Kommentar
13:16 Uhr, 05.08.2025

Putin zeigt sich unbeeindruckt von Trumps Sanktionsdrohung

Kurz vor Ablauf des von US-Präsident Donald Trump gesetzten Ultimatums deutet alles darauf hin, dass der Kreml die Forderungen nach einem Waffenstillstand in der Ukraine ignorieren wird

Die angedrohten neuen Sanktionen und die Aussicht auf 100-prozentige Zölle auf russische Ölexporte, die vor allem Abnehmer wie China und Indien treffen würden, scheinen in Moskau wenig Eindruck zu hinterlassen. Die russische Führung bewertet die potenziellen wirtschaftlichen Folgen offenbar als beherrschbar.

Bislang führten die Sanktionen der vergangenen Jahre zwar zu erheblichen Einnahmeverlusten bei Öl- und Gasexporteuren und einem Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen um 63 %. Zudem sind Zentralbankvermögen in Höhe von rund 300 Mrd. USD im Ausland eingefroren. Dennoch scheint die Fähigkeit Russlands zur Kriegsführung ungebrochen.

Putins strategische Prioritäten

Reuters berichtet von Quellen, die mit den Vorgängen im Kreml vertraut sind. Demnach gibt es für die Haltung von Präsident Wladimir Putin zwei wesentliche Gründe: seine Überzeugung, dass Russland den Krieg gewinnt, und die Skepsis, dass weitere Sanktionen nach dreieinhalb Jahren Krieg noch eine signifikante Wirkung entfalten können. Obwohl Putin eine Eskalation mit Trump vermeiden und die Chance auf bessere Beziehungen zum Westen nicht leichtfertig vergeben will, haben seine Kriegsziele oberste Priorität, sagen die Quellen.

Das Ziel bleibt die vollständige Einnahme der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson, die Russland bereits für sich beansprucht hat. Erst danach wäre Putin bereit, über ein Friedensabkommen zu verhandeln.

"Sollte es Putin gelingen, die vier Regionen, die er für Russland beansprucht hat, vollständig zu besetzen, könnte er verkünden, dass sein Krieg in der Ukraine seine Ziele erreicht hat", analysiert James Rodgers, Autor des Buches "The Return of Russia". Die laufenden Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern sind laut einer Quelle eher ein Versuch, Trump zu signalisieren, dass man sich dem Frieden nicht verweigert, aber inhaltlich weitgehend substanzlos.

Die Wirksamkeit von Sanktionen infrage gestellt

In Moskau wird die Drohung aus Washington zwar als "schmerzhaft und unangenehm", aber nicht als Katastrophe eingestuft, wie eine zweite Quelle Reuters berichtet. Zudem sei unklar, ob Trump seinem Ultimatum Taten folgen lassen werde. "Er hat schon früher gedroht", so die Quelle, und dann nicht gehandelt oder seine Meinung geändert. Es sei speziell im Hinblick auf China schwer vorstellbar, dass man dort auf Anweisung Trumps hin aufhören werde, russisches Öl zu kaufen.

Russlands Fähigkeit zur Kriegsführung wird unterdessen durch Munitionslieferungen aus Nordkorea und Importe von Dual-Use-Komponenten aus China gestützt, die eine massive Steigerung der Waffenproduktion ermöglicht haben. Der Kreml hat wiederholt betont, dass Russland eine gewisse "Immunität" gegen Sanktionen entwickelt habe. Auch Trump räumte ein, dass die Russen geschickt darin seien, Maßnahmen zu umgehen.

Diplomatische Manöver und militärische Realitäten

Trotz schlechtem Klima zwischen Russland und den USA: Der Sondergesandte von Trump, Steve Witkoff, wird diese Woche zu einem Besuch in Russland erwartet. "Präsident Trump will das Töten beenden, weshalb er amerikanische Waffen an NATO-Mitglieder verkauft und Putin mit empfindlichen Zöllen und Sanktionen droht, falls er einem Waffenstillstand nicht zustimmt", erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly.

Auf dem Schlachtfeld rücken die russischen Streitkräfte weiter langsam vor und setzen die Ukraine militärisch stark unter Druck. Allein im Juli verlor die Ukraine 502 Quadratkilometer, und insgesamt hat Russland etwa ein Fünftel des Landes besetzt.

Was Putin besonders jetzt nicht ernsthaft verhandeln lassen wird: Der russische Generalstab soll dem russischen Präsidenten mitgeteilt haben, dass die ukrainische Front in zwei bis drei Monaten zusammenbrechen könnte. Westliche Militärquellen dagegen bestätigen zwar die russischen Geländegewinne, betonen jedoch, dass diese nur langsam und unter hohen Verlusten erzielt würden.

Laut einer russischen Quelle schlägt Putin mit seiner Haltung ein US-Angebot vom März aus. Washington habe damals die Aufhebung der Sanktionen, die Anerkennung der russischen Herrschaft über die Krim und die Anerkennung der de facto russischen Kontrolle über die seit 2022 eroberten Gebiete in Aussicht gestellt – im Gegenzug für einen vollständigen Waffenstillstand. Die Quelle bezeichnete das Angebot als eine "fantastische Chance", merkte jedoch an, dass es weitaus schwieriger sei, einen Krieg zu beenden, als ihn zu beginnen.

Fazit

Das sinnlose Sterben geht weiter. Nur mit Sanktionen, auch wenn sie sich gegen Russlands Partner richten, wird Trump Putin nicht zu einem Waffenstillstand zwingen. Speziell dann nicht, wenn dieser sich nur noch Monate vom Erreichen der Kriegsziele entfernt wähnt. Damit ist auch klar, was tatsächlich den Erfolg bringen könnte: Putin davon zu überzeugen, dass er diese Ziele eben nicht erreichen kann. Die Frage ist aber, ob Trump bereit ist, die dafür notwendigen Schritte zu gehen - nämlich die Ukraine in einem weit stärkeren Maße zu unterstützen als bisher. Vielleicht würde er das sogar tun - solange die Rechnung andere bezahlen.

1 Kommentar

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  • masi123
    masi123

    Die entscheidenden Akteure im Hintergrund haben aus meiner Sicht, kein eigenes Interesse (natürlich aus unterschiedlichen Motiven) daran, dass eine Seite die Oberhand gewinnt und der Krieg damit endet - letztlich handelt es sich inzwischen um eine Art Stellvertreterkrieg. Die beiden Kriegsparteien selbst glauben i. Ü. an einen Sieg und möchten keine Zugeständnisse (z. B. Diktatfrieden) machen. Der Ablauf dieses Kriegs gleicht einem Pokerspiel und wie beim Pokerspiel wird der Einsatz (Eskalation) in jeder Runde erhöht. Ich erwarte daher mit Eintritt der Sanktionen eine weitere schwere Eskalation und Europa wird der Leidtragende sein.

    13:48 Uhr, 05.08.

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