Kommentar
16:02 Uhr, 16.07.2018

Ölpreis - Wie geht es weiter nach dem Einbruch?

Bis vor kurzem hat sich der Ölpreis exakt so verhalten wie man es nach einem Angebotsschock erwarten würde. Jetzt ist davon nichts mehr zu spüren.

Es war schon fast beängstigend, wie sehr sich der Ölpreis an den Kursverlauf hielt, den man nach einem Angebotsschock erwartet. Es ist ja nicht das erste Mal, dass plötzlich viel Öl auf den Markt kam. Als die Ölpreise in den 70er Jahren stark anstiegen (Ölembargo), wurde viel investiert. Von der Investition bis zum Öl an der Tankstelle ist es ein weiter Weg. Dieser wurde Mitte der 80er Jahre beendet.

Als das Öl auf den Markt kam, brachen die Preise weg (Grafik 1). Danach ging es fast 15 Jahre lang seitwärts. Einen kleinen Ausreißer nach oben gab es während des Golfkrieges. Der Kursverlauf von damals (blaue Linie im Chart) und heute glich sich 20 Monate lang. Seit wenigen Monaten divergiert der Kursverlauf von damals und heute.

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Ein wenig überraschend ist das schon. Die US-Produktion steigt weiterhin rasant an (Grafik 2). Inzwischen produzieren die USA fast 11 Mio. Barrel pro Tag. Das sind noch einmal eine Mio. Barrel mehr als 2014, kurz bevor die Preise in den Keller fielen. Zugegeben, die OPEC hat die Produktionsmenge begrenzt und daher für Unterstützung gesorgt, doch die Fördermengenbegrenzung wurde von den USA komplett ausgeglichen.

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Es drohen nun natürlich bis Ende 2018 neue Einschränkungen. Gehen die Sanktionen gegen den Iran in Kraft, könnte es dazu kommen, dass der Iran 2 Mio. Barrel/Tag weniger exportieren kann. Der Markt bewegt sich dann in einem Defizit. Die Nachfrage ist höher als das Angebot. Die übrigen OPEC-Staaten und Russland könnten dieses Defizit ausgleichen, wenn sie wollten.

Trotz allem ist der Ölpreis ziemlich hoch. Die USA werden die Förderung weiter steigern. Gleichzeitig ist der US-Dollar zuletzt wieder deutlich stärker geworden. Da Öl noch größtenteils in Dollar gehandelt wird, bewegen sich Dollar und Ölpreis parallel (Grafik 3). Der Dollar ist stärker geworden bzw. der Euro schwächer – und trotzdem stieg der Ölpreis. Das ist ungewöhnlich.

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Vielleicht sehen wir gerade einen Anstieg wie wir ihn damals während des Golfkrieges gesehen haben. Es ist möglich, dass diese Preisspitze heute zufällig früher stattfindet und sich in den nächsten Jahren wieder relativiert. Dann stimmt das Playbook wieder.

Kurzfristig sind die Unsicherheiten rund um den Iran groß. Persönlich sehe ich beim Öl wieder tiefere Preise. Solange die Lage rund um die Iransanktionen nicht geklärt ist, ist dieses Szenario ausgesetzt. Mittelfristig erwarte ich noch einmal sinkende Preise. Ob es gleich 15 Jahre lang seitwärts geht, sei dahingestellt. Zumindest einen markanten Preisrückgang sollten wir allerdings noch einmal sehen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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