Kommentar
13:00 Uhr, 29.06.2024

Patrick Gruhn über Krypto in den USA: "Die Lage ist angespannt"

Wenn es um Krypto geht, scheinen die USA im Chaos zu versinken. Patrick Gruhn erlebt das hautnah mit. Im Gespräch schildert er seine Erfahrungen. BTC-ECHO

Patrick Gruhn ist die Definition eines Selfmade Mans. Im Alter von 18 Jahren trat er eine Serie von Unternehmensgründungen los und bildete sich in der Zeit in den Bereichen IT, Jura und letztlich auch Krypto weiter. Zwischenzeitlich war er infolge eines Unternehmensverkaufs für wenige Monate mit dem Europageschäft von FTX betraut. Heute wohnt der 43-jährige Milliardär im US-Bundesstaat Oregon, besitzt zahlreiche Firmen, berät Unternehmen und Behörden zur Krypto-Regulierung und ist nebenbei Geschäftsführer eines katholischen Fernsehsenders in der Schweiz.

Im Interview mit BTC-ECHO erzählt Gruhn, wie es zu der Übernahme des TV-Senders kam, gibt tiefe Einblicke in die letzten Tage des Imperiums von Sam Bankman-Fried und erklärt, warum die USA als Krypto-Standort zurückfallen könnten.

BTC-ECHO: Sie haben Ihr erstes Unternehmen mit 18 Jahren gegründet. Heute besitzen Sie zahlreiche Firmen in den USA. Wie viel Zeit bleibt da für Ihr Privatleben?

Patrick Gruhn: Ja, das war schon immer sehr beschränkt. Vor allem am Anfang, als ich mein erstes Unternehmen aufgebaut habe, war für Privates eigentlich kaum Zeit. Dadurch blieb vieles an meiner Frau hängen. Das war für sie natürlich auch belastend. Wir haben vier Kinder, da können Sie sich den Aufwand ja vorstellen. Aber das war einfach notwendig, weil ich mir die Zeit für den Aufbau nehmen musste.

Diese extreme Arbeitsbelastung nahm erst vor wenigen Jahren ab, weil ich mittlerweile ein herausragendes Team gefunden habe, an das ich Aufgaben gut delegieren kann. Dadurch habe ich nun natürlich mehr Zeit und Freiheiten, die ich gerne mit meiner Familie verbringe.

Aber ich muss ehrlicherweise auch gestehen, dass ich ein Workaholic bin. Mir macht es einfach Spaß, zu arbeiten (lacht).

Bevor wir gleich mit den Krypto-Themen starten: In der Vorbereitung habe ich gelesen, dass Sie Geschäftsführer des katholischen Fernsehsenders K-TV sind. Wie kam es dazu?

Den ersten Berührungspunkt hatte ich 2006. Damals hatte ich meine erste Firma, einen Webhoster, verkauft und mich mit Jura beschäftigt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich immer wieder auch mal K-TV geschaut.

Der Sender geriet irgendwann in finanzielle Schieflage, weil Kabel Deutschland, das K-TV sein Netz zur Miete überlassen hatte, abrupt die Preise angehoben hatte. Das führte dazu, dass K-TV schließlich das Netz von Kabel Deutschland verlassen musste, weil es die massiven Preiserhöhungen nicht mehr tragen konnte und in Gefahr war, einen Großteil seiner Zuschauer zu verlieren.

Als ich von dem Sachverhalt erfuhr, wollte ich helfen. So kam der erste Kontakt zustande. Ich bot dem Sender an, den gesamten Betrieb über Internet-Streaming aufzusetzen, ähnlich wie wir das heute von Apple TV, Netflix oder Prime kennen. Ich habe dann eine Setup Box entwickelt, die man einfach an den Fernseher anschließen konnte. So war es K-TV möglich, Kabel Deutschland zu verlassen, ohne großartigen Schaden zu nehmen.

Das nächste Problem war allerdings die Sendelizenz. K-TV war damals schon in Deutschland, Österreich und der Schweiz als gemeinnütziger Sender aktiv. Für jedes Land muss man aber unterschiedliches Gemeinnützigkeitsrecht, das Recht des geistigen Eigentums und das Sendelizenzrecht beachten. Das macht es sehr kompliziert.

