Kommentar
08:31 Uhr, 10.06.2016

Ölpreis: Es wird ernst

Die Ölpreise WTI und Brent oszillieren um die Marke von 50 Dollar. Es wirkt fast wie ein Luftholen – doch wofür?

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Die sagenhafte Öl-Rallye seit Jahresbeginn hört und hört nicht auf. Das ist bemerkenswert, denn Anleger sind so stark Long positioniert wie lange nicht. Tatsächlich waren Anleger bisher nur ein einziges Mal stärker in eine Richtung positioniert als jetzt. Das war im Juni 2014, kurz bevor der Ölpreis seinen monumentalen Crash begann.

Die übermäßige Longpositionierung muss nicht zwangsweise einen neuen Crash bedeuten. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt jedoch mit zunehmender Einseitigkeit der Anlegerpositionierung. Wenn alle Welt auf steigende Ölpreise setzt, gibt es niemanden mehr, der noch kaufen müsste. Alle, die kaufen wollten, haben gekauft.

Für Öl brechen nun spannende Zeiten an, denn es wird sich nicht nur entscheiden wie es kurzfristig weitergeht, sondern auch langfristig. Die große Richtungsentscheidung steht noch aus. Trotz einer knappen Verdopplung der Preise ist bisher noch nicht eindeutig abschätzbar, ob sich der Preis auch auf Sicht vieler Monate und Jahre wieder nach oben bewegen kann.

Die Grafiken zeigen den nominalen und realen Ölpreis auf Monatsbasis seit 1973. In dieser Zeit gab es drei Phasen. In der ersten stiegen die Ölpreise rasant an (Ölembargo in den 70ern). Die hohen Ölpreise führten dazu, dass westliche Länder ihre Abhängigkeit von Nahen Osten reduzierten, indem sie viel in die Erschließung neuer Ölquellen investierten.

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Als das Ölembargo fiel und der Westen gleichzeitig selbst wieder mehr Zugang zu Öl hatte, kollabierten die Preise und schwankten in einer breiten Range für knapp 20 Jahre. Solange dauerte es bis die niedrigen Preise zu einem deutlich knapper werdenden Angebot führten.

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Von 2003 bis 2008 stieg der Ölpreis wieder rasant an, da das Angebot knapp war. Die niedrigen Ölpreise hatten zu geringeren Investitionen geführt. Durch die hohen Preise von 2007 bis 2013 begannen wieder viele Unternehmen zu investieren, insbesondere in den USA und Kanada, wo alternative Ölquellen in Form von Schieferöl und Ölsanden erschlossen wurden. Das Angebot ist nun da und wird auch so schnell nicht verschwinden.

Die derzeit laufende Bankrottwelle im Schieferölsegment führt temporär zu einem Rückgang der Produktion. Die Quellen sind durch Insolvenzen aber nicht verschwunden. Sie werden von anderen Unternehmen übernommen und können bei höheren Preisen reaktiviert werden. Das sollte den Ölpreis zwischen 50 und 60 Dollar deckeln, denn die meisten Quellen können inzwischen bei Preisen von 50 bis 60 Dollar Gewinne erwirtschaften.

Auch die traditionellen Förderländer wie Saudi-Arabien und der Iran haben noch Luft ihre Produktion auszuweiten. Teilweise ist das eine Überlebensfrage der Regime, die auf jeden Dollar angewiesen sind, um ihre Macht zu erhalten. Es erscheint daher nicht wahrscheinlich, dass der Ölpreis bald wieder auf 100 Dollar steigen wird. Vielmehr muss man mit einer Wiederholung der Zeit von 1986 bis 2003 rechnen.

Keiner kann sagen, ob es wieder über 15 Jahre dauern wird, bis eine größere Ölknappheit herrscht. Man muss sich aber realistischerweise auf eine volatile Seitwärtsphase der Ölpreise im Bereich 45 bis 60 Dollar einstellen. Die Rallye kann also noch etwas weiterlaufen, doch Anleger sollten Vorsicht walten lassen. In den letzten Wochen, in denen der Ölpreis zulegen konnte, folgten viele Ölaktien der Bewegung nicht mehr. Das ist eine ernstzunehmende Divergenz. Aktienanleger scheinen nicht daran zu glauben, dass der Ölpreis noch substantiell gewinnen kann. Andernfalls müssten die Aktienkurse weiter steigen. Das tun sie nicht.

Noch ist die Sache nicht entschieden. Persönlich gehe ich jedoch von einer mehrjährigen Seitwärtsbewegung aus. Konkret würde dies bedeuten, dass sich weitere Preissteigerungen zum Verkauf von Öl und Ölaktien anbieten.

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2 Kommentare

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  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Moin

    Es erscheint daher ( ) wahrscheinlich, dass der Ölpreis bald wieder auf 100 Dollar steigen wird. Vielmehr muss man mit einer Wiederholung der Zeit von 1986 bis 2003 rechnen.

    Hier fehlt ein (nicht)

    08:37 Uhr, 10.06. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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