Kommentar
08:58 Uhr, 12.05.2016

ÖL - was denn nun?

Der Ölmarkt vollführte gestern eine 180°-Wende. Die Hintergründe dazu sind bestenfalls zweifelhaft.

Wie so häufig bestimmen die USA das Geschehen an den Märkten. Das gilt nicht nur bei den Aktien, sondern auch seit mehreren Jahren beim Öl. Noch vor einem Jahrzehnt waren die USA auf dem Ölmarkt vergleichsweise irrelevant. Da interessierte es niemanden, ob die Produktion um ein paar tausend Barrel pro Tag stieg oder fiel. Heute ist das ganz anders. Jede Bewegung - und sei sie noch so klein - wird vom Markt gleich mit großem Interesse verfolgt und eingepreist. So auch heute.

Bevor ich einen Blick auf die US-Daten werfe, möchte ich zunächst einen Abstecher nach Kuwait machen. Kuwait kündigte nämlich an,ÖL - die Ölproduktion auf 4 Mio. Barrel pro Tag zu steigern. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Kuwait produzierte zuletzt 2,77 Mio. Barrel Öl pro Tag. Eine Steigerung auf 4 Mio. Barrel ist signifikant, selbst wenn sie über einen längeren Zeitraum angestrebt wird.

Bis 2020 soll die Fördermenge von 4 Mio. Barrel erreicht werden. Kuwait will gleichzeitig die Verarbeitungskapazität ausbauen, also selbst mehr Rohöl in Ölprodukte wie Benzin umwandeln. Ebenso soll die Lagerkapazität für Öl und Ölprodukte ausgebaut werden.

Der Plan ist sehr ambitioniert. Das zeigt auch die erste Grafik. Kuwaits Produktion stagnierte fast 10 Jahre lang und wuchs auch davor eher gemächlich an. Die Erweiterung der Förderkapazität ist die wahrscheinlich größte der Geschichte des Landes. Das geht nicht von alleine und bedarf hoher Investitionen. Bei einem rekordhohen Haushaltsdefizit darf man sich fragen, woher das Geld kommen soll.

Die Ankündigung kommt zu einem etwas merkwürdigen Zeitpunkt. Der Ölpreis erholte sich von Januar bis April und gab zuletzt - bis gestern - nach. Eine solche Meldung hätte den Preis durchaus drücken können. Man gewinnt fast den Eindruck, dass das der Plan war. Sich vorzustellen, dass Kuwait nun wirklich Dutzende Milliarden an Investitionen aus dem Ärmel schüttelt, wo es an allen Ecken und Enden an Geld fehlt, erscheint unglaubwürdig.

Die OPEC fürchtet möglicherweise um die einsetzende Konsolidierung. Anfang der Woche hatte ich über die schnell ansteigenden Insolvenzen in den USA und Kanada in der Branche berichtet. Für viele Unternehmen kommt die derzeitige Ölrally zu spät. Sie kann aber viele andere Unternehmen durchaus noch retten und die endgültige Konsolidierung verhindern. Man wird es sehen.

Den USA ist ein steigender Preis über 50 Dollar, am besten sogar 60 Dollar, recht. Das ist ein nachhaltiges Preisniveau für die meisten Produzenten. Es würde die Massenentlassungen stoppen und auch den Investitionsstopp relativieren. Ganz nebenbei würden ausbleibende Insolvenzen dem Bankensektor in die Hände spielen. Den Bankenn können insgesamt über 50 Mrd. an Kreditausfällen drohen.

Nach dem gestrigen Turnaround des Ölpreises dürften sich darauf viele Hoffnungen machen. Technisch hat sich die Ausgangslage wieder deutlich verbessert. Erreicht wurde dieser Turnaround durch einen Rückgang der geschätzten Ölproduktion der USA. Sie sank auf Wochensicht um 23.000 Barrel pro Tag. Bei einer Gesamtproduktion von nun 8,8 Mio. Barrel fällt das eigentlich nicht ins Gewicht, doch jeder Rückgang lässt gleich die Hoffnung aufkommen, dass das Überangebot ein Ende finden wird.

Auch andere Daten nähren diese Hoffnung. Der Lagerbestand ging auf Wochensicht zurück. Grafik 2 fasst die Produktions- und Lagerdaten zusammen. Ein ganz großer Befreiungsschlag ist das nicht, denn immerhin wurden in Kanada zuletzt 1 Mio. Barrel pro Tag weniger gefördert. Die Waldbrände führten zu einem temporären Produktionsstop. Da ein Großteil der kanadischen Produktion in die USA exportiert wird, verwundert es nicht, wenn in der letzten Woche weniger in den Lagern angekommen ist.

Persönlich empfinde ich die veröffentlichten Daten nicht als revolutionär. Eigentlich ändern sie am Gesamtbild gar nichts. Der Markt sieht das anders. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Technisch haben sich die Aussichten wieder verbessert. Fundamental steht der Ölpreis 10 Dollar zu hoch. Ob das den Markt morgen oder nächste Woche zu interessieren beginnt, müssen wir abwarten. Ich bleibe nach einem Preisanstieg von 70 % ein Skeptiker, lasse bestehende Position aber laufen.

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2 Kommentare

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  • sewiet13
    sewiet13

    RIGGING!

    15:30 Uhr, 12.05. 2016
  • Chronos
    Chronos

    Das derzeitige Up ist doch auch zu einem nicht kleinem Anteil den Waldbränden in Kanada geschuldet. Etwa täglich 250.000 Barrel weniger. Wird komplett ignoriert.

    Das dürfte massgeblich für WTI gelten, oder in Europa Shell (unabhängig vom Brent).

    Die Situation (nicht allein die Quellen) Lybia, Syria, Azer, Turk sind alle am kippeln.

    13:19 Uhr, 12.05. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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