Kommentar
17:30 Uhr, 13.11.2018

Paradox? Die Arbeitslosigkeit ist zu niedrig

Dass es überhaupt so etwas wie eine zu niedrige Arbeitslosigkeit gibt, ist schon ein starkes Stück. Aber es ist so. Die Arbeitslosigkeit kann zu niedrig sein und zum Problem werden.

Eigentlich gilt: je niedriger die Arbeitslosenrate, desto besser. Ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht. Sehr niedrige Arbeitslosigkeit ist ein Zeichen einer überhitzten Wirtschaft und ist die Wirtschaft erst einmal überhitzt, dauert es nicht mehr lange bis zu einer Rezession.

In den USA sind wir näher an diesem Punkt als viele glauben. Ein Maß dafür ist die Differenz der Arbeitslosenrate zur langfristigen, natürlichen Arbeitslosenrate (siehe Grafik). Seit 18 Monaten ist die Arbeitslosenrate tiefer als dieses natürliche Niveau.


Was das natürliche Niveau genau ist und ob es richtig ist, sei dahingestellt. Als Indikator nutzt es allemal. Es gab seit dem Zweiten Weltkrieg lediglich eine Rezession, der nicht eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenrate vorausgegangen ist. Das war die Double-Dip Rezession Anfang der 80er Jahre.

Es gibt keine Rezession ohne unterdurchschnittliche Arbeitslosenrate. Derzeit liegt die Rate 0,8 Prozentpunkte unter dem natürlichen Level. Das ist ein ziemlich stattlicher Wert. Dieser Wert war in den 60er Jahren höher, doch die Arbeitslosenrate war mit 3,4 % nur unwesentlich tiefer als heute. Kurz gesagt: die US-Wirtschaft befindet sich in der Überhitzung. Aber wieso ist das überhaupt ein Problem?

Überhitzung findet dann statt, wenn das Angebot mit der Nachfrage kaum noch mithalten kann. Die Wirtschaft produziert über ihrem Potenzial. Das ist kurzfristig machbar. Irgendwo findet man immer noch einen Arbeitnehmer, den man einstellen kann und irgendwie lassen sich immer noch ein paar Überstunden reinquestschen – bis es eben nicht mehr geht.

Die US-Regierung hat in einer Situation knapper Ressourcen noch einmal Gas gegeben und für höhere Nachfrage gesorgt. Dadurch läuft die Wirtschaft auf Hochtouren. Nicht zuletzt deswegen hält die Notenbank an ihrer Zinswende fest. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Schon jetzt sind Bremsspuren auf dem Häusermarkt zu erkennen.

Die Stärke der US-Wirtschaft führt unter anderem zu einem starken Dollar. Produkte aus den USA werden immer teurer. Während die USA selbst eine noch moderate Inflationsrate haben, gilt dies nicht für US-Produkte im Ausland. Die Nachfrage sinkt.

In den USA selbst gibt es Bereiche, in denen die Preise überdurchschnittlich schnell ansteigen. Das lässt sich in den aggregierten Daten nicht erkennen. Sie beinhalten auch Güter, deren Preise gerade fallen, so z.B. Ölprodukte.

Wie dem auch sei, es ist unwahrscheinlich, dass der Nachfrageschub durch die Regierung aufrechterhalten wird. Die Nachfrage wird also sinken. Gleichzeitig haben Konsumenten in den letzten Quartalen wieder richtig zugegriffen und über ihre Verhältnisse Geld ausgegeben. Es wurde also viel Nachfrage vorgezogen.

Jetzt droht das alles zu kippen. Wird nicht immer wieder Benzin ins Feuer gegossen, hört es irgendwann auf zu brennen. Ohne neue staatliche Maßnahme ist es soweit. Die Wirtschaft ist an ihre Grenzen gestoßen und kann nicht mehr mithalten.

Es ist zugegebenermaßen etwas paradox, dass hohe Nachfrage zu niedriger Nachfrage führt. So ist es aber und kaum ein Indikator zeigt das so gut an wie die Arbeitslosigkeit. Mit Blick auf den Konjunkturzyklus und wie lange dieser noch anhalten kann, ist die Arbeitslosenrate in den USA inzwischen zu niedrig.

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  • JuliusA
    JuliusA

    Eine alte Börsenweisheit von André Kostolany: „Das Verhältnis von Wirtschaft zur Börse ist wie das eines Mannes auf einem Spaziergang mit seinem Hund. Der Mann geht stetig voran, der Hund rennt vor und zurück.“ Der Hund ist jetzt *sehr* weit nach vorne gelaufen und kriegt Angst, richtig Angst. Die Folge: er rennt langsam aber sicher schnell, sehr schnell zurück zum Herrchen. ;-)

    17:49 Uhr, 13.11. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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