Kommentar
17:15 Uhr, 04.03.2021

Problematischer Wirtschaftsboom?

Ein ehemaliger Bundesbankchef hat eine gute und eine schlechte Nachricht für Anleger. Die gute: der Wirtschaftsboom kommt. Die schlechte: er führt zu Verwerfungen.

Der frühere Bundesbankchef Axel Weber verheimlicht die gute Nachricht in seinen Aussagen. Er spricht lediglich davon, dass die Inflation überraschend stark ansteigen könnte. Ohne einen Wirtschafts- bzw. Nachfrageboom steigt die Inflation aber nicht. Inflation und Nachfrage sind die zwei Seiten der gleichen Medaille. Damit hat Axel Weber eine andere Meinung als Stephen Roach. Darüber berichtete ich bereits. Roach sieht keinen Boom. Bei Axel Weber ist das anders. Die ersten Anzeichen sehen wir bereits. In den USA, aber auch in Europa, ist der Güterkonsum stark angestiegen. In den USA liegt das Wachstum in einigen Bereichen so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wenn das kein Boom ist, was dann?

Wie sehr zumindest der Teil der Wirtschaft, der Güter herstellt, boomt, zeigen die Lieferzeiten und die Inflation. Abnehmer geben in Umfragen an, dass die Lieferzeiten lang sind und länger werden. Der entsprechende Index erreichte den höchsten Stand seit mindestens 1968 (Grafik 1).


Passend dazu steigen auch die Preise. Die Güterpreisinflation liegt bei knapp 4 %. Das gab es seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr. Der Durchschnittsbürger bemerkt das beim Einkaufen. Die offiziellen Inflationszahlen zeigen das allerdings nicht. Dort sind auch Dienstleistungen enthalten und diese wurden teils günstiger.

Dienstleistungen können und dürfen zum Teil nicht konsumiert werden. Der Lockdown muss dafür erst enden. Der Warenkorb für Konsumenten, den sie effektiv auch kaufen können, wird so schnell teurer wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Roach befürchtet, dass dieser Boom schnell endet. Irgendwann hat jeder einen neuen Fernseher. Weber befürchtet hingegen anhaltenden Inflationsdruck. Das lässt sich nur erklären, wenn Konsumenten auch weiterhin einkaufen gehen. Gründe dafür gibt es viele. Der wohl eindrücklichste: US-Konsumenten haben währenden der Krise 3 Billionen Dollar zusätzlich auf Bankkonten geparkt.

Das sind zwei Billionen mehr als der Trend vermuten lässt (Grafik 2). Ökonomen bezeichnen das als Überschusserspartes. Es ist Geld, das in den Konsum fließen kann. Wenn die Bevölkerung geimpft ist, Lockdowns beendet werden und man auch um seinen Arbeitsplatz nicht mehr fürchten muss, wieso sollte man dann noch überdurchschnittlich viel sparen?


Das ist tatsächlich unwahrscheinlich. Es dürfte zu einem Nachfrageschub kommen. Dieser trifft auf knappe Kapazitäten. Das führt zunächst zu Preisanstiegen und in der Folge zum Kapazitätsausbau. Da so viel Geld zur Verfügung steht und durch Konjunkturprogramme immer mehr kommt, ist ein historischer Boom wahrscheinlicher als ein Ausbleiben eines Booms.

Das ist grundsätzlich erfreulich. Plötzlich gibt es dann aber auch Inflation, wie wir sie seit über 30 Jahren nicht mehr gesehen haben. Das kann zu Verwerfungen führen. Ein Inflationsschock ist für den Markt genauso schädlich wie jeder andere Schock auch. Kurzfristig müssen Anleger nichts tun. Im Herbst mag das anders sein.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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