Der Pfarrer, der eigentliche Gründer des Senders, verzweifelte regelrecht an der Aufgabe. Über einen Techniker, den ich beim Sender kannte, kam ich mit ihm in Kontakt. Weinend erklärte er mir damals am Telefon, dass er aufgeben wolle. Ich erklärte ihm, dass man das Problem auf jeden Fall lösen könne. Wir beide waren ein sehr gutes Team und haben einige Jahre sehr gut zusammengearbeitet. Weil sich der Pfarrer mit den komplexen technischen und juristischen Fragen irgendwann nicht mehr befassen wollte, übertrug er mir nach einer gewissen Zeit die Eigentümerschaft für den Fernsehsender. Er blieb aber bis zu seinem Tod 2017 der geistliche Leiter von K-TV.

Wie sind Sie von da an mit dem Thema Krypto in Berührung gekommen?

Das hatte tatsächlich mit meinem Engagement für K-TV zu tun. Ich hatte damals die ganzen rechtlichen Angelegenheiten für den Sender geklärt und dabei geholfen, eine Stiftungsstruktur aufzusetzen. So kam ich mit ein paar wohlhabenden Spendern von K-TV in Kontakt, die ihre Unternehmens- und Vermögensnachfolge regeln wollten. Für die setzte ich dann Family Offices auf und eines davon hatte 2013 einen Investoren-Pitch von einem Schweizer Krypto-Unternehmen bekommen. So kam ich zu dem Thema, wobei ich mich auch vorher schon für Bitcoin interessiert hatte.

Zwischen 2013 und 2016 hatte ich dann viele Mandate über meine Kanzlei in der Schweiz laufen. Die hatte ich dann letztlich in “Crypto Lawyers” umbenannt, weil wir irgendwann nur noch Krypto gemacht haben. Da arbeiteten wir mit zahlreichen Börsen und Regulatoren zusammen. Viele wussten zu dem Zeitpunkt halt nicht, welches Recht hier anwendbar ist und es gab teilweise Streitigkeiten zwischen der noch sehr jungen Industrie und den Behörden.

Mit dem Wissen, das ich mir in dem Zeitraum angeeignet hatte, gründete ich dann eine weitere Krypto-Firma, die Digital Assets DA AG, mit der ich mich auf die Tokenisierung von Finanzinstrumenten spezialisierte.

Das Unternehmen hatten Sie dann an FTX verkauft und wurden dadurch auch kurzzeitig Head of Europe der Krypto-Börse. Wie haben Sie den Untergang des Firmenimperiums von Sam Bankman-Fried erlebt?

Meine Anteilseigner und ich hatten damals Gespräche mit FTX und anderen großen Börsen. Die Konkurrenz bot uns sogar fast 100 Millionen Dollar mehr. Wir gaben aber FTX den Zuschlag, weil die Krypto-Börse damals einfach am vertrauenswürdigsten schien. Da stand ja die Crème de la Crème an Venture Capitalists dahinter. Deshalb konnten wir schon davon ausgehen, dass dort eine ordentliche Due Diligence gemacht worden war. Nachdem wir die Firma dann verkauft hatten, bin ich repräsentativer Head of Europe bei FTX geworden, hatte aber keinen Einfluss auf das Kerngeschäft in den USA und den Bahamas.

Ich weiß noch, dass Sam Bankman-Fried damals, als die ersten Auszahlungen stockten, bei Slack schrieb, dass die Banken wegen eines Feiertags für die Verzögerung verantwortlich waren.

Von dem Zusammenbruch wurden wir wegen dieser Beschönigungstaktik völlig kalt erwischt. Ich war gerade in einem Telefonat mit dem General Counsel und Kollegen, da kam auf einmal der Tweet, dass angeblich Binance FTX kaufen wolle. Wir sind aus allen Wolken gefallen.

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Hätten Sie es je für möglich gehalten, dass der ganze Fall um FTX solche Dimensionen annehmen würde?

Nein, überhaupt nicht. Selbst viele von Bankman-Frieds engsten Mitarbeitern waren sich darüber nicht im Klaren.

