Kommentar
10:43 Uhr, 15.04.2021

Parallelen zur Finanzkrise 2008 - muss man sich erschrecken?

Vor dem Kollaps von Lehman Brothers, der zur Eskalation der Krise führte, gab es Warnzeichen. Genau die gleichen Warnzeichen gibt es auch jetzt wieder.

Das erste unüberhörbare Warnsignal gab es über ein Jahr vor dem Kollaps von Lehman Brothers. Zwei Hedgefonds von Bear Stearns gerieten in Schieflage. Bear Stearns musste später gerettet werden. Die Investmentbank hatte vor der Rettung allerdings noch einige Monate Gnadenfrist. Anleger nahmen die Schieflage der Hedgefonds zwar wahr, zogen aber die falschen Schlussfolgerungen. Bear Stearns hatte zwei Fonds mit den klingenden Namen „High-Grade Structured Credit Strategies Enhanced Leverage Fund“ und „High-Grade Structured Credit Fund“, die in Schieflage gerieten. Wenn der Name eines Fonds die Länge eines Satzes übersteigt, ist das für gewöhnlich schon eine Warnung. Die Fonds, wie viele andere auch, wurden von Subprime-Hypotheken beeinträchtigt. Im Juni 2007 informierte Bear Stearns, dass einer der Fonds 91 % an Wert verloren hatte. Das erwartet man bei einem Namen „High-Grade“ nicht unbedingt. Wenn Wertpapiere mit AA und AAA Rating zu so hohen Verlusten führen, läuft etwas schief. Man muss nicht einmal wissen, was schiefläuft. Ein deutlicheres Warnsignal gibt es nicht. Der S&P 500 stieg nach der Pleite der Fonds. Als Bear Stearns im März 2008 für 2 Dollar an JP Morgan verkauft wurde, tendierte der Markt ebenfalls wieder aufwärts. Der Aktienkurs von Bear Stearns lag einmal bei knapp 200 Dollar. Zwischen der Pleite der Hedgefonds und der Pleite von Bear Stearns geschah noch etwas. Ein Trader der Société Générale handelte Positionen im Wert von knapp 50 Mrd. Euro. Kein einzelner Trader dieser Welt hat ein so hohes Limit. Die Aufsicht der Bank hatte offenbar versagt. Das Ganze flog auf, als fast 5 Mrd. Verlust realisiert werden mussten... Warnsignale gab es vor der Eskalation der Finanzkrise. Sie lassen sich einfach zusammenfassen...

Zu hohe Risiken wurden eingegangen, teils auf betrügerische Art und Weise. Die Risiken erkannte niemand, weil die Produkte zu kompliziert waren und Kontrollen versagten.

13 Jahre später kommt es zu ähnlichen Vorfällen. Ein Fonds der Credit Suisse geriet in Schieflage. Der Fonds investierte in besicherte Schuldverschreibungen. Eine Bank, Greensill, finanzierte Geschäfte zwischen Unternehmen vor. Ein Zulieferer, der im Normalfall die Ware erst liefert und Wochen später das Geld erhält, konnte seine Forderung abtreten. Das Geld floss sofort und das Risiko lag bei Greensill.

Greensill selbst behielt das Risiko nicht, sondern verpackte es wie damals Subprime-Hypotheken verpackt wurden und endete in Fonds. Eine Versicherung sollte Investoren vor Verlusten schützen. Da die Versicherung nicht verlängert worden konnte, brach alles in sich zusammen.

Auch an übermäßiger Spekulation und Risikobereitschaft mangelt es derzeit nicht. Der Shortseller Hedgefonds Melvin Capital verlor mit Gamestop viel Geld und wurde durch eine Kapitalspritze von fast 3 Mrd. gerettet. Der Hedgefonds Archegos war nicht mehr zu retten. Die Verluste übersteigen 5 Mrd. für die betroffenen Banken.

Der große Unterschied zu 2007/08 ist nicht das exzessive Risiko. Das ist durchaus vergleichbar. Es ist nur nicht so stark konzentriert. Finanzierungsgeschäfte wie von Greensill sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten problematisch. Es ist aber kein Billionenmarkt wie der US-Hypothekenmarkt.

Das Risiko ist heute hoch. Anstatt eines großen Feuers wird es vermutlich immer wieder kleinere geben. Es fehlt an einem großen, systemischen Klumpenrisiko, das alles verbindet. Zumindest wirkt es derzeit so. Auch Anfang 2008 dachten die meisten, dass die Welt noch in Ordnung ist…

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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    Das systemische Klumpenrisiko der Gegenwart ist durchaus vorhanden und es ist der Elefant im Raum, die Rede ist von den Zentralbanken. Sobald ihnen die Kontrolle entgleitet und dafür sprechen einige gute Argumente, bricht an den Märkten die Hölle los.

    13:37 Uhr, 15.04.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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