anderen als instabilitätspolitische Schmuddelkinder daher kommen? In Japan hat die geldpolitische Yen-Abwertung der dortigen Exportwirtschaft eindeutig geholfen. Das schaffen Sie auch!

Wenn ich mir Ihr bisheriges geldpolitisches Wirken anschaue, bin ich mir sicher, dass Sie das Richtige tun werden. Denken Sie auch an Ihre Reputation. Wenn Sie den Euro klein kriegen, sind Sie neben dem Euro-Rettungsengel auch noch der ultimative Held der Euro-Exportwirtschaft.

Also Mario, tu es!

Mit besten Grüßen aus dem finanzanalytischen Unterholz,

Ein langjähriger Kapitalmarktteilnehmer, der seinen bissigen Zynismus nach all den Jahren sogenannter alternativloser geldpolitischer Rettungsmaßnahmen nicht mehr zurückhalten will und sehnsüchtig an die Zeit der Deutschen Bundesbank zurückdenkt, als Stabilität noch kein Schimpfwort war.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

1 Kommentar

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  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    sehr interessante Übersicht! Herr Halver, Danke dafür.

    09:36 Uhr, 05.07. 2014