Fundamentale Nachricht
12:06 Uhr, 04.06.2018

Politische Irrwege bergen Ansteckungsgefahren

Angesichts potentieller Handelskriege und Sorgen um den Zusammenhalt Europas stehen Investoren nach Einschätzung von Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Euroswitch, vor einer herausfordernden Phase.

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Frankfurt (GodmodeTrader.de) - „Unberechenbarkeit bestimmt aktuell die politischen Entwicklungen weltweit“, konstatiert Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Euroswitch, in seiner aktuellen Einschätzung der Kapitalmärkte. Das synchrone globale Weltwirtschaftswachstum sei zwar stabil, aber nicht völlig immun gegen den aktuell vorherrschenden ökonomischen Irrsinn zahlreicher Volksvertreter.

Neben steigenden täglichen Wertschwankungen an den Finanzmärkten, die man bei entsprechend langfristigem Anlagehorizont noch vernachlässigen könnte, drohten potentielle Vertrauensverluste in der Realwirtschaft, die sich unmittelbar auf das Investitionsverhalten auswirken können. Indikatoren wie Einkaufmanagerindizes und Auftragsbücher in langlebigen Wirtschaftsgütern gewännen weiter an Gewicht zur Beurteilung der Stimmungslage in der Realwirtschaft, heißt es weiter.

Die vom US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Einfuhrzölle seien Realität geworden. „Die EU aber auch Kanada haben es nicht vermocht, die US-Administration von den Folgeschäden eines Handelskrieges zu überzeugen. Das verwundert nicht, denn weder der US-Präsident noch sein von ihm erwähltes Gefolge zeigen Verständnis für die simpelsten Zusammenhänge. Es sei kaum vorstellbar, dass so wenig Wissen um Handels- und Leistungsbilanzen in der US-Regierung existiert, vielmehr darf ein zerstörerischer Wille unterstellt werden“, so Böckelmann.

Donald Trump sei damit auf dem Pfad des 31. Präsidenten Herbert Hoover (1929 bis 1933), der mit der Verhängung von Einfuhrzöllen und den Folgereaktionen den Grundstein für einen 60 %-Einbruch der US-Wirtschaft gelegt und für die Verschärfung geopolitischer Konflikte gesorgt habe. Nur vereintes, besonnenes Reagieren der Nachbarländer, Chinas und der EU könne wohl Schlimmeres verhindern. Solange aber die US-Administration in der Besonnenheit der anderen eine Schwäche sehe, werde es schwierig, heißt es weiter.

„Es wird wohl auf die Stimmen in den USA ankommen, den Präsidenten zur Vernunft zu bringen. Aber weder berühmte Universitäten noch Wirtschaftsverbände scheinen sich konsequent kritisch äußern zu wollen – deren Schweigen ist befremdlich. Aber vielleicht ist es noch zu früh. Zum einen hat Donald Trump trotz aller Irrungen insbesondere in Bezug auf die EU und China vereinzelt Recht, zum anderen sind die unmittelbaren Schäden jüngster Entscheidungen noch überschaubar“, so Böckelmann.

Ein geringerer unmittelbarer Schaden für die Wirtschaft – aber eine erhebliche Sprengkraft für den Zusammenhalt der EU und der Eurozone – gehe von den Entwicklungen in Spanien und Italien aus. Die Sozialisten hätten den Ministerpräsidenten durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Gleichzeitig hätten die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega Nord in Italien eine Regierung gebildet. Beide Ereignisse stünden stellvertretend für das Dilemma europäischer, ja sogar globaler unverantwortlicher Schuldenpolitik, heißt es weiter.

Ursache in Europa seien die Konstruktionsmängel der Währungsunion und deren ständige Regelverwässerung, deren Beginn von Deutschland und Frankreich eingeleitet worden seien. Aber die Tatsache, dass unterschiedliche Wirtschaftskräfte und vor allem unterschiedliche Wirtschaftsphilosophien schwer vereinbar seien, werde von den Verantwortlichen bis heute ignoriert und durch die milliardenschweren Interventionen der EZB verdeckt. Eine Jugendarbeitslosigkeit von jenseits der 30 Prozent in Griechenland, Italien und Spanien sei ein Skandal angesichts der „Weiter so“-Mentalität in Brüssel und Berlin. Klartext und harte Reformen wären gefragt, stattdessen herrsche politisch korrektes Wunschdenken, heißt es weiter.

„Wenn Jean-Claude Juncker sich vom EU-Kommissar Günter Oettinger mit den Worten distanziert, nicht die Finanzmärkte, sondern allein die italienischen Wähler würden über die Zukunft Italiens entscheiden, irrt er. Die Zinsmärkte sind nichts anderes als die Gemeinschaft aller Kreditgeber Italiens – und deren Vertrauen oder Ängste werden mitentscheiden. Die europäischen, aber auch die globalen Staatsschulden sind in den letzten 30 Jahren in unverantwortlicher Weise gestiegen. Dabei haben Krisen nur eine marginale Rolle gespielt. So steigen z.B. die deutschen Schulden trotz eines mehrjährigen Wirtschaftsbooms immer weiter“, so Böckelmann.

Egal welche politische Richtung eine Regierung stelle, das Gesetz, dass eine Kreditaufnahme dem zukünftigen Konsumverzicht entspreche, scheine unbekannt oder werde ignoriert. Insofern trügen die zukünftigen Generationen eine erdrückende Last, falls es nicht zu Schuldenschnitten komme. Letzteres forderten die Italiener und es werde eines Tages auch mit allen Konsequenzen unvermeidlich sein, heißt es weiter.

„Angesichts potentieller Handelskriege und Sorgen um den Zusammenhalt Europas stehen wir Investoren vor einer herausfordernden Phase“, so der erfahrene Investmentexperte. Schwankungen in allen Anlageklassen wie Anleihen, Aktien, Rohstoffen und Währungen sollten steigen und verdecken teilweise den Blick auf die wirklich wichtigen fundamentalen Entwicklungen.

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1 Kommentar

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Der Mann sagt, wie es ist:

    "Es sei kaum vorstellbar, dass so wenig Wissen um Handels- und Leistungsbilanzen in der US-Regierung existiert, vielmehr darf ein zerstörerischer Wille unterstellt werden“.

    Mit etwas Phantasie kann man diesen Willen andernorts allerdings auch erkennen. Man denke etwa an die "Eurorettungspolitik" Brüsseler und Berliner Prägung...

    10:24 Uhr, 06.06.2018

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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