Ich persönlich finde, dass es in Bezug auf das Geschäftsmodell von FTX in der Öffentlichkeit zu einigen Missverständnissen gekommen ist. In den USA wurde Bankman-Fried als eine Art Madoff dargestellt, FTX als eine Art Pyramidensystem, wo von vornherein falsche Versprechungen gemacht wurden. Aber das stimmte so nicht. Das Geschäftsmodell von FTX lief grundsätzlich reibungslos.

Viel mehr war es ein klassischer Fall von Veruntreuung. Bankman-Fried hat in extremer Form in die Kasse von FTX gegriffen, wenn man das einmal umgangssprachlich ausdrücken will.

Sam Bankman-Fried hätte FTX auch retten können, wenn er früh genug seine Fehler offengelegt hätte. Da hätten sich bestimmt Abnehmer für FTX gefunden. So aber stand ihm wohl sein Ego im Weg, er wollte sein Gesicht nicht verlieren und sich öffentlich Fehler eingestehen. Das hat ihm 25 Jahre Freiheitsstrafe beschert und FTX am Ende das Genick gebrochen.

Sie haben dann ihr Unternehmen für 33 Millionen USD aus FTX wieder herausgekauft. Warum?

Weil wir so gut wie nichts mit den anderen FTX-Entitäten zu tun hatten. Wir haben nie Gelder auf die Bahamas oder in die USA überwiesen. Bei uns lagen die Funds in gesonderten Konten, so wie es das EU-Recht vorschreibt. Wir waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet.

Deswegen hatte ich nach dem FTX-Untergang auch mit John Ray, dem Insolvenzverwalter, gesprochen, weil es einfach keinen Sinn machte, bei uns alles einzustellen. Wir hatten unsere eigene Technik, unsere eigene Börsensoftware, und die Gelder waren auch noch da. Wir hätten sofort neu starten können, dann hätten die EU-Kunden ihr Geld auch früher wiederbekommen. Das wurde uns aber nicht erlaubt.

Glücklicherweise haben wir die Firma nun wieder übernommen und können jetzt auch endlich die Kunden auszahlen. Wir planen auch weiter mit dem Unternehmen, dazu kann ich aber aktuell noch nicht so viel preisgeben.

Parallel baue ich aber auch ein anderes Krypto-Unternehmen gerade auf – Perpetuals.com. Da geht es dann um den lizenzierten Derivatehandel mit Krypto. Entsprechende Lizenzen haben wir bereits beantragt. Die Genehmigung dürfte in den nächsten Monaten erfolgen.

“Europa hat einen großen Standortvorteil”

Dann kehren Sie wieder nach Europa zurück. Hier hat sich regulatorisch mit der MiCA einiges getan. Wenn Sie hier den Vergleich mit den USA wagen, hat die EU hinsichtlich Krypto einen Standortvorteil?

Absolut. Es ist ein großer Standortvorteil. Da steht natürlich die Passportierbarkeit der Lizenzen im Vordergrund. In einem Mitgliedsland beantragt, gilt die Erlaubnis für alle EU-Länder. Das ist schon ein Meilenstein.

Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten ist das auf jeden Fall ein Wettbewerbsvorteil. Die USA sind aktuell der Inbegriff der rechtlichen Unklarheit.

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Dann lassen Sie uns doch den Sprung in die USA machen. Sie leben in Oregon, bekommen das ganze regulatorische Chaos hautnah mit. Wie kommen die Unternehmen in diesem Umfeld klar?

Die Lage in den USA ist auf jeden Fall angespannt. Das kriegt man hier schon mit. Diese fehlende Rechtssicherheit ist ein Riesenproblem und gleichzeitig ein großer Wettbewerbsnachteil.

Ich meine, als Unternehmen ist man immer mit Unsicherheiten konfrontiert. Das trifft nicht nur auf Krypto zu. Man hat Unsicherheiten in den eigenen internen Prozessen, bei Mitarbeitenden oder gegenüber dem Markt. Als Krypto-Unternehmer in den USA kommt dann noch dazu, dass man sich nie so ganz sicher sein kann, ob die eigene Tätigkeit von den Behörden als legal eingestuft wird. Und eine solche rechtliche Unsicherheit wünscht sich kein Unternehmer.

