Kommentar
17:17 Uhr, 20.05.2022

Öl bleibt teuer!

Unabhängig vom Ukrainekrieg wird Öl teuer bleiben. Es muss viel investiert werden. Bis 2026 ist keine Entspannung zu erwarten.

Gegen hohe Preise helfen nur hohe Preise. Das klingt zunächst widersprüchlich, entspricht der Realität jedoch ganz gut. Ist der Ölpreis hoch, lohnt es sich für Unternehmen in die Erschließung neuer Vorkommen zu investieren. Ist der Preis hingegen niedrig, wird weniger investiert. Das führt mittelfristig zu geringerem Angebot und damit steigenden Preisen. Diese Logik gilt bei Rohstoffen und anderen Produkten seit jeher. Es verwundert daher nicht, dass Investitionen in die Erschließung und Förderung von Vorkommen parallel zum Ölpreis verlaufen (Grafik 1). Die vergangenen Jahre waren jedoch besonders schwierige für die Ölindustrie.


Begonnen hatte alles mit einem Überangebot im Jahr 2014. Die US-Fracking-Industrie investierte hunderte Milliarden und als das Angebot auf den Markt kam, reichte die Nachfrage nicht aus. Der Ölpreis kollabierte. Zu allem Überfluss kämpften Saudi-Arabien und andere Produzenten um Marktanteile und fluteten den Markt regelrecht mit Öl. Jeder Tropfen, der aus dem Boden geholt werden konnte, wurde gefördert.

Schieferölproduzenten hielt das nicht davon ab, weiter zu investieren. Die Preise erholten sich daher nur bedingt. Dann kam die Pandemie. Wieder war das Angebot zu hoch. Nach fast einem Jahrzehnt, in dem der Cashflow häufig negativ war, Verluste ausgewiesen werden mussten und Investoren auf Dividenden und Aktienrückkäufe verzichten mussten, war Schluss. Ölfirmen änderten ihre Strategie.

Der Strategiewechsel hat nicht nur mit Ölpreisen zu tun, sondern auch mit dem Klimawandel. Der Druck wird größer, nicht mehr in Öl zu investieren. Stattdessen sollen Ölfirmen in Erneuerbare investieren und Treibhausgasemissionen senken. Das geht nur, wenn weniger Öl gefördert wird.

Unternehmen investieren, was sie investieren müssen und keinen Cent mehr. Das erfreut Aktionäre. Die Dividenden waren selten so üppig, die Aktienrückkäufe selten so hoch. Der Strategiewandel führt nun dazu, dass die Investitionen nicht zusammen mit dem Ölpreis steigen.

Die Nachfrage kann aktuell bedient werden. Da in den vergangenen Jahren wenig investiert wurde und Ölquellen mit der Zeit weniger Öl liefern, wird das Angebot erst in den kommenden Jahren unter den niedrigen Investitionen leiden. Grob lässt sich das an der Lagerbestandsentwicklung in den USA und den weltweiten Investitionen erkennen (Grafik 2). Der Lagerbestand steigt ca. vier Jahre nach höheren Investitionen an.


Die Unterinvestierung der letzten Jahre führt so aller Voraussicht nach bis 2026 zu begrenztem Angebotswachstum. Dies berücksichtigt nicht einmal das Öl, welches aus Russland fehlen wird. Ölsanktionen sind nur eine Frage der Zeit. Ölknappheit und höheren Preisen kann man nur entgehen, wenn sehr schnell auf Erneuerbare umgestellt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Kraftanstrengung gelingt. Öl wird unter der üblichen Volatilität für viele Jahre teuer bleiben.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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