Kommentar
08:20 Uhr, 28.09.2016

Niedrige Ölpreise sind kein Konjunkturprogramm!

Als der Ölpreis 2014 zu fallen begann freuten sich viele Ökonomen und Politiker. Allen war klar, dass der niedrigere Preis wie ein Konjunkturprogramm wirken würde. Das Wirtschaftswachstum beschleunigte sich entgegen der Erwartungen nicht. Wieso?

Fallende Ölpreise haben ganz unterschiedliche Wirkungen. Länder, die von Ölimporten abhängig sind, sollten durch niedrigere Preise eigentlich einen Wachstumsschub erhalten. Ölexporteure hingegen sollten einen Abschwung erleben. Weder das eine noch das andere trat wirklich ein.

Die Erklärung dafür, dass keine der Prognosen eintrat, hat viel mit dem Ausmaß des Preisrückgangs zu tun. In den USA sparten Haushalte durch die niedrigeren Ölpreise zwar zwischen 100 und 150 Mrd. Dollar, doch dem standen hohe Reduktionen bei Investitionen gegenüber.

Grafik 1 zeigt wie sich die Investitionen in Gebäude und Strukturen außerhalb des Wohnsegments seit Q3 2014 in den USA entwickelt haben. Die Investitionen gingen um über 50 Mrd. zurück. Die Gesamtinvestitionen in den USA fielen um 200 Mrd. Dollar, wobei ungefähr die Hälfte davon der Rohstoffbranche zugerechnet werden kann.

Der Konsum konnte im gleichen Zeitraum weiterhin stark wachsen. Besonders in den letzten drei Quartalen zog der Konsum wieder an. Verbraucher gaben einen Teil der Ersparnis durch die niedrigen Ölpreise aus. Einen kleineren Teil sparten sie.

Grafik 2 fasst die einzelnen Effekte zusammen. Das zusätzliche Wachstum des Konsums trug bisher zu einer Steigerung der Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozentpunkte bei. Die geringer ausgefallenen Investitionen senkten das Wachstum um 0,62 Prozentpunkte. Der positive Effekt durch eine Verbesserung der Handelsbilanz ist vernachlässigbar. Unterm Strich lag der positive Effekt bei 0,12 %. Das ist kaum der Rede wert.

Der höhere Konsum wurde fast vollständig durch einen Rückgang bei den Investitionen wettgemacht. Ein Konjunkturprogramm gab es also nicht. Eine ähnliche Systematik war in anderen Ländern zu beobachten. In Europa kam ein Teil der niedrigeren Ölpreise gar nicht erst bei den Verbrauchern an, weil der Euro abwertete. Hohe Steuern führen zudem dazu, dass sich fallende Ölpreise nicht eins zu eins in den Benzinpreisen widerspiegeln.

Obwohl die meisten europäischen Länder Importeure von Öl sind, war der Preiseffekt relativ gering. Die Sparneigung ist zudem in vielen EU Staaten nach wie vor hoch. Haushalte leiden immer noch unter hohen Schuldenbergen. Die Ersparnis wurde teilweise zur Konsolidierung der Finanzen genutzt.

In Exportländern waren die Effekte sehr unterschiedlich. Länder wie Venezuela oder Brasilien leiden unter den Folgen niedriger Rohstoffpreise. Diese Länder haben auch nicht den finanziellen Spielraum durch höhere Staatsausgaben den Konsum und die Investitionen anzuschieben. Ganz anders sah das auf der Arabischen Halbinsel aus. Hier wurden wegbrechende Einnahmen durch Schulden ersetzt bzw. Reserven aus den Staatsfonds genutzt, um die Wirtschaft zu stützen.

Weltweit war der Effekt der niedrigeren Preise vermutlich negativ. Entwicklungsländer, die oftmals gleichzeitig Rohstoffexporteure sind, befinden sich in wirtschaftlichen Krisen. Sie importieren entsprechend auch weniger aus den Industrieländern, wo der Wachstumseffekt durch die niedrigeren Ölpreise kaum wahrnehmbar ist.

Der Rückgang des Ölpreises war zu ausgeprägt, um einen positiven Effekt zu haben. Der Preis ist so niedrig, dass er Investitionen abgewürgt hat. Ein Konjunkturprogramm wäre es wahrscheinlich nur geworden, wenn der Preisverfall bei 60 bis 70 Dollar gestoppt worden wäre. Zu diesen Preisen hätten Konsumenten immer noch mehr konsumiert, die Investitionen wären jedoch kaum gekürzt worden.

Das Überangebot an Öl wird noch lange den Markt bestimmen. Die OPEC nähert sich ganz langsam an. In Algier kamen sich Saudi-Arabien und der Iran gestern immerhin etwas näher. Eine Drosselung der Fördermenge, beginnend im nächsten Jahr und über einen Zeitraum von 12 Monaten, ist möglich. Aktuell geht es jedoch um eine Drosselung von 1 Mio. Barrel aller OPEC Länder zusammen. Das wird das Ruder nicht herumreißen, sodass der Ölpreis weiterhin eher ein Belastungsfaktor bleibt.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Jörg Eberlein
    Jörg Eberlein

    Zudem, wenn wir bei Investitionen sind, die Bausausgaben sind 2016 bislang kräftig gestiegen.

    21:12 Uhr, 28.09.2016
  • Jörg Eberlein
    Jörg Eberlein

    Ach, sehr interessant. Und wenn der Ölpreis steigt gibt es weder Investitionen noch eine Steigerung der Konsumausgaben. Insofern war das deutlich ein Konjunkturprogramm denn was ist Konsum denn? Man kauft sich High Tech Geräte,Autos ect. Wenn wir von Investitionen sprechen, damit sind wohl überwiegend Unternehmensinvestitionen gemeint also hier sehe ich einen Vergleich, den es nicht gibt.

    21:10 Uhr, 28.09.2016
  • MMeier2
    MMeier2

    >Aus welchem Grund sollten bei einem Ölpreis von 60 - 70 USD die Investitionen nicht gekürzt worden sein? Können Sie das irgendwie begründen?<

    Dies läßt sich leicht sogar im Rahmen der "Standard-VWL" erklären, in dem Herr Schmale sich bewegt. Ein höherer Ölpreis verspricht lohnendere Investitionen. Herr Schmale meint, dieser Preisbereich hätte einerseits für höhere Konsumtion gesorgt, aber auch noch die Investitionen lohnend erscheinen lassen. Eine Win-Win-Situation. :-D

    12:35 Uhr, 28.09.2016
  • tommess
    tommess

    "Ein Konjunkturprogramm wäre es wahrscheinlich nur geworden, wenn der Preisverfall bei 60 bis 70 Dollar gestoppt worden wäre. Zu diesen Preisen hätten Konsumenten immer noch mehr konsumiert, die Investitionen wären jedoch kaum gekürzt worden."

    Aus welchem Grund sollten bei einem Ölpreis von 60 - 70 USD die Investitionen nicht gekürzt worden sein? Können Sie das irgendwie begründen?

    Wenn jemand weniger durch den Ölpreis spart, soll er dadurch dann mehr ausgeben für Investitionen. Und wenn er mehr einspart, dann gibt er deswegen weniger für Investitionen aus?
    Klingt für mich irgendwie unlogisch.

    08:46 Uhr, 28.09.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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