Klar, man versucht nun, mit FIT21 ein bisschen gegenzusteuern. Viel spannender finde ich aber, dass das Thema nun auch im Präsidentschaftswahlkampf Einzug gehalten hat. Wenn wir auf Krypto-Twitter schauen, dann ist Donald Trump gerade der große Held.

Die plötzliche Kehrtwende Trumps überrascht allerdings viele. Unter seiner Ägide galt er nicht als besonders Krypto-freundlich. Ist das aus Ihrer Sicht einfach eine späte Einsicht oder doch nur blanker Opportunismus?

Es ist beides, denke ich. Auch seine Partei hat da sicherlich Einfluss auf ihn. Es gibt bei den Republikanern einige Leute, die zu der Überzeugung gelangt sind, dass Krypto gut für das Land ist. Das haben mir verschiedene Gouverneure im Gespräch auch bestätigt.

Auf der anderen Seite hat es Biden mit seiner Anti-Krypto-Haltung Trump aber auch sehr einfach gemacht, diese Position zu besetzen. Dann kommt noch hinzu, dass Trump mit seinen Äußerungen gegen eine digitale Zentralbankwährung einen Nerv bei der Bevölkerung getroffen hat. In den USA fürchtet man, dass durch die Einführung einer CBDC, die “totale Überwachung” käme. Also, er hat schon verstanden, wie er das Thema besetzen muss.

Wenn wir auf den Wahlkampf blicken, dann scheint dieser zumindest auch auf die SEC abzufärben. Eigentlich galt die Behörde eher als Krypto-skeptisch, trotzdem genehmigte man erste Bitcoin ETFs und nun auch Ethereum ETFs. Deutet das nun auf eine Zeitenwende hin?

Das kann man schon so sagen. Vor allem in Bezug auf Ethereum kam der Schritt schon überraschend, weil die SEC Ethereum nun klar als Commodity und nicht als Security wertet.

Allerdings würde ich nicht sagen, dass die SEC per se Krypto-feindlich eingestellt war. Ihr Auftrag ist der Verbraucherschutz. Seien es Pinksheet-Aktien aus der traditionellen Finanzwelt oder dubiose Krypto-Projekte. Es gibt halt viele Leute, die nicht so viel Ahnung vom Finanzmarkt haben und dementsprechend empfänglich sind für unseriöse Versprechungen schnellen Reichtums.

Man muss fairerweise sagen, dass manche Businessmodelle im Krypto-Bereich schon sehr darauf abzielen, eine gewisse FOMO bei den Anlegern zu erzeugen.

Aber wenn man sich anschaut, wen die SEC da verklagt hat, dann sind das doch keine dubiosen Anbieter, die keiner kennt, sondern gestandene Unternehmen wie Coinbase oder Kraken. Wie passt das zusammen?

Genau, darauf wollte ich ja hinaus. Das Problem liegt nicht bei der SEC, sondern beim Gesetzgeber. Es ist diese Rechtsunsicherheit, die die USA lähmt. Die Gesetzgeber haben es hier, anders als in Europa, unterlassen, klare Regeln vorzuschreiben. Das ist aber nicht die Schuld der SEC. Das hat dazu geführt, dass die SEC bestehendes Recht versucht, dem Space aufzuzwingen.

Sie haben die Versäumnisse des Gesetzgebers eben angesprochen. Mit FIT21 scheint die Thematik frischen Wind in den USA zu bekommen. Wann, glauben Sie, können wir das Krypto-Gesetz erwarten?

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass FIT21 noch vor den Präsidentschaftswahlen umgesetzt wird. Der Gesetzgebungsprozess in den USA ist lang und hängt immer von verschiedenen Faktoren ab. Da geht es primär um Kompromisse zwischen den politischen Lagern. Oft werden solche Themen mit anderen Dingen verbunden, seien es Budget-Themen oder Zugeständnisse in anderen Bereichen wie der Einwanderungspolitik. Und am Ende hat der Präsident auch noch ein Wörtchen mitzureden. Dass das alles vor der Wahl geschieht, ist aus meiner Sicht fast ausgeschlossen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Source: BTC-ECHO

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