Kommentar
11:15 Uhr, 08.09.2021

Oh je, die EZB tapert schon

Aus saisonalen Gründen hat die EZB ihre Anleihenkäufe im August bereits deutlich verringert. Und es sieht fast so aus, als ob sie ihre Käufe auch nicht mehr substanziell hochfahren wird...

Kaum ein anderes Thema beherrscht die Finanzmärkte derzeit so sehr wie die Frage, wann die Notenbanken damit beginnen, ihre Anleihenkäufe zu reduzieren ("Tapering"). Denn über ihre Wertpapierkäufe pumpen die US-Notenbank Fed und die EZB weiterhin jeden Monat jeweils hohe zweistellige Milliardenbeträge in die Finanzmärkte, obwohl die Inflation bereits explodiert ist und sowohl in Europa als auch den USA deutlich über dem Notenbankziel von zwei Prozent Inflation liegt.

Wann dieses Tapering beginnt, wie schnell es vonstatten geht und wann die Notenbanken womöglich auch damit beginnen, die Zinsen wieder zu erhöhen, bewegt die Märkte. Das ist auch kein Wunder, war der monetäre Expansionskurs seit der Finanzkrise 2008 doch der wichtigste Treiber für steigende Aktienkurse.

Ganz still und heimlich hat die EZB schon im August ihre Anleihenkäufe reduziert, und zwar deutlich. Wurden im Juli im Rahmen des Pandemie-Kaufprogramms PEPP noch Wertpapiere im Volumen von 87,6 Milliarden Euro erworben, waren es im August nur noch 65,1 Milliarden Euro. Im Rahmen des dauerhaften APP-Programms (für das ein monatliches Volumen von 20 Milliarden Euro angepeilt wird) lagen die Nettokäufe im August bei 16,75 Milliarden Euro, nach 21,667 Milliarden Euro im Vormonat.

Die Reduktion der Anleihenkäufe im August hat saisonale Gründe. Die EZB passt ihre Käufe der Marktliquidität an. Da im Sommer auch das Volumen der gehandelten Anleihen zurückgeht, kauft auch die EZB weniger. Das war nicht nur dieses Jahr so, sondern auch schon zuvor.

Allerdings: Obwohl die Reduzierung der Anleihenkäufe vor allem saisonal bedingt ist, dürfte es relativ unwahrscheinlich sein, dass die EZB ihre Käufe in den kommenden Monaten noch einmal substanziell hochfahren wird.

Anders als beim regulären APP-Programm im Volumen von 20 Milliarden Euro pro Monat gibt es für das PEPP-Programm keinen festen monatlichen Richtwert, wie hoch die Käufe ausfallen sollen. Das PEPP-Programm war im März 2020 mit einem Gesamtvolumen von zunächst 750 Milliarden Euro vom EZB-Rat beschlossen und anschließend zwei Mal aufgestockt und verlängert worden, auf einen Gesamtbetrag von nun 1,85 Billionen Euro.

Die folgende Grafik zeigt, dass das monatliche Volumen der PEPP-Käufe bereits seit dem Start des Programms stark schwankte. Wurden von April bis Juni 2020 von der EZB noch Anleihen im Rahmen des PEPP-Programms von mehr als 100 Milliarden Euro pro Monat erworben, ging das Volumen der Käufe im zweiten Halbjahr 2020 bereits deutlich zurück. Für das zweite und dritte Quartal 2021 versprach die EZB dann ein deutlich erhöhtes Volumen der Käufe gegenüber dem ersten Quartal.

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Nach dem saisonal bedingten Rückgang im August dürften die Käufe im September wieder etwas höher ausfallen, wie erste Daten auch bereits zeigen. Trotzdem dürften die Anleihenkäufe in den kommenden Monaten insgesamt wohl nicht mehr so hoch sein wie im Zeitraum April bis Juli 2021, als die EZB monatlich im Durchschnitt für mehr als 80 Milliarden Euro Anleihen kaufte.

Bis Ende August hat die EZB bereits Anleihen im Volumen von rund 1,34 Billionen Euro im Rahmen des PEPP-Programms erworben. Bis zum geplanten Gesamtvolumen von 1,85 Billionen Euro verbleiben noch rund 0,51 Billionen bzw. 510 Miliarden Euro. Verteilt man diesen Restbetrag auf die verbleibenden sieben Monate des PEPP-Programms, ergäbe das einen monatlichen Betrag von rund 73 Milliarden Euro pro Monat.

Nimmt man an, dass die Käufe im September nach dem saisonalen Rückgang im August noch einmal deutlich hochgefahren werden, verbleiben für die restlichen sechs Monate von Oktober 2021 bis März 2022 vermutlich nur noch rund 70 Milliarden Euro monatlich oder weniger bis zum Gesamtvolumen von 1,85 Billionen Euro.

Angesichts einer stark gestiegenen Inflation haben sich in den vergangenen Wochen bereits mehrere Mitglieder des EZB-Rats bzw. des Direktoriums dafür ausgesprochen, auf absehbare Zeit mit einer Reduzierung der Anleihenkäufe zu beginnen. Passiert nichts völlig Unvorhergesehenes (z.B. eine deutlich tödlichere Corona-Variante mit neuen Lockdowns) scheint es aus der derzeitigen Perspektive eher unwahrscheinlich, dass die EZB ihr PEPP-Programm noch einmal aufstocken wird (auch wenn einige Experten durchaus damit rechnen).

In den verbleibenden Monaten des PEPP-Programms dürften die Käufe bereits deutlich geringer ausfallen als im bisherigen Monatsdurchschnitt und insbesondere geringer als im Zeitraum April bis Juli 2021. Auch wenn es offiziell nicht so bezeichnet wird, könnte man also durchaus sagen, dass die EZB mit ihrem "Tapering" bereits im August begonnen hat. Im September dürften die Käufe zwar noch einmal hochgefahren werden (auch weil die EZB für das zweite und dritte Quartal erhöhte Käufe im Vergleich zum ersten Quartal versprochen hatte), anschließend dürfte sich das monatliche Volumen aber wieder reduzieren.

Am morgigen Donnerstag steht der nächste EZB-Zinsentscheid und die nächste Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde an. Gut möglich ist, dass der Markt dann schon Hinweise bekommt, wie sich die EZB ein Auslaufen des PEPP-Programms vorstellt. Mit Entscheidungen selbst wird für morgen allerdings noch nicht gerechnet.


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    Ende des Monats hat Deutschland eine rote Regierung. Dann gibt es gigantische Ausgabenprogramme für das Klima und es ist alles wieder vergessen.

    11:27 Uhr, 08.09. 2021

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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