Kommentar
16:30 Uhr, 20.10.2022

Notenbanken, die scheinbar pleite gehen

Eine Notenbank kann nur auf dem Papier bankrottgehen. Das geschieht derzeit allerdings reihenweise. Dafür gibt es auch gute Gründe.

Seit der Finanzkrise waren Notenbanken Gewinnmaschinen. Dank großflächiger Interventionen und Bilanzsummen, die regelmäßig neue Rekordwerte erreichten, verdienten Notenbanken viel Geld. So hält die US-Notenbank derzeit über 5 Billionen an Staatsanleihen. Die Zinsen, die der Staat für die Anleihen zahlt, sind Zinseinnahmen der Notenbank.

Diese Einnahmen erreichten Anfang des Jahres einen Rekordwert und führten zu hohem Gewinn. Der annualisierte Gewinn im ersten Quartal 2022 lag bei 142 Mrd. Dollar. Ein Großteil des Gewinns wird an den Staat abgeführt. In den vergangenen Jahren konnte sich das US-Finanzministerium regelmäßig über eine Gewinnabführung in der Höhe von 80-100 Mrd. pro Jahr freuen.

Auch im Rest der Welt, ob Großbritannien, Schweiz oder Eurozone, Notenbanken lieferten Milliardengewinne an den Staat ab. Dies reduziert die Kosten der Verschuldung und entlastet den Haushalt. Nun müssen Staaten darauf verzichten.

Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen verlieren Notenbanken über den Marktwert ihrer Anlagen viel Geld. Bei der US-Notenbank wird wöchentlich der theoretische Betrag berechnet, den die Fed dem Staat schuldet. Dieser Betrag entspricht ungefähr dem Gewinn.

Der tatsächliche Gewinn wird nur quartalsweise ausgewiesen. Noch im zweiten Quartal schrieb die Fed einen hohen Gewinn. Seither hat sich das Blatt gewendet. Im jüngsten Quartal schrieb die Fed annualisiert fast 100 Mrd. Verlust (Grafik 1). Der Staat muss zukünftig auf Gewinnabführung verzichten.


Da die Fed und andere Notenbanken in der Vergangenheit den Großteil ihrer Gewinne abgeführt haben, blieb das Kapital nahezu unverändert. Notenbanken sind schlecht kapitalisiert. In der Praxis benötigen sie auch kein Kapital. Sie können Geld schaffen und nur in der Theorie bankrottgehen.

Auf dem Papier sind die meisten Notenbanken bald bankrott. Bis Ende des Jahres dürfte das Kapital der Fed durch Verluste aufgezehrt sein. Damit ist sie nicht die einzige Notenbank. Steigende Zinsen reduzieren den Marktwert des Anleihebestandes. Andere Notenbanken, wie die Schweizer Nationalbank, hat zudem noch ein Währungsrisiko.

Weil der Franken aufwertete und Anleihen und Aktien an Wert verloren, schrieb die SNB im ersten Halbjahr einen Verlust von 95 Mrd. (Grafik 2). Damit ist das Kapital noch nicht aufgezehrt, hat sich zum Halbjahr allerdings halbiert.


Da inzwischen die Leitzinsen und Einlagensätze wieder im positiven Bereich sind, zahlen Notenbanken an Geschäftsbanken Zinsen für Einlagen. Auch dies belastet. Banken haben viel Liquidität und müssen sich kaum Geld bei der Notenbank leihen. In der Vergangenheit hatte eine Notenbank so Zinseinnahmen, die jetzt zumindest kurzfristig nicht anfallen. Erst muss die enorme Überschussliquidität abgeschöpft werden.

Auf absehbare Zeit schreiben Notenbanken hohe Verluste. Auf dem Papier dürften die meisten Notenbanken spätestens 2023 bankrott sein.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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    Von Interesse wäre, dies im Vergleich zu vergangenen Hochzinsperioden zu bewerten, oder ob dies ein erstmaliges Ereignis darstellt. Dazu möchte der Leser sicherlich wissen, ob dies zukünftig möglicherweise Auswirkungen auf den eigenen Geldbeutel haben könnte.

    19:42 Uhr, 20.10.2022
  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Reißerischere Überschrift eines Artikels, welcher inhaltlich alles schuldig bleibt.
    Vor allem kann man von einem solchen Artikel auch erwarten das aufgezeigt wird, was dies konkret bedeuten kann und / oder wie es sich dann zwangsläufig darstellen muss.
    Ein Konjunktiv am Ende zeigt die Fragen auf, aber keine Antworten.

    17:05 Uhr, 20.10.2022