Kommentar
17:30 Uhr, 22.02.2016

Öl muss weiter steigen!

Steigende Rohölpreise können nicht alle Probleme dieser Welt lösen, aber es wäre ein Anfang. Die Wahrscheinlichkeit für stark steigende Preise ist im derzeitigen Umfeld gering. Es liegt allerdings im Interesse aller, das Überangebot zu begrenzen.

Die OPEC Länder arbeiten daran, ihre Produktion nicht weiter zu erhöhen. Das ist ein Anfang, aber kaum ausreichend, um das Überangebot abzubauen. Es bedeutet lediglich, dass das Überangebot nicht noch weiter wächst – und selbst das steht auf einem wackligen Fundament. Länder außerhalb der OPEC müssen sich dem Schritt anschließen, sonst droht das Vorhaben noch vor Umsetzung zu scheitern. Russland ist immerhin mit an Bord.

Innerhalb der OPEC ist die Sache weniger klar. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind weniger stark vom Ölexport abhängig als andere Golfstaaten. Der Druck, sich an die Begrenzung der Fördermengen zu halten, um den Ölpreis zu stabilisieren, ist gering. Der Irak wiederum braucht so dringend Geld aus dem Ölexport, dass das Land die Vereinbarung unterwandern könnte. Der Iran, gerade erst an den internationalen Ölmarkt zurückgekehrt, muss seine Produktion erst noch hochfahren, bevor er an eine Begrenzung denkt.

Die Begrenzung der Produktion wird eine Mammutaufgabe. Das ist insofern bemerkenswert, als ein steigender Ölpreis allen nützen würde – und zwar nicht nur den Exportländern. Wird das Überangebot abgebaut und kann der Ölpreis wieder auf 45 oder 50 Dollar je Barrel steigen, dann lösen sich viele Probleme gleichzeitig.

Die OPEC und Russland müssten ihre Produktion um lediglich 5 % kürzen, um einen Preisanstieg auf 45 Dollar zu erzwingen. Lange rechnen muss man da nicht. Ein Preisanstieg von 50 % ist sehr viel mehr wert als die Produktionsmenge von 5 %. Trotzdem haben die Exportländer Angst, dass sie von den anderen betrogen werden, wenn sie kürzen. Keiner will die Produktion kürzen, den Preis steigen lassen, um dann festzustellen, dass andere Produzenten mit konstanten Fördermengen von den höheren Preisen profitieren, während man es selbst kaum tut.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die OPEC den Preis effektiv stützen kann, ist gering. Einen Versuch wäre es wert, denn für Rohstoffexporteure bedeuten höhere Preise auch höhere Einnahmen. Höhere Einnahmen wiederum führen zu einer ganzen Reihe von positiven Effekten. Viele Ölexporteure haben ihre Währungen an den Dollar gekoppelt. Sie müssen diese Dollarbindung derzeit verteidigen, indem sie ihre Dollarreserven für Interventionen auf dem Devisenmarkt verwenden. Viele Länder können das noch eine Zeit lang durchhalten, doch ewig reichen die Reserven nicht.

Die niedrigeren Einnahmen führen auch dazu, dass Länder wie Saudi-Arabien sparen müssen. Das ist ein vollkommen neues Phänomen. Die Bevölkerung muss auf Privilegien verzichten. Ein Ende der Geschenke an die Bevölkerung steigert die Unzufriedenheit und kann langfristig zu politischer Instabilität führen. Damit ist weder den Exportländern selbst, noch dem Rest der Welt gedient.

Für Länder, die bereits ihre festen Wechselkurse aufgegeben haben, hätten steigende Preise auch positive Effekte. Die durch die Währungsabwertung erzeugte und sehr hohe Inflation würde zurückgehen, da die Währungen wieder aufwerten würden. Je höher der Ölpreis und dadurch auch die Einnahmen, desto mehr Geld fließt ins Land. Das sorgt für Aufwertungsdruck.

Höhere Ölpreise führen zu einer Verbesserung der Bonität von Exportländern. Einige Staaten sind inzwischen in den Ramschbereich abgestuft worden. Ihre Möglichkeit sich auf dem internationalen Finanzmarkt Geld zu beschaffen ist praktisch null. Sie sind auf Hilfskredite des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank angewiesen.

Die geringeren Einnahmen und damit einhergehenden Ausgabenkürzungen belasten nicht nur die Wirtschaft der Exportländer, sondern die Wirtschaft weltweit. Es wird weniger investiert und importiert. Das trifft auch Industrieländer in Europa oder Nordamerika. Die fallende Nachfrage nach Gütern aus Industrieländern wird auch nicht durch die Erhöhung unserer Einkommen wettgemacht.

In Ölimportländern steigt das verfügbare Einkommen von Konsumenten. Sie müssen weniger für Benzin oder Heizöl zahlen. Die Ersparnis liegt je nach Land und Verbrauch zwischen 100 und 1.000 Euro pro Jahr und Person. Das klingt zunächst nach viel, doch letztlich ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Ersparnis ist schön, doch sie wird kaum jemanden ermuntern deswegen ein neues Auto zu kaufen, welches ein Vielfaches kostet.

