Kommentar
15:54 Uhr, 13.11.2015

Ölaktien: Besser als ihr Ruf

Seit Monaten warten Anleger auf einen mittelfristigen Boden bei Ölaktien. Bisher hat sich jeder Versuch der Bodenbildung wieder in Luft aufgelöst. Die Charts geben wenig Hoffnung. Doch die Situation ist weniger dramatisch als sie scheint.

Einige Unternehmen der Branche haben inzwischen Gläubigerschutz beantragt. Die große Bankrottwelle ist zwar bisher ausgeblieben, doch der Druck steigt. Durch Insolvenzen ist in den USA eine Förderkapazität von 1,1 Mio. Barrel pro Tag gefährdet. Eine sinkende US Produktion würde den Ölpreis stützen.

Saisonal befindet sich der Ölpreis noch im Niemandsland. Das sollte sich in den kommenden Wochen ändern, denn die Urlaubssaison rund um Weihnachten und Neujahr sorgt für einen Anstieg der Nachfrage nach Ölprodukten. Die Saisonalität spricht für einen stabilen oder leicht steigenden Ölpreis auf Sicht mehrerer Wochen bis Anfang 2016. Anfang November beginnt normalerweise die saisonale Unterstützung. In diesem Jahr lässt sie noch auf sich warten. Ein Ausbleiben wäre bärisch und Öl würde sofort in die saisonal schwächste Phase übergehen. Nach dem üblicherweise guten November und Dezember gibt es saisonal bedingt Gegenwind. Das erste Quartal eines jeden Jahres ist das Quartal, indem die Ölnachfrage am geringsten ist.

Langfristig bleibt die Situation schwierig. Auf Sicht einiger Wochen kann es zum Rebound kommen. Favoriten sind vor allem die Schwergewichte der Branche, also Exxon, Chevron und ConocoPhillips. Die Kurse kamen bei den ganz großen der Ölbranche nicht so stark unter Druck wie die Kurse kleinerer Unternehmen oder Unternehmen, die vor allem Schieferöl fördern.

Als Anleger greift man gerne zu den Aktien, die auch besonders viel verloren haben. Das kann eine Fehlentscheidung sein, denn für gewöhnlich gibt es einen Grund, weshalb die Kurse bei kleineren Unternehmen so stark nachgegeben haben. Sie haben häufig eine schwächere Bilanz und sind auf Fremdkapital angewiesen. Die Ölriesen sind so gut wie gar nicht verschuldet und fördern nicht nur Öl, sondern verarbeiten es auch.

Firmen, die sich auf die Ölförderung spezialisiert haben, werden unter Druck bleiben. Ein Anstieg des Ölpreises auf 50 oder 55 USD wird den Abwärtstrend nicht stoppen. Die großen Ölunternehmen hingegen haben ihr zyklisches Gewinntief inzwischen wohl erreicht. Bei Exxon liegt dieses Tief bei einem Quartalsgewinn von 4 Mrd. USD. Bedenkt man, dass die Branche als krisengeschüttelt und am Abgrund gilt, ist ein Jahresgewinn von 16 Mrd. eine ziemliche Hausnummer. Es fällt einem schwer hier eine existentielle Krise auszumachen.

Die immer noch guten Zahlen von Exxon und Co. lassen sich durch die Aufstellung der Unternehmen begründen. Exxon fördert nicht nur Öl, sondern verarbeitet es auch. Rohöl muss zu Marktpreisen verkauft werden und bringt kaum noch Gewinne. Dafür können die von Exxon betriebenen Raffinerien Rohöl sehr günstig einkaufen. Die Margen im Raffineriegeschäft sind traumhaft.

Die Förderung leidet unter dem niedrigen Ölpreis, die ölverarbeitenden Segmente hingegen bringen Rekordgewinne. Das ist ein großer Vorteil der großen, integrierten Ölunternehmen. Mit den Kursabschlägen und relativ gesehen niedrigen Gewinnen sind die Bewertungen durchaus attraktiv. Exxon handelt zu einem KGV von 22. Das ist zwar kein Schnäppchenpreis, doch das KGV liegt mit 22 unter dem US Durchschnitt. Ebenso darf man nicht vergessen, dass vom derzeitigen Gewinnniveau die Profite fast nur noch steigen können.

Durch die Kursabschläge ist die Dividendenrendite inzwischen lukrativ. Exxons Dividendenrendite liegt bei 3,6%. Man kann auch davon ausgehen, dass Exxon seine Dividenden nicht kürzt. Das Management hat das de facto ausgeschlossen und das Unternehmen schreibt noch immer so hohe Gewinne, dass die Dividendenzahlungen nicht gefährdet sind.

Es liegt fast auf der Hand, dass große Ölunternehmen langfristig ein interessantes Investment sein können. Es gibt auch noch andere Gründe, die für ein gutes Investment sprechen. Der Grund ist in der Grafik dargestellt.

Die Grafik zeigt den S&P 500 im Vergleich mit einem Ölindex seit 1970. Der Ölsektor hat den S&P 500 ganz klar outperformt. Das zeigt sich auch im Verhältnis der beiden Indizes zueinander. Die grüne Linie (rechte Achse) zeigt wie stark der Ölsektor den S&P 500 outperformt hat. Bis Anfang der 80er Jahre stieg das Verhältnis der beiden Indizes (das Verhältnis beginnt bei 1 im Jahr 1970) auf 5,7. Das bedeutet, dass Ölaktien innerhalb von einem Jahrzehnt 5,7 Mal mehr gestiegen sind als der S&P 500.

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Die Outperformance war vor allem den Ölpreisen geschuldet, die bis Anfang der 80er Jahre nur eine Richtung kannten: nach oben. Als der Ölpreis in den 80ern wieder zu sinken begann reduzierte sich auch die Outperformance. Der Ölsektor verlor Anfang der 80er Jahre 45%. Dieser Abstand zum S&P 500 blieb bis zum Jahr 2000 bestehen.

Von 1982 bis zum Jahr 2000 performte der Ölsektor ähnlich gut wie der S&P 500, was sich daran zeigt, dass das Verhältnis aus beiden Indizes einigermaßen stabil blieb.

Mit dem Bullenmarkt der Rohstoffe (Öl, Industrie- und Edelmetalle) begann eine neue Phase der Outperformance, die bis 2011 anhielt. Seitdem performt der S&P 500 besser als Ölaktien. Die Outperformance der Ölindustrie hat sich seit 2011 dramatisch reduziert. Das Verhältnis aus beiden Indizes sackte von 16 auf 9 Punkte ab. Das ist ein Abschlag von fast 45%. So hoch war auch der Abschlag Anfang der 80er Jahre. Es lässt sich durchaus aus gutem Grund hoffen, dass die Underperformance von Öl über die letzten Jahre ein Ende gefunden hat.

Geschichte wiederholt sich natürlich nicht 1 zu 1. Die Parallelen zu den 70er und 80er Jahren sind jedoch bemerkenswert. Derzeit gibt es keinen Grund an einer Wiederholung der Geschichte zu zweifeln. Die Aktien von großen, integrierten Ölunternehmen sind mittelfristig ein Kauf. Besonders lukrativ wären Kurse im Bereich der August und Septembertiefs. Dort bieten die großen Ölmultis 4 bis 6% Dividendenrendite und ein Kurspotential von 20%.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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