Kommentar
14:00 Uhr, 25.05.2009

„Nicht bloß gucken, sondern auch anfassen …“

Von Express-Zertifikaten mit eingebautem „Memory“-Mechanismus war zuletzt häufiger die Rede, der automatisch in seinem „Oberstübchen“ abspeichert, wenn es an den vorher festgelegten Bewertungstagen nicht zu einer Kuponzahlung reichte. Wird dann an einem darauffolgenden Stichtag die dafür notwendige Kursvoraussetzung wieder erfüllt, führt der „erweiterte Erfahrungsschatz“ dazu, dass nicht nur die aktuellen, sondern auch die zuletzt ausgefallenden „Zinsen“ dem Anleger gut geschrieben werden. Auf dem ersten Blick nicht viel anders als bei einem klassischen Express-Papier, möchte man meinen, doch handelt es sich hier nicht um die normale Tilgungsschwelle, sondern um eine weit tieferliegende Barriere, meist sogar bei 50 Prozent des Ausgangsniveaus, ab der schon der angestrebte Kupon erstattet wird ungeachtet dessen, ob es überhaupt zu einer vorzeitigen Fälligstellung gekommen ist. Im Extremfall reicht deshalb bereits die Einhaltung des Barriere-Levels am normalen Laufzeitende aus, um eine Rückzahlung zum Nennbetrag incl. aller jährlichen Extrazahlungen zu gewährleisten. Eine komfortable Ausstattung also, die so manches „Börsengewitter“ unbeschadet über sich hinwegziehen lässt.

Barclays Capital setzt dem „Memory“-Prinzip bei seinem neuen noch bis zum 19. Juni zeichenbaren One-Touch Express-Zertifikat auf den Euro STOXX 50 jetzt noch einen drauf. Denn hier fällt zusätzlich auch noch die Bindung des Kupons an einen bestimmten Bewertungstag weg. Im Gegensatz zu Zertifikaten, bei denen der Begriff „one-touch“ meistens eine negative Konsequenz nach sich zieht, genügt es hier schon, wenn der Basiswert an einem Tag während der jährlichen Beobachtungsperiode bei oder über 50 Prozent des Startkurses schließt. Nichts leichter als das, oder glaubt jemand ernsthaft, dass der Euroland-Index gleich am ersten Tag mehr als die Hälfte an Wert einbüßt und sich dann das ganze Jahr über nicht mehr erholt. Sicher nicht, doch könnte sich der Abstiegsprozess zumindest theoretisch sukzessive von Periode zu Periode fortsetzen und im Laufe der Jahre doch zu einem Kuponausfall führen, da ja der Startwert zugrunde gelegt wird . Sollte dieser Fall aber wirklich eintreten, gäbe es da ja immer noch den „Memory“-Mechanismus.

Aufgrund des Wegfalls des Stichtagsprinzips für die Zinszahlung kann der Anleger bei dem neuen Barclays-Produkt natürlich nicht mit einer allzu üppigen Renditeausbeute rechnen, wobei der Kupon hier aber immer noch sechs Prozent jährlich beträgt. Wer auf eine vorzeitige Fälligstellung des Papiers spekuliert, muss allerdings mindestens eine Seitwärtserwartung mitbringen, da sich der Call-Level genau auf dem Emissionsniveau befindet. Und dafür gilt dann wieder das Stichtagsprinzip, wobei am regulären Laufzeitende für das Wunschszenario bereits die 50-Prozent-Marke ausreicht. Theoretisch könnte es bei dem Papier sogar vorkommen, dass für das letzte Laufzeitjahr wegen eines „one-touch“ noch der 6-prozentige Kupon ausgeschüttet wird, sich der Index aber am finalen Stichtag mehr als halbiert hat. Die Rückzahlung würde dann wie bei herkömmlichen „Memories“ von der Wertentwicklung seit Auflage bestimmt werden und die Extrazahlung wäre dann wohl nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Der BörseGo Tipp: Das Papier erhöht die Chance auf eine Kuponzahlung, da hier das Stichtagsprinzip wegfällt. Allerdings geht dies zulasten der Rendite und der Wahrscheinlichkeit einer Vorzeittilgung, deren Schwelle sich bei anderen Produkten meist deutlich unter dem Ausgangsniveau befindet. Hinsichtlich der Rückzahlung des eingesetzten Kapitals verbessert sich allerdings nichts, so dass Anleger stattdessen auch zu „normalen“ „Memory“-Express-Zertifikaten mit einer höheren Renditeerwartung greifen können.

One Touch Express-Zertifikat
Emittent/WKN: Barclays / BC0E5Q
Laufzeit: 26.06.2014
Preis: (in Zeichnung bis 19.06.2009) Ausgabepreis: 1.000 € zzgl. 1 % Agio

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/investmentcertificates/overview

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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