Kommentar
21:45 Uhr, 08.12.2016

Nicht aufzuhalten: Die EZB und die Börse!

Anleger hatten der EZB schon viele Vorschusslorbeeren gegönnt, indem sie bei Aktien seit Wochenbeginn kräftig zugriffen. Anstatt nach der EZB Sitzung damit aufzuhören, geht die Party anscheinend jetzt erst so richtig los.

Der Dax hat in 4 Handelstagen 7 % gewonnen. In so manchem Jahr war die Gesamtperformance deutlich dürftiger. Das wird aller Voraussicht nach dieses Jahr nicht der Fall sein. Der Fairness halber muss man allerdings sagen, dass die gesamte bisherige positive Jahresperformance in dieser Woche generiert wurde. Seit Jahresanfang ist der Dax knapp 7 % im Plus.

Saisonal kann es nun bis Jahresende so weitergehen. Nachdem der Ausbruch aus einer monatelangen Seitwärtsphase nun perfekt ist, kann die Kaufwut der Anleger durchaus noch eine Zeit lang anhalten. In den USA wird schon länger gekauft, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Jetzt ziehen Dax und Co. nach.

Dafür sind drei Faktoren ausschlaggebend. Die politische Unsicherheit ist erst einmal vom Tisch. Die Wahlen in den USA, Österreich und Italien sind vorbei. Es scheint so, als würde die Tatsache, dass diese Ereignisse nun nicht mehr vor uns liegen, schon reichen, um für Kauflaune zu sorgen.

Der zweite Punkt bezieht sich auf die Währung. Seit Trump die US-Wahl gewonnen hat, wertete der Dollar auf, auch gegenüber dem Euro. Es war schon irgendwie merkwürdig, dass gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft davon nicht an der Börse profitieren konnte. Trump ist zwar vordergründig kein Freund des freien Handels, wenn die USA mit einem Land ein großes Handelsdefizit haben, doch Deutschland wurde im Gegensatz zu China und Mexiko nicht einmal ansatzweise an den Pranger gestellt. Der schwache Euro sollte den europäischen Märkten also durchaus helfen.

Das Sahnehäubchen kam heute durch die EZB. Sie kauft munter weiter Anleihen. Die Grafik zeigt die Prognose der Bilanzausweitung bis Ende 2017. Über Staats- und Unternehmensanleihen sowie Pfandbriefen und ABS wird die EZB bis Ende nächsten Jahres 2,4 Billionen an Assets angehäuft haben. Das entspricht einem Anteil von 23 % an der Wirtschaftsleistung.

Der Anteil an den ausstehenden Euro-Staatsschulden wird Ende 2017 bei 21 % liegen. Derzeit sind es 13 %. Es wird vermutlich nicht einmal bei den 21 % bleiben, denn Draghi hat in der Pressekonferenz wichtige Hinweise gegeben. Die ab März reduzierten Käufe (60 Mrd. statt derzeit 80 Mrd.) sollen bis Dezember 2017 gelten. Von einer weiteren Reduzierung der monatlichen Käufe bis dahin war bisher keine Rede. Sofern die Eurozone nicht auf wundersame Weise ein stark beschleunigtes Wirtschaftswachstum ausweist, wird es keine Reduzierung geben.

Läuft alles gut, dann werden die monatlichen Käufe ab Anfang 2018 weiter reduziert. Das ist mehr als der Markt erwartet hatte. Es wurde davon ausgegangen, dass es Hinweise auf ein endgültige Ende geben würde. QE ist jedoch nach wie vor zeitlich unbegrenzt.

Während sich der Markt darüber freut darf man nicht vergessen, was das eigentlich bedeutet: wirtschaftlich geht es nach wie vor nicht voran. Draghi liefert die Erklärung dafür gleich mit: die Politik verweigert Reformen - immer noch.

Draghi hat noch einen weiteren wichtigen Punkt zur Sprache gebracht. Die EZB darf nun auch Anleihen kaufen, die eine Rendite abwerfen, die unterhalb des derzeit gültigen Einlagesatzes von -0,4 % liegen. Dadurch fährt die EZB auf diesen Anleihen einen garantierten Verlust ein. Dies wird faktisch auch geschehen, denn die EZB beabsichtigt nun auch Anleihen mit Restlaufzeiten von weniger als 2 Jahren zu kaufen. Diese rentieren fast überall in der Eurozone unterhalb von -0,5 %. Ausnahmen sind Spanien, Portugal und Italien.

Auf die Frage, ob das denn machbar sei, antwortete Draghi lapidar: Notenbanken sind dazu da, ihr Mandat zu erfüllen und nicht, um Profit zu machen. Das zeigt, woher der Wind weht. Wenn es sein muss gehen die Notenbanken auch an ihr Eigenkapital, durch das Verlust letztlich aufgefangen wird.

Der Markt befindet sich nun also in einem vielfachen Rausch: Unsicherheit ist weg, Euro ist niedrig und die EZB beweist, dass sie einen noch sehr, sehr langen Atem hat. Die Feierlaune kann nun überraschend lange anhalten und auch zu unerwartet hohen Kursgewinnen innerhalb kurzer Zeit führen. Je mehr allerdings jetzt gefeiert wird, desto unangenehmer wird der Kater.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • Jo1807
    Jo1807

    Nun ist es amtlich: Der Euro ist nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt wird. Das Spiel der EZB ist eine Farce ohne gleichen - und eines ist sicher: Eher früher wie später wird der ganze Schrott in sich zusammenbrechen. Bis dahin Freibier für alle !!!

    22:33 Uhr, 08.12. 2016
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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