Im Kern der Sache führt die Ersparnis nicht dazu, dass diese Ersparnis auch 1 zu 1 wieder ausgegeben wird. Ein Großteil der Ersparnis wird auf die Seite gelegt. Das hilft Konsumenten in der Eurozone ihre privaten Bilanzen wieder in Ordnung zu bringen. Die Wirtschaft kurbelt es kurzfristig jedoch kaum an.

Müssten wir höhere Preise für Energie zahlen, dann bedeutet das höhere Einkommen in Ländern wie Nigeria, Angola oder Ecuador. In diesen Ländern ist die Konsumneigung sehr viel höher. Fast 100 % des zusätzlichen Einkommens wird ausgegeben. In den USA werden hingegen nur etwa 50 % der Ersparnis ausgegeben. Die niedrigen Ölpreise schwächen unterm Strich das globale Wachstum.

Ganz nebenbei würden höhere Ölpreise für höhere Inflation sorgen. Die Notenbanken könnten endlich aufhören, mit der Notenpresse gegen niedrige Rohstoffpreise vorzugehen. Notenbanken würden sich weniger gedrängt sehen die Geldpolitik noch lockerer zu gestalten. Das liegt nicht nur an höherer Inflation, sondern auch an den Turbulenzen an den Finanzmärkten.,

Der niedrige Ölpreis verursacht die Turbulenzen nicht direkt, hat aber einen indirekten Einfluss. Die Staatsfonds von Ländern wie Saudi-Arabien liquidieren derzeit vor allem risikoreiche Assets. Dazu gehören Aktien. Die Staaten brauchen das Geld und die Reserven, um ihre Währungen zu stützen und Ausgaben zu finanzieren. Die Verkäufe der Staatsfonds bringen die weltweiten Aktienmärkte nicht ganz allein in Bedrängnis, sie tragen jedoch dazu bei.

Steigende Ölpreise würden die Märkte auch schon deshalb weniger belasten, weil die Aktien von Rohstoffunternehmen nicht permanent neue Tiefs erreichen würden. Viel wichtiger als das sind jedoch die Sekundäreffekte. Der Selloff bei Bankaktien zu Jahresbeginn wurde unter anderem durch Befürchtungen begünstigt, dass Banken Rückstellungen von über 100 Mrd. für faule Energiekredite bilden müssen.

Banken werden Kreditausfälle verzeichnen müssen. Sie werden das Finanzsystem nicht in den Abgrund reißen. Dazu sind die Summen zu klein. Nichtsdestotrotz reduziert es die Gewinne der Banken und kann zu erhöhter Risikoaversion der Institute führen. Sie könnten die Kreditvergabe deutlich restriktiver gestalten. Das wiederum belastet die Realwirtschaft.

Wie man es dreht und wendet: von höheren Ölpreisen würde die ganze Welt profitieren. Die globalen Risiken würden sinken und viele Probleme wären gelöst. Es geht dabei nicht um Ölpreise von 100 Dollar aufwärts, sondern um Preise, die zwischen 40 und 60 Dollar je Barrel liegen, also immer noch mindestens 40 % unter den Preisen vor dem Crash. Inzwischen ist die Sache so offensichtlich, dass man fast schon darüber nachdenken müsste, Ländern wie Saudi-Arabien Geld zu bieten, damit sie weniger produzieren.

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4 Kommentare

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  • Chamäleon
    Chamäleon

    Früher war mehr Lametta.

    War es nicht so, das egal welches Argument genommen wurde, den Ölpreis steigen ließ.

    Es gab 1000 Argumente - auch alle gegensätzliche - die zu steigenden Ölpreisen führte.

    Niemand konnte eigentlich wirklich nachvollziehen warum das so war, aber es wurde im nachhinein immer eine "plausible" Erkärung aufgetisch.

    Nun ist es halt umgekehrt, was stehts mein Meinung war, das Öl Grundsätzlich viel zu teuer war. Denn es wurde auch nie bewiesen, was den hochen Ölpreis rechtfertigte.

    Nicht zuletzt das mit dem Peakoil. Uns wurde immer wieder - von Fachleuten - klargemacht,

    das Öl recht bald knapp werden wird, obwohl nie bewiesen wieviel Öl verfügbar ist und geschweige, wie Öl entsteht.

    Es gibt aber Studien, welche besagen, das Öl "nachwächst". Also mit anderen Worten, es kann sein, das Öl für uns niemals knapp wird, Wenn sich das erst einmal überall verdichtet hat, wird Öl in Zukunft noch viel billiger werden als allen - Produzenten - lieb ist.

    Und was ist wenn eine Alternative Energiequelle erschlossen wird? Dann werden wir im Öl ertrinken.

    Vielleicht ist das, was gerade geschieht der Beginn vom Ende des Ölzeitalters.Wer weiß?:-)

    Ich würde auf jedenfall, grundsätzlich nach Shortgelegenheiten suchen, wenn der Ölpreis wieder stark steigen sollte.

    18:47 Uhr, 22.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • sewiet13
    sewiet13

    hahaha...!!!

    18:02 Uhr, 22.02. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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