Kommentar
08:05 Uhr, 29.05.2015

Quartalszahlen US-Unternehmen: Gar nicht so schlecht

98% der US Unternehmen haben ihre Zahlen vorgelegt. Schlimmes wurde befürchtet. Im Nachhinein muss man sich fragen: wieso eigentlich?

Hinterher ist man immer klüger. Für das erste Quartal 2015 gilt das ganz besonders. Im Vorfeld der Berichtssaison war keinem wirklich wohl. Zwei Faktoren bestimmten das Bild ganz besonders: der Ölpreis und der Dollar. Der niedrige Ölpreis führte ganz automatisch zu hohen Gewinnrückgängen bei Energieunternehmen. Der starke Dollar wiederum hat US Exportunternehmen geschadet und Gewinne in Fremdwährungen kleiner aussehen lassen. Selbst wenn Umsatz und Gewinn in Originalwährung, z.B. Euro, konstant blieben, dann sorgte der Wechselkurseffekt dafür, dass der Gewinn in Dollar umgerechnet kleiner wurde.

Diese beiden Faktoren schlugen Unternehmen wie Analysten auf den Magen. Zwischenzeitlich wurde befürchtet, dass die Gewinne im Vergleich zum Vorjahresquartal um fast 5% sinken könnten. Grafik 1 stellt die Entwicklung der Gewinnschätzungen und der tatsächlichen Gewinne dar. Die Zeitreihe beginnt in der letzten Kalenderwoche 2014. Damals gingen Analysten noch von einem Gewinnwachstum von gut 4% auf Jahressicht aus. Je näher die Berichtssaison rückte, desto pessimistischer wurden die Prognosen.

Ende Januar wurde erstmals von einem Gewinnrückgang ausgegangen. Der Gipfel des Pessimismus wurde Mitte April erreicht. Die Schätzungen gingen von einem Gewinnrückgang von fast 5% aus. Jetzt, 4 Wochen später, sieht das Bild ganz anders aus. 98% der Unternehmen haben ihre Zahlen inzwischen vorgelegt. Der aktuellste Wert liegt bei 0,1% und beinhaltet die bereits bekannten Zahlen. Man kann also sagen, dass entgegen der Erwartung das erste Quartal überraschend gut ausfiel.
Vor wenigen Wochen wurde noch ein hoher Gewinnrückgang befürchtet. Jetzt, da die Zahlen bekannt sind, stellt man fest, dass der Gewinn im Vergleich zum ersten Quartal 2014 minimal gewachsen ist. An der Börse wird diese positive Überraschung nur mit wenig Begeisterung gefeiert, dabei sind das wirklich gute Neuigkeiten. Man sollte vermuten, dass die Kurse durch die Decke gehen, aber Fehlanzeige.

Wer die Quartalsberichte in den USA regelmäßig verfolgt, der weiß, weshalb die Börse zurückhaltend ist. Analysten haben die Tendenz ihre Prognosen vor Beginn der Berichtssaison nach unten zu korrigieren. Die dann veröffentlichten Resultate schlagen die Erwartungen regelmäßig. Genauer gesagt werden die Erwartungen in zwei Drittel aller Fälle übertroffen.

In der zurückliegenden Berichtssaison wurden ebenfalls zwei Drittel der Erwartungen übertroffen. So gesehen war das Quartal ereignislos. Die Zahl der übertroffenen Erwartungen lag im langjährigen Durchschnitt. Man könnte daher auch sagen: das erste Quartal lag im Rahmen der Erwartungen.

Es ist etwas irritierend, dass Analysten ihre Prognosen soweit senken, dass zwei Drittel der Unternehmen die Erwartungen übertreffen, aber es ist so. Man kann bereits von einem schlechten Quartal reden, wenn nur 50% der Unternehmen die Vorhersagen schlagen. Ein gutes Quartal liegt vor, wenn 75% oder mehr Unternehmen besser abschneiden als prognostiziert.
Dieses etwas unsinnige Vorgehen erklärt auch, weshalb die meisten Branchen auf den ersten Blick ganz gut dastehen. Grafik 2 zeigt die positiven bzw. negativen Überraschungen beim Gewinn je Branche. Bis auf Industrieunternehmen hat jede Branche überzeugt und die Erwartungen übertroffen. Wie gesagt, das liegt nicht daran, dass die Unternehmen wirklich gut performt haben, sondern daran, dass die Schätzungen so stark nach unten korrigiert wurden.

Aussagekräftiger als das Verhältnis von erwartetem zu tatsächlichem Gewinn ist das Gewinnwachstum. Die Grafik zeigt das Gewinnwachstum im Verhältnis zum vierten Quartal 2014. Der Gewinn wächst nach wie vor in allen Branchen, jedoch deutlich langsamer. Der Energiesektor ist am stärksten betroffen. Das überrascht nicht wirklich.

Die gute Nachricht ist: der Gewinn wächst noch. Der Rückgang ist in den meisten Sektoren vergleichsweise klein. Auch das ist eine gute Nachricht. Als Beispiel kann man den Industriesektor betrachten. Hier wachsen die Gewinne um 6,2% langsamer als im vierten Quartal 2014. Wären die Gewinne in Q4 2014 um 10% gewachsen, dann sind sie im ersten Quartal 2015 noch um 9,38%. Angesichts der Dollarstärke und der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in den USA im ersten Quartal ist das ein gutes Ergebnis.

Die Ergebnisse sind insgesamt nicht überragend. Auf Jahressicht stagnieren sie. Der S&P 500 steht auf Jahressicht 12% höher. Damit ist der S&P 500 jetzt 12% teurer als vor einem Jahr. Wären die Gewinne ebenfalls um 12% gestiegen, dann wären Aktien heute noch genauso teuer wie vor einem Jahr. Da die Gewinne nun aber stagnierten sind Aktien im Durchschnitt 12% höher bewertet. Da ist es verständlich, dass Anleger über die Zahlen nicht jubeln und beherzt zugreifen.

Das zweite Quartal sollte hoffentlich wieder Gewinnwachstum bringen. Sollten die Gewinne weiterhin stagnieren, Aktien aber immer teurer werden, dann stellt sich jeder Anleger früher oder später die Frage, ob Aktien noch fair bewertet sind. Bevor sich der ganze Markt diese Frage stellt sollten die Gewinne am besten wieder anziehen. Dann stellt sich die Frage erst gar nicht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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