Kommentar
11:18 Uhr, 17.03.2017

Niederlande-Wahl: Die Lehren, die man daraus ziehen kann

Vielen ist bei den ersten Hochrechnungen vorgestern wohl ein Stein vom Herzen gefallen. Geert Wilders hat die Wahl nicht gewonnen. Wegweisend ist das Ergebnis trotzdem nicht.

Die meisten Regierungen in der EU atmen auf und gratulieren dem Wahlsieger Mark Rutte geradezu frenetisch. Es geht dabei nicht um Rutte oder seine Partei. Es geht allein darum, dass sie nun nicht Wilders gratulieren müssen. Rutte kann in einer Koalition mit drei anderen Parteien weiterregieren. Das bedeutet letztlich, dass sich weder für die Niederlande noch für die EU sehr viel ändern wird.

Die Regierenden in Deutschland, Frankreich usw. reiben sich die Hände. Der Aufstieg der Rechtspopulisten hat an Schrecken verloren. Der Aufstieg wurde gebannt. Das ist überraschenderweise ein Trend, der bereits länger anhält. Zuerst gewann Norbert Hofer (FPÖ) in Österreich die Präsidentenwahl nicht. Nun bekommt Wilders eine Abfuhr. Wer ist der oder die nächste?

Alle hoffen nun, dass als nächstes Marine Le Pen bei den Wahlen abgeschlagen bleibt. Die Umfragewerte sagen etwas anderes, doch wenn die Wahlen in den Niederlanden eine Lehre sind, dann sicherlich, dass die Ungenauigkeit von Umfragen nicht immer Zugunsten von weit rechten oder weit linken Parteien sein muss. Beim Brexit-Referendum lag bis zuletzt das "Bleiben" Lager vorne. Gewonnen hat das Brexit Lager. In den USA lag Clinton bis zum Wahltag Siegerin. Effektiv gewonnen hat dann Trump.

Das wurde so interpretiert: die Umfragen unterschätzen die Außenseiter bzw. die Anti-Establishment Parteien, Positionen oder Personen. In Österreich und den Niederlanden war es nun umgekehrt. Die Umfragewerte für die Establishment Parteien waren zu niedrig. Wie die sehr wahrscheinliche endgültige Sitzverteilung zeigt (s. Grafik), dürfte Rutte im vergleich zu den letzten Umfragen einen regelrechten Erdrutschsieg eingefahren haben. Wilders hingegen erlebte einen Rutsch der anderen Art. Man könnte es auch Crash nennen.

Die Erleichterung ist in vielen Regierungen groß. Sie hoffen nun, dass sie bei den nächsten Wahlen doch nicht so schlecht abschneiden werden wie derzeit prognostiziert. Sie rufen gar den Aufstand gegen sich und die EU als beendet aus. Das ist ein Fehler, denn der Aufstand hat ja einen Grund. Trump stellt gerade unter Beweis, dass seine Art von Persönlichkeit und Position nicht unbedingt das ist, was Europäer wollen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich deshalb mit dem aktuellen Status zufrieden geben.

Die Unzufriedenheit ist ja nicht weg, nur weil es keine wählbare Alternative gibt. Sich nun zurückzulehnen und gleich jegliche Anstrengung zu beenden, die Politik und die EU zu reformieren, wäre absolut falsch. Zu befürchten ist jedoch genau das. Es kommt unter den Regierenden das Gefühl auf: Glück gehabt, der Aufstand ist vorbei. Jetzt weiter so wie bisher.

Die Lehre des auch von Sonderfaktoren (Streit mit der Türkei) beeinflussten Ergebnisses darf nicht sein, dass es nun weitergehen darf wie bisher. Die Ergebnisse sind keine Zustimmung zur aktuellen Politik, sondern eine Ablehnung von polternden Rechtspopulisten. Fairerweise muss man jedoch auch festhalten, dass diese immer noch gute Ergebnisse einfahren, selbst wenn sie nicht die Stimmen erhalten, die ihnen vorausgesagt wurden. Wilders ist immer noch auf Platz 2. Das ist eine große Leistung für ihn und seine Partei. Das darf man nicht ignorieren. Im Gegenteil sogar: nüchtern betrachtet ist das Ergebnis immer noch eine schallende Ohrfeige fürs Establishment. Es wird zwar anders dargestellt und gefeiert, doch das ist meiner persönlichen Meinung an der Realität vorbei.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Lumpazi
    Lumpazi

    ,, ... dürfte Rutte im vergleich zu den letzten Umfragen einen regelrechten Erdrutschsieg eingefahren haben." Bekanntlich zielt ein Erdrutsch nach unten. Wir lernen aber: Stimmen-/Sitzverluste führen zum Sieg!

    ,,Wilders hingegen erlebte einen Rutsch der anderen Art. Man könnte es auch Crash nennen." Wir lernen erneut: Stimmen-/Sitzgewinne führen zum Crash!

    Wollt ihr den totalen Blödsinn? Willkommen in der großen Orwell-Show!

    12:32 Uhr, 19.03.2017
  • Buerger
    Buerger

    der Aufstieg der sog. Rechtspopulisten wurde gebannt......wirklich?

    Die Koalition unter Rutte hat die Hälfte ihrer Sitze verloren,

    die Sozialdemokratische Partei der Niederlande hat drei Viertel ihrer Sitze verloren!!!

    Rutte ein Fünftel verloren.

    Seine harte Gangart gegen die Türkei, womit er Wilders kopiert hat, hat ihn davor bewahrt, noch mehr zu verlieren.

    Wilders hat ein Drittel! hinzugewonnen......

    In Österreich ist die Präsidentenwahl extrem knapp ausgegangen, die großen etablierten Parteien waren nicht einmal mehr dabei!!

    ......und im Herbst wird gefeiert, das die AfD noch nicht stärkste Partei geworden ist.....

    Die Lehre....

    ohne das Totalversagen der etablierten Parteien gäbe es diese sog. rechtspopulistischen Parteien gar nicht

    00:27 Uhr, 18.03.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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