Kommentar
11:38 Uhr, 03.02.2015

Niedrige Anleiherenditen sind kein Zeichen für eine Wirtschaftskrise

Die großen Zentralbanken dominieren den Anleihemarkt zusehends. „Nie haben diese Institutionen so viele Anleihen besessen wie gegenwärtig“, erklärt Chris Iggo, CIO Fixed Income bei AXA Investment Managers. „Und es zeichnet sich ab, noch stärker in diese Richtung gehen könnte, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) beginnt, ihre Bilanz auszuweiten.“ Notenbanken, die bereits Quantitative-Easing-Programme hinter sich haben, hätten Bilanzsummen in Höhe von 20 bis 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ihres jeweiligen Wirtschaftsraumes. Die Bilanzsumme der Schweizerischen Nationalbank habe vor der Freigabe des Frankenwechselkurses vor wenigen Wochen sogar bei 80 Prozent des BIP gelegen. „Das Ausmaß der Anleihekäufe durch Zentralbanken ist überwältigend und erklärt zu einem großen Teil, warum die Kurzläufer-Renditen auf vielen Märkten negativ sind und warum die Renditen 30-jähriger Anleihen so niedrig sind wie nie“, so Iggo.

Aus dem Zustand des Anleihemarktes auf eine tiefe Konjunkturkrise zu schließen, wäre aber falsch, so der Fixed-Income-Experte weiter: „Die Schlüsse, die man aus den niedrigen Renditen am Anleihemarkt ziehen müsste, sind meiner Ansicht nach in Bezug auf den Zustand und die Aussichten der globalen Wirtschaft viel zu pessimistisch.“ Schließlich ziehe das Wachstum in vielen Wirtschaftsräumen an, und die niedrigen Energiepreise seien alles in allem positiv für reale Einkommen, Konsum und Investitionen außerhalb des Energiesektors. „Ich glaube deshalb, dass das Niveau der Anleiherenditen nicht im Einklang steht mit dem zu erwartenden nominalen Wirtschaftswachstum“, erläutert Iggo. Das größte Risiko für Anleihen sei daher eine Änderung der Erwartungen über die Entwicklung der Geldpolitik und der Inflation. Dies stehe aber vermutlich nicht unmittelbar bevor, sodass die Renditen noch eine Weile niedrig bleiben dürften.

Allerdings falle es weiterhin schwer, attraktive Anleiheinvestments zu finden, wenn man keine sehr pessimistische Sicht auf die Welt habe, so Iggo: „Meine bevorzugte Asset Allocation wäre, einen Teil der Aktien-Allokation eines ausgewogenen Portfolios durch High Yield Bonds zu ersetzen und den Anleihe-Anteil aufzuteilen in kurz laufende Unternehmensanleihen und inflationsindexierte Anleihen.“ Letztere könnten einerseits die Duration des Portfolios erhöhen, andererseits aber auch einen gewissen Schutz gegen anziehende Inflationserwartungen bieten, die aus dem Quantitative Easing der EZB resultieren könnten.

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