Kommentar
08:55 Uhr, 04.11.2016

Ob Clinton oder Trump – die nächste Rezession kommt

Die nächste Rezession steht vielleicht nicht direkt vor der Tür, doch wer auch immer der nächste Präsident der USA wird, muss wohl eine Rezession bekämpfen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann während der nächsten Amtszeit eine Rezession beginnt, ist hoch. Die vom Wall Street Journal befragten Ökonomen gehen ziemlich fest von einer Rezession innerhalb der nächsten vier Jahre aus. Der nächste Präsident muss sich demnach mit einem Abschwung auseinandersetzen und dagegenhalten.

Die Vorhersage, dass in den nächsten vier Jahren eine Rezession beginnt, ist nicht gerade spezifisch. Vier Jahre sind eine lange Zeit. Je länger der Zeitraum ist, für den ein bestimmtes Ereignis vorhergesagt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Ereignis auch eintritt. Wenn man z.B. einen Crash innerhalb der nächsten drei Wochen vorhersagt, dann muss man schon wirklich sehr gut sein, um Recht zu bekommen. Sagt man hingegen einen Crash innerhalb der nächsten 10 Jahre voraus, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in diesem Zeitraum wirklich einen Crash geben wird, nahezu 100 %.

Es ist keine besondere Kunst eine Rezession irgendwann innerhalb der nächsten vier Jahre vorherzusagen. Das gilt insbesondere dann, wenn man die Dauer der vergangenen Expansionen kennt. Die Grafik zeigt alle wirtschaftlichen Expansionen seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur drei Expansionsphasen waren bisher länger als die aktuelle.

Der aktuelle Aufschwung geht in sein achtes Jahr. Das ist nahezu sensationell, wenn man die Ausgangslage bedenkt. Mit derzeit sieben Jahren Länge ist der Aufschwung noch nicht extrem lang. Der Durchschnitt aller neun Expansionsphasen in der Nachkriegszeit lag bei knapp sieben Jahren.

Die Dauer ist nicht wirklich bemerkenswert. Dafür ist etwas ganz Anderes bemerkenswert: die geringe Dynamik. Kein Aufschwung war bisher so langsam und zäh wie der aktuelle. Das liegt allerdings gut im Trend. Der letzte Aufschwung, der 1991 begann, war der bisher längste, aber auch jener, der die zweitschlechteste Dynamik auswies.

Mit etwas Fantasie lässt sich ein gewisser Trend erkennen. Die Dauer der Expansionsphasen wird länger, dafür lässt die Dynamik nach. Diese Hypothese lässt sich bisher weder testen noch beweisen. Es fehlt an Erfahrung. Die Stichprobe ist sehr klein, doch dass sich etwas geändert hat, kann man durchaus mit einer gewissen Sicherheit sagen.

Die Notenbank von San Francisco hat alle Expansionsphasen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg untersucht. Sie stellt dabei einen erheblichen Unterschied zwischen diesen zwei Perioden fest. Ein Aufschwung, der vor dem Zweiten Weltkrieg stattfand, hatte eine erheblich größere Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter abrupt zu enden. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das nicht mehr der Fall.

Man hört von Janet Yellen immer wieder, dass ein Aufschwung nicht aufgrund seines Alters stirbt. Damit hat sie vollkommen Recht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aufschwung im nächsten Jahr endet, ist immer 23 %. Vor dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich diese Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter der Expansion.

Vorstellen kann man sich das anhand eines Beispiels. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch stirbt, mit zunehmendem Alter. Ein Fünfzigjähriger stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % innerhalb des nächsten Jahres. Wer 100 ist, stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel im nächsten Jahr. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit zunehmendem Alter, dass man stirbt.

So ging es auch den Expansionsphasen vor dem Zweiten Weltkrieg. Seither hat sich etwas Fundamentales geändert, denn die Wahrscheinlichkeit steigt nicht an, sondern bleibt gleich. Die Chance, dass die US-Wirtschaft im kommenden Jahr in die Rezession rutscht, liegt bei 23 %. Diese Chance ist jedes Jahr gleich.

Nun kann man sich dennoch fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass es Jahr um Jahr nicht zu einer Rezession kommt. Das ist wie beim Münzwurf. Die Wahrscheinlichkeit, Kopf zu werfen, ist bei jedem Wurf 50 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass man 3 Mal hintereinander Kopf wirft, ist hingegen deutlich geringer (12,5 %).

Die Grafik zeigt neben den historischen Expansionen auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aufschwung weitergehen kann. Das ist wie beim Münzwurf. Wenn man bereits eine Serie von 5 Mal Zahl hatte, ist die Frage, wie wahrscheinlich eine Serie von 6 Mal Zahl ist. Umgemünzt auf den aktuellen Aufschwung heißt das: die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Serie von mindestens 8 Jahren Aufschwung erleben, liegt bei 16 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass im kommenden Jahr eine Rezession einsetzt, bleibt aber bei 23 %.

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Um die Sache nun noch etwas komplizierter zu machen: Es gab einen systematischen Wandel in der Phase vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Wer sagt, dass es nicht auch einen solchen Wandel nach der Finanzkrise gab? Wissen kann das niemand. Es könnte jedoch durchaus sein, dass Expansionen generell weniger dynamisch vonstattengehen, dafür aber länger andauern.

Warnungen, dass wir kurz vor der nächsten Rezession stehen, sind übertrieben. Wenn jemand sagt „es wird Zeit für die nächste Rezession“, dann ist diese Aussage substanzlos. Auf Sicht der kommenden vier Jahre kann man einen Abschwung vermuten, doch besonders stichhaltig ist das nicht. Es ist eine wilde Vermutung, die sich nicht durch Zahlen belegen lässt.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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